About Schmidt

About Schmidt macht unumwunden Spaß, soviel ist sicher, und Nicholson fährt alle Register seines Könnens auf, legt eine one-man-show hin, die einmal mehr seinen Ruf als einen der größten Schauspieler unserer Zeit zementieren und ihm unter Umständen sogar den 4. Oscar seines Lebens einbringen wird. Schön, dass nicht alle Ikonen der Zunft, im Gegensatz zu Robert de Niro etwa, ihre Reputationen im fortgeschrittenen Alter zusehends verspielen.

Der Film arbeitet mit der lakonischen Groteske, der bewussten Überzeichnung sozialer Entfremdung und zaubert damit an nicht wenigen, wenn auch zugegebenermaßen nicht an allen Stellen grandiosen Witz auf die Leinwand. Warren Schmidt (Jack Nicholson) geht mit 66 Jahren in Pension, zieht die Bilanz seines bisherigen Lebens, betrachtet die Welt im globalen wie im Privaten, vor allem aber sich selbst darin und erwacht wie aus einem Traum: Was ist da draußen eigentlich? Und was ist er selbst da draußen? Ein Geflecht sieht er vor sich, ein Geflecht aus sozialen Ritualen und Konventionen, aus Gewohntem und Gewöhnlichen, ein Geflecht, das schal nach Leere schmeckt. Fassaden allenorten, die krampfhaft aufrecht erhalten werden (müssen) und dennoch nur ein Nichts dahinter zu verbergen wissen.

Nun könnte man meinen – und zahlreiche Schmonzetten der Filmgeschichte begründen diese Erwartungshaltung mit recht -, der Film würde dazu einen Gegenentwurf erarbeiten, einen Ausbruch daraus artikulieren, diesen zumindest aber zeigen, und so erwartet man dies auch mit jeder Episode – und liegt falsch! Denn darin liegt die besondere tragik Schmidts, des Filmes überhaupt: sich der Fassaden zwar bewusst werden, dem dennoch nichts entgegenzustellen können. Außer platter Menschlichkeit, dem sich gegenseitig die Handreichen vielleicht, doch dies verkauft ABOUT SCHMIDT, zum Glück, nicht als als süßlichen, sozialen Appell, der den Film durchdringt, nein, es steht als Schlußbild, wirklich ganz am Ende, noch nicht mal sonderlich optimistisch gezeichnet: das Bild, im wortwörtlichen Sinne, ist einfach da, mahnt jedoch nicht, ist weder spektakulär noch bedeutungsschwanger, liegt eben vor einem. Mehr nicht. Dennoch dürfen Tränen – auf der Leinwand, wie im Saal – fließen.

Wie überhaupt der ganze Film die vielen, vielen Zeichen, die der Mensch nur zu gerne als wichtig empfindet, als belanglos, nebensächlich, eben nur von außen mit Relevanz aufgeladen zeigt: der Übergang zum "neuen Lebensabschnitt", wie Schmidts Gattin den Ruhestand aufgeregt und voller Erwartung nennt, wird äußerst reduziert dargestellt: ein Sekundenanzeiger, der stoisch die 12 passiert, ein Schmidt, der vom Arbeitsplatz aufsteht. Die Eheschließung seiner Tochter, die er ja eigentlich verhindern will, um schlimmeres auszuschließen, ist ein bloß inszeniertes Ritual, eine Aneinanderreihung von hohlen Phrasen, eher peinlichen Sprüchen und diversem, frommen Kerzenanzünden. Der Tod findet würdelos in der Küche beim Staubsaugen statt, so banal eigentlich, das wir ihn noch nichtmal zu sehen bekommen, auf der folgenden Beerdigung konzentriert sich Schmidt, somit auch die Kamera, auf jedes erdenklich nebensächliche Detail in der Umgebung – solche noch dazu, die ansonsten nur zu gerne als Sinnbild für Trauer verwendet werden. Kahle Baumwipfel etwa, die er seltsam entrückt anstarrt, allein sie wollen nicht so recht im Sinn des Sinnbilds sprechen. Nur der in die erde herabsinkende Sarg, der findet nur wenig Beachtung. Schmidt betrachtet seine Welt, kann sie nicht fassen, nicht deuten, nicht eingreifen – Schmidt ist der Camus'sche Fremde, wenn auch in einer satirisch überzeichneten Form.

Der Film zieht also ebenfalls Bilanz, analysiert mit kaltem Blick, gibt unzählige Lebensentwürfe und -stile, sei es Schmidts puritanisch-republikanische Lebensweise oder die eher liberal-demokratische der neuen Familie seiner Tochter in Denver, der Lächerlichkeit preis, ohne dabei aber Hierarchien aufzubauen oder Partei zu ergreifen. Es gibt da ganz einfach nichts, sagt uns About Schmidt, was Bestand vor der Ewigkeit haben könnte, was jenseits der eigenen Perspektive Sinn schafft, es gibt nur das verzweifelte Ringen mit und nach dem Sinn. Und wer diesen, den Sinn, für sich gefunden zu haben, nicht nur glaubt, sondern auch behauptet, der ist in der Logik des Filmes meist sogar noch grotesker als der große Zweifler Schmidt, der nach 42 Jahren Ehe seine Frau noch immer nicht zu kennen glaubt, nach 66 jahren noch immer nicht weiß, was Leben, vor allem sein eigenes, eigentlich ist.

Dabei ist About Schmidt, wie man vielleicht meinen könnte, aber auch nicht etwa zynisch oder boshaft. Nein, ganz gewiß nicht, der Blick ist bei aller Komik nicht selten voller bedauerndem Mitleid, es kann allein das Mitleid keinen Gegenentwurf oder Verbesserungsvorschlag präsentieren. Es menschelt nicht süßlich in About Schmidt und das ist ein Mittelweg, der viel verspricht.

[About Schmidt (About Schmidt, USA 2002)
Regie: Alexander Payne; Drehbuch: Alexander Payne, nach einem Roman von Louis Begley; Kamera: James Glennon
Schnitt: Kevin Tent; Darsteller: Jack Nicholson, Kathy Bates, Hope Davies, Dermot Mulroney, June Squibb, u.a.
Verleih: Warner Brothers Länge: 124 Minuten

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