Straße der Finsternis

Ein junges Paar küsst sich sanft in einem Weichzeichner-getränkten Szenario. Die Untertitel stimmen auf eine Liebesromanze ein: „This boy and this girl were never properley introduced to the world we live in. To tell their story …“ Zu schön, um wahr zu sein, ist der Beginn von Nicholas Rays bedrückendem Kinodebüt. Doch das unbeschwerte Zusammensein für Bowie (Farley Granger) und Keechie (Cathy O´Donnell) – verlorene Kinder in einer bedrohlich-fremden Welt – bleibt, was der Weichzeichner  im klassischen Hollywoodfilm meist kennzeichnet: Traum, Fantasie, Wunschvorstellung. „Im Schatten der Nacht“ lebt das jugendliche Verbrecherpaar in Nicholas Rays Film. Auf die zuckersüße Traumvorstellungen folgt die bittere Realität einer zum Tod geweihten Romanze. „Straße der Finsternis“ weiterlesen

Do(n´t) look now!

Vor dem Auge gibt es kein Entrinnen. Sein Blick dringt bis in die Seele. „Peeping Tom“ beginnt mit der extremen Nahaufnahme eines menschlichen Auges, dem der Hauptfigur Mark Lewis (Karlheinz Böhm). Die Pupille weitet und schließt sich wie die Linse einer Kamera. Eine solche trägt Mark unter seinem Mantel verborgen. Durch sie zeigt „Peeping Tom“ das nachfolgende Geschehen. Mark nährt sich einer Prostituierten und ermordet sie. Menschenauge und Kameraauge registrieren die Tat emotionslos. Regisseur Michael Powell blickt in „Peeping Tom“ durch „Augen der Angst“. „Do(n´t) look now!“ weiterlesen

Papa ante portas

„Familie ist das Wichtigste“, betont Familienvater David. Zu den Feiertagen hat er sich auf die heimeligen Werte besonnen. Seine Frau und die Kinder konnten den Ansprüchen an traute Eintracht nicht genügen. Sie liegen ermordet neben dem Tannenbaum. Nelson McCormick greift in „Stepfather“ zu mörderischen Erziehungsmaßnahmen. Leider hält seine Neuverfilmung von Joseph Rubens Psychothriller „Кill, Daddy, Kill!“ nicht, was diese Anfangsszene verspricht. Die Handlung folgt dem erprobten Plot des Originals, in dem Mamas neuer Freund sein Familienideal mit drastischen Mitteln durchsetzen will. „Papa ante portas“ weiterlesen

Schach der Dame

Es ist ein Spiel der Verführung: Zärtlich umfassen die Finger einer unbekannten Schönen die Figuren und verflechten sich mit den Händen ihres Gegenübers. Die Fremde und der Mann sind Partner auf dem Schachbrett und Partner in der Liebe, das lassen ihre Gesten erahnen. Mit der subtilen Erotik der Eröffnungsszene verführt die französische Regisseurin Caroline Bottaro ihre Hauptfigur und ihr Publikum gleichermaßen: Sandrine Bonnaire dazu, auf der Leinwand „Die Schachspielerin“ Helene zu werden – das Publikum dazu, sie dabei zu beobachten. Doch der kunstvolle Eröffnungszug führt das Drama nicht zum künstlerischen Sieg. „Schach der Dame“ weiterlesen

Unheimliche Begegnung der humanoiden Art

Leben auf fremden Planeten gibt es nicht, glauben die Bürger des 50er-Jahre-Nests, in dem Jorge Blancos Animationsabenteuer beginnt. Ein Raumschiff belehrt die Kleinstädter eines Besseren. Science-Fiction-Filme haben es prophezeit: Humanoide greifen an! Auf „Planet 51“ sind die Menschen die Außerirdischen. Der computergenerierte Kinderfilm stellt das klassische Science-Fiction-Szenario auf den Kopf. Für die Bewohner von „Planet 51“ kommt der Schrecken aus dem All von der Erde.

