Messen und Speichern

Zeitreisefilme reflektieren in ihren Erzählungen, aber auch in ihrer Struktur die Bedingungen ihrer Möglichkeit und das Wesen des filmischen Erzählens überhaupt. Das zeigt sich insbesondere in Zeitschleifen-Erzählungen, die eine besondere Art der Zeitreise-Erfahrung für ihre Protagonisten darstellen: Von „… und täglich grüßt das Murmeltier“ über „Lost Highway“ bis „Déjà Vu“ erleben die Filmfiguren, was es heißt, Filmfigur zu sein und damit der Willkür der erzählten Zeit zu unterliegen. „Science Fiction“ sind diese Filme in dem Maße, wie sie subtil film- und medienwissenschaftliche Positionen als Fiktionen in ihren Stories reflektieren. Mit Duncan Jones‘ „Source Code“ ist nun ein Zeitschleifen-Film entstanden, in den sich die Bedingungen seines Filmseins auf besondere Weise eingeschrieben haben.

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»And than, one day, I got in …«

Als Boris Becker 1999 im AOL-Werbespot überrascht feststellte: „Ich bin drin!“ hatte er natürlich gemeint, dass sein Computer dank der Software und des ISP im Internet ist. Dass Becker allerdings das Wort „Ich“ verwendet hat, löst noch zwei weitere Implikationen aus: 1. Die mentale Annäherung (etwa im technischen Verständnis) des Nutzers an seine Maschine ist hier bis zur Identifikation gelangt. 2. Der Nutzer ist mit seinem Bewusstsein selbst in den virtuellen Raum eingedrungen. Zu letzterem gehört vordergründig zwar auch das Internet als „Cyberspace“, jedoch ist ein „Drinsein“ auch im Computer selbst Ziel der Arbeit mit dem Gerät. Die Kultur- und insbesondere die Filmgeschichte ist reich an der Konkretisierung dieser beiden Implikationen von „Drinsein“ – und 1982 hat Disneys Regisseur Steven Lisberger vielleicht einen der faszinierendsten Filme zum Thema inszeniert: „Tron“. Er erzählt, wie wir uns das Innenleben des Rechners vorzustellen haben und welche Rolle „darin“ die Software, die Hardware und wir – die User/Wetware – spielen.

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Kurzrezensionen Dezember 2010

  • Bernd Stiegler (Hg.): Texte zur Theorie der Fotografie. Stuttgart: Reclam 2010.
  • Siegfried Jäger: Kritische Diskursanalyse: Münster: Unrast 2009.
  • Siegfried Jäger u. a. (Hgg.): Lexikon zur Kritischen Diskursanalyse. Münster: Unrast 2009.
  • Alexander Florin: Computer in Kino. Norderstedt: Books on Demand 2009.
  • Sönke Roterberg: Philosophische Filmtheorie. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008.
  • Thomas Myrach u. a. (Hgg.): Science & Fiction. Bern u.a.: Haupt 2009.
  • Roland Borgards u. a. (Hgg.): Monster. Würzburg: Königshausen & Neumann 2009.
  • Daniel Grinsted: Die Reise zum Mond. Berlin: Logos 2009.

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Dem finalen Level folgt das Rauschen

Vor nur wenigen Wochen erlebte „Ghost Machine“ auf dem Fantasy-Filmfest seine deutsche Kinopremiere – nun ist er bereits auf DVD und Blu-ray-Disc von Sunfilm erschienen. Der Medienwechsel vollzog sich nicht nur sehr schnell, sondern eröffnet auch einen weiteren, tiefer gehenden Blick auf das im Film dargestellte Phänomen der Digitalisierung von Lebens- und Spielwelt, das in „Ghost Machine“ sozusagen auf der Bildoberfläche kondensiert und eine Strategie des Unheimlichen offenbart, die bei Videospiel-Adaptionen zur schönen Regel geworden ist.

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Die dritte Supermacht

Im Kalten Krieg waren die Fronten zwischen gut und böse, hüben und drüben, Freiheit und Unterdrückung usw. scheinbar klar. Ganz so klar allerdings doch nicht, wagte man einen dialektischen Blick auf das Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Supermächten, bei dem sich dann die jeweilige Position einfach in ihr Gegenteil verkehrte. Die Friedensbewegung insistierte immer wieder besonders auf diese Übernahme der Gegenperspektive (als Sting etwa Ronald Reagan singend fragte, ob eine russische Mutter ihre Kinder etwa nicht liebe). Komplexität blieb aber weiterhin eher schädlich für ideologisch eindeutige Vermittlungen. Insofern ist die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Computer aus dieser Zeit auch ebenso von derartig vereindeutigenden Zugängen geprägt – hatte aber zumindest noch den Vorzug, dass die leicht nachvollziehbare Technophobie vor diesen Apparaten systemüberschreitend war und daher ganz neue, ungeahnte Koalitionen ermöglichte.

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The ultimate debugging is death.

Technik macht Hoffnung und Technik macht Angst. Beides kommt am deutlichsten in Utopien zum Ausdruck, in denen die Zukunft der Menschheit vor dem Hintergrund technologischer Entwicklung verhandelt wird. Dass diese Utopien trotz all ihrer Fiktivität jedoch keineswegs immer fiktionalen Charakter haben müssen, zeigen Auseinandersetzungen von Platon bis in die Gegenwart. Gesellschaft und Technik entwickeln sich aneinander, befördern und behindern einander. Doch insbesondere seit der industriellen Revolution kippt das Bild immer markanter hin in Richtung der Dystopie: Die Technik beraubt den Menschen seiner Möglichkeiten anstatt ihn zu unterstützen, sie verursacht Isolation und Deprivation. Der Computer und seine technischen Apparaturen und Funktionen dienen seit einigen Jahrzehnten als Verkörperungsphantasma dieser Ängste. Der Deutsche Regisseur Jens Schanze widmet sich in seinem Dokumentarfilm „Plug & Pray“ genau diesem Phänomen.

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Geist und Gehirn

Ghost Machine
(UK 2009)
Regie: Chris Hartwill; Buch: Sven Hugh, Malachi Smyth; Musik: Bill Grishaw; Kamera: George Richmond; Schnitt: Emma Gaffney, Dayn Williams
Darsteller: Sean Faris, Rachael Taylor, Luke Ford, Joshua Dallas, Halla Vilhjálmsdóttir, Sam Corry, Richard Dormer, Jonathan Harden
Länge: 89 Minuten
Verleih: n. n.

Der im VidCast erwähnte Essay zu Geistern aus dem Computer findet sich unter diesem Link.