Unknown Pleasures 2011 – Trash Humpers

Harmony Korines „Trash Humpers“ ist ein Anti-Kunstfilm – ein Film, der sich allem Schönen verweigert und sich stattdessen Orten des Drecks und Verfalls, vor allem aber menschlichen Abartigkeiten widmet. In „Trash Humpers“ vermischen sich zwei Ästhetiken des Primitiven und Hässlichen. Das gesamte Bildmaterial wurde mit billigen Videokameras gedreht, anschließend über mehrere miteinander verkabelte Videorekorder kopiert und dadurch nochmals gezielt qualitativ degradiert. Für an HD und 3D gewöhnte Zuschauer ist dieser Look des Amateurhaften und Veralteten natürlich ein ästhetischer Affront. Hier wird der technologische Fortschritt nicht einfach nur entschleunigt oder angehalten, sondern komplett zurückgenommen. Selbst die reduktionistischen Standards der Dogma-Filme werden hier nochmals unterboten, wenn sich neben ruppigen Montage-Sprüngen auch zahlreiche Störungen – Balken, Streifen, Verzerrungen, Aussetzer – und technische Angaben wie Play, Rewind oder Auto-Tracking in die Bilder einschreiben.
Entscheidend für die Ablehnung, die „Trash Humpers“ seit seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Toronto 2009 entgegen geschlagen ist, dürfte aber wohl weniger der stilistische als der inhaltliche Primitivismus sein. Wir sehen mit Senioren-Masken verkleideten Aussätzigen – three little devils, wie es ein im Film oft wiederholtes Lied ausdrückt – dabei zu, wie sie mit Mülltonnen und Bäumen zu kopulieren versuchen, Gegenstände demolieren und zerstören oder andere Menschen erniedrigen, quälen und letztlich umbringen. Zwei in Zwergenkostüme gehüllte Männer werden genötigt, Pfannkuchen mit Spülmittel zu essen – ein andere Figur wird mit Hilfe einer Plastiktüte erstickt, die Leiche anschließend misshandelt – Puppen werden mit Hämmern malträtiert und von BMX-Rädern durch Pfützen und Schmutz geschleift. Boshaftes Lachen begleitet all diese Handlungen – Reue und Moral existieren nicht.

Mehr geschieht in „Trash Humpers“ kaum – was viele Zuschauer zu der Frage verleitete, ob Korines Werk nicht eine ebenso sinnlose Leerlaufhandlung ist wie das häufig gezeigte Begatten der Mülltonnen. So wie diese Imitationen des Sexualakts zielgehemmte Triebdurchbrüche sind, so werden auch Sinn und Zweck des Films nicht unmittelbar deutlich. Manchmal wirken Korines Provokationen einfach nur pubertär-primitiv und erinnern darin zumindest oberflächlich an „Jackass“ und dessen plumpe Strategie des Schockierens um des bloßen Schocks willen. Anders als Johnny Knoxville stützt Korine seine Sexual-und-Fäkal-Szenarien jedoch mit einem mehr oder minder philosophischen Unterbau: In mehreren längeren Monologen machen sich unterschiedliche Figuren Gedanken über die Vorzüge eines Daseins ohne Kopf – als reiner Körper ohne hemmende Vernunft also –, über die nur sehr dünne Decke von Zivilisation und Kultur über der nackten Unmenschlichkeit des Menschen, und schließlich über die vermeintlichen Vorzüge eines Lebens ohne Regeln und Einschränkungen wie es die amoralischen Protagonisten führen – im Gegensatz zu den von Routine, Verpflichtungen und Konventionen eingeschränkten Existenzen der sie umgebenden braven Bürger.

Trotz aller berechtigten Kritik erweist sich „Trash Humpers“ letztlich als konsequente Entwicklung im Gesamtwerk von Harmony Korine („Gummo“, „Julien Donkey-Boy“ – letzterer mit Werner Herzog in einer Nebenrolle). Korine hat sich immer schon für das Marginalisierte, Asoziale und Verdrängte der amerikanischen Gesellschaft, insbesondere den White Trash, interessiert – wenn auch nicht unbedingt mit der politisch engagierten Empathie des Sozialrealismus, sondern eher mit dem fragwürdigen Gestus des indifferenten Beobachters. Den häufig gegen Korine vorgebrachten Vorwurf, gestörte, pathologische Existenzen exploitativ als Kuriositäten auszustellen und sie dem Voyeurismus des Chic pauvre preiszugeben, wird auch „Trash Humpers“ kaum entkräften können. Hier richten sich die von der Gesellschaft Missachteten gegen jene Zivilisation, die sie zugleich am Leben erhält und doch nicht daran teilnehmen lässt. Es ist der Kampf der Überflüssigen gegen die sie hervor bringende Überfluss-Gesellschaft.

Die Bestie Mensch zeigt dabei ihre hässliche Fratze. Gerade weil die Protagonisten Masken tragen und von diesen geschützt ihr wahres Ich zeigen können, entpuppt sich die menschliche Natur als Gemisch aus genitaler Triebgesteuertheit, boshaftem Sadismus und blinder Zerstörungswut. Dass dies in Korines Menschenbild eher der Normalzustand – die natürliche Anlage – als die Ausnahme ist, offenbart sich, wenn bereits ein zehnjähriger Junge große Freude daran zeigt, eine Puppe zu schlagen und zu ‚töten‘. Obwohl der Film die Gewaltakte seiner Figuren wenig explizit darstellt, ist er oftmals verstörender als so mancher Beitrag aus der torture-porn-Welle. Dies erreicht Korine einerseits, indem er immer wieder Merkmale des Kindlich-Unschuldigen (Puppen, Kostüme, Schlaflieder) als Kontrast zu den Taten der charakterlich deformierten Protagonisten nutzt.

Ausschlaggebend für die von „Trash Humpers“ ausgelöste Abscheu ist jedoch die formale Reduktion: Anders als bei den glatt polierten Bildern kommerzieller Horrorfilme wirken die Amateurvideo-artigen Aufnahmen Korines realistisch, weil quasi-dokumentarisch. „Make it, make it, don`t fake it!“, schreit passend dazu eine Figur des Films immer wieder. Das Verhalten der Protagonisten mit dem Ausleben ‚animalischer‘ Triebe zu erklären, wäre eine Beleidigung gegenüber der Tierwelt. In „Trash Humpers“ ist die Menschlichkeit auf die niedrigste Stufe gesunken und hat sich in Monstrosität verwandelt. So kommuniziert einer der Ausgestoßenen, der wie ein Elvis-Verschnitt aussieht, primär mittels ebenso unmenschlicher wie untierischer Schreie, die gegen Ende des Films geradezu körperliches Unwohlsein beim Zuschauer hervorrufen. „Trash Humpers“zeigt einen Ausschnitt der Gesellschaft, den man nicht sehen will, vor dem man gern die Augen verschließt. Die Kunst kann sich aber nicht darin erschöpfen, die Welt so selektiv darzustellen, wie wir sie gerne hätten. Harmony Korine zeigt Mensch und Welt so wie sie manchmal sind oder zumindest sein mögen. Dass dies nicht immer schön, sondern oftmals abstoßend, pervers und verstörend ist, kann allein noch kein Argument gegen einen Film sein.

Trash Humpers
(USA 2009)
Regie: Harmony Korine; Drehbuch: Harmony Korine; Kamera: Harmony Korine; Schnitt: Leo Scott; Darsteller: Rachel Korine, Brian Kotzur, Travis Nicholson;
Länge: 78 Min.
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 17.02.2011
DVD-Start: 25.02.2011
Preis: 17,99 Euro

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