Fliegende Untertassen bitten um Asyl

Die Außerirdischen in Neill Blomkamps Science-Fiction-Film “District 9” bringen weder technischen Fortschritt noch neue Erkenntnisse. Die fremden Wesen sind Flüchtlinge von ihrem eigenen zerstörten Planeten, extraterrestrische Immigranten, mit denen die Erdbevölkerung sich zwangsweise arrangieren muss. Neill Blomkamps Debütfilm “District 9” wartet mit einer der ungewöhnlichsten Handlungsideen des modernen Science-Fiction-Kinos auf. In einer Mischung aus Pseudodokumentaraufnahmen, Interviews und Spielszenen zeigt “District 9” den Umgang der Gesellschaft mit dem Fremden als futuristische Parabel.

Zusammengepfercht im Dunkeln kauern die halb verhungerten, verdreckten Aliens. Sie bringen keine überirdische Weisheit, sondern wollen etwas von den Menschen und zwar nicht sie vernichten oder versklaven. Wäre dem so, wüsste die Menschheit aus unzähligen Kinofilmen wenigstens, wie sie handeln müsste. Doch Blomkamps Außerirdische suchen Zuflucht auf der Erde. Ihr Raumschiff ist Schrott, zurück ins All schicken kann sie niemand. So ereilt sie das übliche Los illegaler Einwanderer. In einem Auffanglager, dem titelgebenden District 9, werden sie geduldet. In Baracken aus Müll hausen die garnelenartigen Wesen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Abfällen und sammeln Elektroschrott. Nach Katzenfutter sind sie süchtig wie Junkies nach Drogen. Menschliche Dealer handeln mit den Aliens: Whiskas gegen Waffen. Die außerirdischen Waffen reagieren nur auf extraterrestrische DNS und sind für Menschen unbrauchbar. Der District 9 ist ein Slum wie es unzählige gibt, mit Drogen, Prostitution und Elend. Gelandet ist das Raumschiff nicht in New York oder L.A., sondern in Johannesburg. Die Einwohner kämpfen selbst mit sozialen Problemen. Konfliktpotenzial aus dem Weltall ist das letzte, was sie brauchen. Mit sarkastischen Untertönen vermitteln die inszenierten Interviews mit den Bürgern Johannesburgs die Intoleranz gegenüber Fremden.

Die sind noch nicht einmal von unserem Planeten, die sollen dahin zurück, wo sie hergekommen sind; das Geld für District 9 würde besser für menschliche Angelegenheiten ausgegeben. Außerdem klauten die Aliens, stifteten Unruhe und seien hinter menschlichen Frauen her. Verwackelte Amateuraufnahmen zeigen, wie die Aliens im Abfall kramen. Sie stinken und sehen unangenehm aus. Die Menschen nennen sie “prawns”, Garnelen. Eigentlich ist das Diskriminierung, aber die sehen doch so aus, oder? Die Straßen pflastern Warnschilder: “Zutritt nur für Menschen“, “Für Außerirdischen verboten”. Katzenfutter können sie zu Wucherpreisen kaufen, ansonsten sollen sie irgendwohin geschafft werden, wo sie und ihre Probleme keiner sieht. Dafür ist wie unter Menschen üblich eine Behörde zuständig. Regisseur und Drehbuchautor Neill Blomkamp blickt auf den etymologischen Ursprung des Begriffs „alien“: fremd, fremdländisch, anders. Nicht so wie wir. Das genügt den Menschen, um unter Scherzen – “Kling wie Popcorn rösten!” – die Außerirdischenbrut zu verbrennen oder Weltraumflüchtlinge zu erschießen. Deren Technik ist kaputt, auf der Erde führen die Menschen die Nahrungskette an. Letztes kriegen die Aliens auf mörderische Art zu spüren.

Leider verliert “District 9”die ebenso ungewöhnliche wie clevere Metapher aus dem Fokus. Wikus van der Merwe (Sharlton Copley), Mitglied der Alien-Behörde, infiziert sich bei einem Räumungseinsatz mit außerirdischer DNS. Als einziger Mensch kann er nun Alien-Waffen bedienen, was die Regierung ausnutzen will.Von hier an dominiert konventionelle Aktion die Handlung. Der hintergründige Anfang erinnert an die sozialkritischen Metaphern des klassischen Science-Fiction-Kinos. Neill Blomkamp konfrontiert die Zuschauer mit der Verachtung und dem Desinteresse, nicht nur gegenüber dem Fremdländischen, sondern sozialem Elend allgemein. Die Realität hinter “District 9” ist bedrückend nah.

District 9
(USA/Neuseeland 2009)
Regie: Neill Blomkamp; Drehbuch: Neill Blomkamp; Musik: Clinton Shorter; Kamera: Trent Opatoch; Schnitt: Julian Clarke
Darsteller: Sharlton Copley, David James, Jason Cope, Vanessa Haywood, Louis Minnaar, Kenneth Nkosi, Nick Blake
Länge:
Verleih: Sony Pictures

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