Grün wie die Hoffnung

„Wo ist meine Stimme?“, fragen Azadeh und Kaveh. Die Wahlen am 12. Juni 2009 sollten dem Land den Wandel bringen. Doch der politische Umschwung war ein anderer, als die Anhänger von „The Green Wave“ gehofft hatten. Der gemäßigte Kandidat Mir Hossein galt als zukünftiges Staatsoberhaupt des Iran. Stattdessen gewann sein fundamentalistischer Gegner mit einem Erdrutschsieg. Der Goldene Bär der Berlinale für „Nader and Simin“ rückt Ali Samadi Ahadis politische Doku-Fiction besonders ins Blickfeld – auch das von Lida Bach.

Die beiden jungen Studenten Azdeh und Kaveh weigern sich, den offensichtlichen Wahlbetrug der Regierung zu dulden. Gemeinsam mit Hunderten anderer Iraner demonstrieren sie gegen die Manipulation. Grün wird zur Symbolfarbe der Protestbewegung. Die Farbe der Hoffnung ist auch die Farbe des Islam. Im Namen beider kämpft die Protestbewegung. Doch „The Green Wave“ schlägt ein konservativer Sturm menschenverachtender Gewalt entgegen.

„Wo ist meine Stimme?“, schreit es aus den Mündern hunderter Protestierender. Bis die Milizen sie den Demonstranten stopfen. Der neue Präsident des Iran heißt Mahmud Ahmadinedschad. Seine fanatischen Reden und Gewaltaktionen bestimmen das zukünftige Gesicht des Iran. In all ihrer erschreckenden Drastik zeigen verwackelte Amateuraufnahmen die abstoßende Brutalität der Truppen des Regimes. Die grobkörnigen, rauen Bilder sind nicht gestellt, um die Authentizität der Bilder zu erhöhen. Die verstörenden Szenen sind ein trauriger historischer Fakt. Der Handlungshintergrund von Ali Samadi Ahadis halbfiktionalem Drama ist dokumentarisch. Handyvideos, Fotos und vereinzelte Nachrichtenbilder zeigen in „The Green Wave“ das menschenverachtende Vorgehen der Milizen. Verschleppungen, Folter, Vergewaltigungen und Morde erstickten die Widerstandsbewegung.

Neben den Realszenen erzählen die beklemmenden Berichte prominenter Anhänger der „Grünene Bewegung“ von den staatlichen Verbrechen. Die Menschenrechtlerin Shirin Ebadi, der Menschenrechtsspezialist und Ankläger vor dem UN-Rat Payman Akhavan und die Journalistin Mitra Khalatbari sprechen in Interviews von der Zeit, als es schien „The Green Wave“ würde ihrem Ziel so „nah sein wie noch nie zuvor.“ Die Formulierung stammt aus einem der Interneteinträge, auf denen die fiktionalen Dialoge der Semi-Reportage basieren. In farbintensiven Animationsszenen umrahmt der Regisseur und Drehbuchautor sein politisches Plädolyer mit der Geschichte zweier Studenten, die symbolisch für das reale Schicksal unzähliger Demonstranten steht. Die Intensität der Realaufnahmen kann die Fiktion indes nur mindern. Die Dokumentarszenen sprechen mit eindringlicherer Stimme als es die animierten Zeichnungen Ali Reza Darischs vermögen.

Der Ausgang des semi-dokumentarischen Zeitbildes ist so niederschmetternd, wie es die Realität der Handlung abverlangt. Das Bollwerk der Fanatismus konnte „The Green Wave“ nicht einreißen. Die Proteste der Widerstandsbewegung wurden von den Regime-Kräften niedergeknüppelt. Dennoch ist Ahadis Werk ein hoffnungsvoller Film. „The Green Wave“ erinnert daran, was den meisten kaum bewusst ist: Es gibt einen anderen Iran als das Zerrbild des Fundamentalisten-Staates, dass Ahmadinedschad und die Repräsentation des Landes in den internationalen Medien wecken. Ihm Gehör zu verschaffen ist der größte Verdienst von „The Green Wave“.

The Green Wave
(Deutschland 2010)
Regie: Ali Samadi Ahadi; Drehbuch: Ali Samadi Ahadi; Kamera: Peter Jeschke, Ali Samadi Ahadi; Schnitt: Barbara Toennieshen, Andreas Menn; Musik: Ali N. Askin
Darsteller: Pegah Ferydoni, Navid Akhavan, Shirin Ebadi, Mitra Khalatbari, Mehdi Mohseni, Mohsen Kadivar, Payam Akhavan, Shadri Sadr
Länge: 80 Min.
Verleih: Camino Verleih
Kinostart: 24. Februar 2011

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