Cliffhanger

„Ich kenne einen besseren Weg.“, grinst Alan Ralston (James Franco) auf seiner Tour durch die Wüste Utahs: „Den coolen Weg!“ Einfache Strecken verlacht der Extremsportler, der in der klimatischen Extremzone zwischen zerklüfteten Felsen und hunderte Meter tiefen Schluchten nach einer neuen Herausforderung sucht. Die findet der Held von Danny Boyles auf einer wahren Begebenheit basierendem Bergsteigerdrama, mehr als ihm lieb ist. Nur wenn er physisch und psychisch über sich hinaus wächst, kann Ralston seine neues Abenteuer überstehen. Ein Kampf, bei dem es nicht um Ruhm geht, sondern um sein Überleben.

Der „coole Weg“ entpuppt sich für Alan als eiskalte Todesfalle. Auf einer Mountainbike-Tour durch die Steinwüste rutscht er in einen schmalen Felsschacht. Ein Gesteinsbrocken zerquetscht dabei seine rechte Hand und klemmt seinen Arm ein. Wenige Zentimeter über dem Schachtboden hängt Ralston fest. Den Fels zu bewegen scheint unmöglich, um Hilfe rufen in der menschenleeren Landschaft sinnlos. Einziges technisches Gerät Ralstons ist seine Kamera, mit der er seinen Zustand dokumentiert. Der Unfall zwingt den jungen Bergsteiger weiter an seine Grenzen zu gehen, als er es je getan hat. Besitzt er genug Kraft, um nicht den Verstand zu verlieren und den „coolen Weg“ zu finden – aus der Todesfalle zurück ins Leben?

„Das gibt’s doch nicht!“, flucht Ralston, als er festklemmt. Doch das gibt’s und zwar schon lange: Zwei Maurer stürzen vom Gerüst. Der eine hat Pech und zerschellt in der Tiefe. Der andere hat Glück. Er bleibt mit dem Auge an einem rostigen Nagel hängen. Gemein? Ja. Aber genau diese Geschichte mit der gleichen zynischen Komik erzählt „127 Hours“. Die Handlung von Boyles Tatsachengeschichte ist auf ein minimales Szenario und einen einzigen Charakter konzentriert. Ralstons Lage mag extrem dramatisch sein. Abwechslungsreich anzusehen ist sie nicht. Dass der Bergsteiger überlebt hat, steht von Anfang an fest. Die Spannung beschränkt sich darauf, auf welche Art er sich befreien wird und was er bis dahin zu durchleiden hat. Arm amputieren? Mit einem stumpfen Messer. Isotonischer Fitnessdrink? Im Auto vergessen. Wasserflasche? Fast leer. Urin trinken? Ups, die Wasserflasche fällt …

Mehr Erwähnenswertes geschieht kaum. Die Rückblenden in Ralstons Erinnerung sind belanglos, seine Fantasien banal. Auch dem Hauptcharakter geht da der Gesprächsstoff aus: „Was erzähl‘ ich bloß als nächstes?“ Seine 90-minütige Ein-Mann-Show muss James Franco mit dem Gebaren eines arroganten Angebers abliefern. Sein selbstgefälliges Grinsen vergeht dem Filmcharakter erst, als er im wahrsten Sinne in der Klemme steckt. Das provoziert eher zu schadenfrohem Kichern als bangem Mitfiebern. Authentisch fühlt sich das müde Abenteuerwerk dennoch an: „127 Hours“ lang, erschöpfend und drückend öde.

127 Hours
(USA, Großbritannien 2010)
Regie: Danny Boyle; Drehbuch: Simon Beaufoy, Danny Boyle; Kamera: Anthony Dodd Mantle, Enrique Chediak; Ton: Steven C. Laneri, Douglas Cameron; Schnitt: Jon Harris
Darsteller: James Franco, Amber Tamblyn, Clemence Posey, Lizzy Caplan, Kate Burton, Treat Willimas
Verleih: Twentieth Century Fox
Kinostart: 17. Februar 2011

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.