„Unheimliche Begegnung der humanoiden Art“ weiterlesen

Himmlische Hinterwäldler

Neu ist nichts an “New in Town”. Jonas Elmers Romantikkomödie wurde schon hunderte Male gedreht. Der Neuaufguss erzählt die Geschichte einer Karrierefrau, die in Ehe- und Landleben wahres Glück findet. Im erzkonservativen „New in Town“ entdeckt Renee Zellweger die romantischen Seiten des Hinterwäldlerlebens. Neue Hauptdarstellerin, neuer Film – doch die Klischees bleiben die alten. „Himmlische Hinterwäldler“ weiterlesen

Fußball ist unser Leben

„Lass uns irgendwas kaputtmachen.”, sagt Florian. “Irgendwen.” Der Braunschweiger hält sich für einen Fußballfan. Tatsächlich ist er Hooligan. Den Fußballverein Eintracht Braunschweig haben Florian und seine Kumpels zum Kern ihres Lebens erkoren. Der Abstieg in die untere Liga droht dem Verein sportlich, den Freunden gesellschaftlich. „Fairplay war gestern”, gilt in Carsten Ludwigs und Jens-Christoph Glasers Milieustudie „66/ 67“.

„Fußball ist unser Leben“ weiterlesen

Grün wie die Hoffnung

„Wo ist meine Stimme?“, fragen Azadeh und Kaveh. Die Wahlen am 12. Juni 2009 sollten dem Land den Wandel bringen. Doch der politische Umschwung war ein anderer, als die Anhänger von „The Green Wave“ gehofft hatten. Der gemäßigte Kandidat Mir Hossein galt als zukünftiges Staatsoberhaupt des Iran. Stattdessen gewann sein fundamentalistischer Gegner mit einem Erdrutschsieg. Der Goldene Bär der Berlinale für „Nader and Simin“ rückt Ali Samadi Ahadis politische Doku-Fiction besonders ins Blickfeld – auch das von Lida Bach.

„Grün wie die Hoffnung“ weiterlesen

Fliegende Untertassen bitten um Asyl

Die Außerirdischen in Neill Blomkamps Science-Fiction-Film “District 9” bringen weder technischen Fortschritt noch neue Erkenntnisse. Die fremden Wesen sind Flüchtlinge von ihrem eigenen zerstörten Planeten, extraterrestrische Immigranten, mit denen die Erdbevölkerung sich zwangsweise arrangieren muss. Neill Blomkamps Debütfilm “District 9” wartet mit einer der ungewöhnlichsten Handlungsideen des modernen Science-Fiction-Kinos auf. In einer Mischung aus Pseudodokumentaraufnahmen, Interviews und Spielszenen zeigt “District 9” den Umgang der Gesellschaft mit dem Fremden als futuristische Parabel. „Fliegende Untertassen bitten um Asyl“ weiterlesen

Meine liebe Rabenmutter

Die meisten Morde sind Beziehungstaten. Hubert Minels Tat ist ein klassischer Fall. „I killed my Mother“, gesteht er im gleichnamigen Mutter-Kind-Drama; kein kriminalistisches, sondern ein emotionales Bekenntnis. In seinem in Cannes in der Reihe „Quinzaine des realisateurs“ aufgeführten halb-biografischen Beziehungsproträt inszeniert der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Xavier Dorval seinen persönlichen Familienkonflikt als zermürbendes Pubertätsdrama.

„Meine liebe Rabenmutter“ weiterlesen

Cliffhanger

„Ich kenne einen besseren Weg.“, grinst Alan Ralston (James Franco) auf seiner Tour durch die Wüste Utahs: „Den coolen Weg!“ Einfache Strecken verlacht der Extremsportler, der in der klimatischen Extremzone zwischen zerklüfteten Felsen und hunderte Meter tiefen Schluchten nach einer neuen Herausforderung sucht. Die findet der Held von Danny Boyles auf einer wahren Begebenheit basierendem Bergsteigerdrama, mehr als ihm lieb ist. Nur wenn er physisch und psychisch über sich hinaus wächst, kann Ralston seine neues Abenteuer überstehen. Ein Kampf, bei dem es nicht um Ruhm geht, sondern um sein Überleben.

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Umleitung

Jeder Weg führt in den Tod. Bedächtig betrachtet der Mann den Grabstein auf dem alten Friedhof, zu dem der Blick ihn verfolgt. Doch er ist ein Niemand, einer der zahllosen Bewohner des gespenstischen Niemandslandes, in das Georgi in Sergei Loznistas „Mein Glück“ gerät. Nach elf Reportagen fantasiert der ukrainische Regisseur und Drehbuchautor ein pessimistisches Road Movie, hinter dessen grausam-bizarrer Realität sich ein surrealer Abgrund öffnet. Georgi (Viktor Nemets) ist der Weg verbaut. Die Landstraße, von der eine Wegposten den Lastwagenfahrer abbringt und der Weg, den sein Leben nehmen sollte. Der Rat einer jugendlichen Hure (Olga Shuvalova) führt ihn in ein entlegenes Dorf im ukrainischen Hinterland.

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