Dem finalen Level folgt das Rauschen

Vor nur wenigen Wochen erlebte „Ghost Machine“ auf dem Fantasy-Filmfest seine deutsche Kinopremiere – nun ist er bereits auf DVD und Blu-ray-Disc von Sunfilm erschienen. Der Medienwechsel vollzog sich nicht nur sehr schnell, sondern eröffnet auch einen weiteren, tiefer gehenden Blick auf das im Film dargestellte Phänomen der Digitalisierung von Lebens- und Spielwelt, das in „Ghost Machine“ sozusagen auf der Bildoberfläche kondensiert und eine Strategie des Unheimlichen offenbart, die bei Videospiel-Adaptionen zur schönen Regel geworden ist.

Zunächst jedoch erzählt der Film in einer Mise-en-Abyme die Geschichte einer Hand voll Twentysomethings, die für ein militärisches Trainingsprojekt eine Simulationssoftware entwickelt haben, mit deren Hilfe sich Kampfeinsätze virtualisieren lassen: Der Soldat setzt sich dazu in einen Stuhl, bekommt einen VR-Helm aufgesetzt und mittels der wunderbaren Technik eine Erlebnissimulation direkt ins Gehirn eingepflanzt. Von diesem Moment an wähnt er sich an einem realen Kampfplatz, kann Ausstattungsgegenstände wählen und sich mit anderen Spielern zu Coops zusammenschließen – ein richtiges Videospiel also.

Das Besondere, also das Science-Fiction-Konzept, daran ist, dass für die Einsätze ein realer Raum – im eigentlichen Filmplot sind es die Zellen und Gänge eines ehemaligen Militärgefängnisses – mittels Kameras gescannt und zu einem virtuellen Raum im Computerprogramm transferiert wird. Dass sich im Gefängnis, in dem der Plot des Films angesiedelt ist, allerdings der Geist einer vor Jahren zu Tode gefolterten Frau versteckt, die nun als „Ghost in the Machine“ in der Simulation auftaucht und virtuell Soldaten umbringt, die in der Folge auch real sterben – das ist der Horrorbestandteil des Films.

Lässt man die reichlich fantastische und mit nicht wenig Computerskepsis aktualisierte „Tron“-Erzählung einmal unberücksichtigt, was auch den Vorteil hat, dass die mäßig gut ausgebauten Charaktere dann unberücksichtigt bleiben können, und konzentriert sich auf die Darstellung, erschließt sich schnell das Potenzial des Films: Angesichts der heute ja schon wirklich hyperrealistisch animierten Computerspiel-Grafiken scheint das Mise-en-Abyme-Problem der Protagonisten nur allzu leicht verständlich: „Sind wir noch im Spiel?“, fragte schon 1999 jemand in Cronenbergs „eXistenZ“, der einen ganz ähnlich gelagerten Fall von simulatorischem Realitätsverlust behandelte. Der Marker für das „Noch-“ bzw. „Nicht-mehr-im-Spiel“-Sein war bei Cronenberg zu subtil und für den Protagonisten nur auf der Inhaltsebene zu erschließen: Ist das, was mir hier geschieht, zu fantastisch, um real zu sein?

In „Ghost Machine“ fällt die Antwort auf die – hier ungestellte – Frage ganz ähnlich aus; aber wenigstens der Zuschauer wird nicht im Unklaren gelassen, denn der Film besinnt sich innerhalb der Videospiel-Sequenzen einer anderen Optik – einer Optik, die immer schon die Präsentation eines „Mediums im Medium“ verdeutlichte. In der Videospiel-Adaptionsgeschichte ist der ikonografische Marker hierfür das digitale Bildrauschen. Es markiert jenen Übergang und ist – wie im „Silent Hill“-Film – manchmal sogar ein extradiegetischer Marker, der dem Zuschauer die Quelle der Erzählung „vor Augen führt“ – wenn auch nur als Asche, die vom Himmel rieselt.

„Ghost Machine“ schichtet seine Erzählräume ontologisch also in gestörten Bildern (der Geist ist oft genug Gegenstand und Sinnbild dieser flimmernden, rauschenden Störung); wenn der Plot – wie an einer Stelle – einmal doch unzuverlässig erzählen will, und die Protagonisten selbst nicht mehr wissen, auf welcher Realitäts- oder Virtualitätsstufe sie sich gerade befinden, dann kommen sogar medienhistorisch noch markantere Motive ins Spiel: In besagter Sequenz öffnen die Protagonisten als Spielfiguren eine Tür, hinter der sich ein durch das Spiel nicht mehr/noch nicht definierter Raum befindet; dargestellt als ein Strudel von Nichts, der später dann als „Delete“-Prozess den gesamten Spielraum schluckt. Dass es aber eine Tür ist, die den Blick durch die Vierte Wand ermöglicht, ist regelrecht Legende in den Darstellenden Künste.

So gesehen ist „Ghost Machine“ ein durch und durch konservativer Horrorfilm, was oft genug eine Tautologie ist. Denn wovor wir Angst haben, ist ja in den meisten Fällen das ganz Neue. Der Computer und seine nur noch für Fachleute überschaubaren Eigenschaften und Möglichkeiten bietet die ideale Projektionsfläche für solche Ängste. „Ghost Machine“, der ja im Titel den sprichwörtlichen „Ghost in the Machine“ zwar andeutet, ihn dann jedoch durch Auslassung als die Maschine selbst identifiziert, steht sehr deutlich in dieser Tradition und baut so zugleich auf der seit der ersten Industrialisierung tradierten Technikskepsis überhaupt auf. Maschinen sind eben die Plagegeister der Moderne – nicht nur, wenn sie welche beherbergen oder generieren.

Ghost Machine
(UK 2009)
Regie: Chris Hartwill; Buch: Sven Hugh, Malachi Smyth; Musik: Bill Grishaw; Kamera: George Richmond; Schnitt: Emma Gaffney, Dayn Williams
Darsteller: Sean Faris, Rachael Taylor, Luke Ford, Joshua Dallas, Halla Vilhjálmsdóttir, Sam Corry, Richard Dormer, Jonathan Harden
Länge: 92 Minuten
Verleih: Sunfilm

Die Blu-ray-Disc von Sunfilm

Der oben skizzierte Diskurs über das digitale Rauschen wird natürlich besonders auf dem hochauflösenden Medium nachvollziehbar. Dort sieht man auch die Künstlichkeit dieses Rauschens am deutlichsten, die sich von der Schärfe des übrigen Bildes gut abhebt. Zu bemängeln gibt es an der Publikation eigentlich nur, dass der Film lediglich in 1080i-Auflösung vorliegt und damit unter dem Standard für High-Def-Produktionen liegt.

Bild: 1:1,85, 1080i/25p
Ton: Deutsch (DTS-HD Master Audio 7.1), Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of Ghost Machine, Interview mit Drehbuchautor Sven Hughes, Trailer
FSK: ab 16 Jahren
Preis: 16,99 Euro

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Unser VideoCast zu „Ghost Machine“ vom Fantasy-Filmfest 2010:

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