Verdrängte Abgründe

»Die Unschuld wird vor allem von einem getötet – der Angst. Meine ›unschuldigen‹ Figuren fallen irgendwann vom Himmel und müssen die Hölle durchqueren, um wieder mit einer gewissen Unschuld überleben zu können« (David Lynch in einem Interview im Filmbulletin 2/1997, Heft 211)
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Night of the Living Dead

Im Jahre 1967 hatte ein junger, gerade erst 27 jähriger Mann namens George Andrew Romero die Idee zu einer Art Film, wie es ihn bis dato noch nicht gegeben hatte. Des ewigen Mainstream- Einerlei überdrüssig deutete er die Zeichen seiner Zeit. Zwei der kommerziell gewinnbringendsten Genres hatten ausgedient. Der Kriegsfilm sowie der Western. Schon im Jahr 1964, durch Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR und noch stärker durch Corbuccis DJANGO (1966) hatte der italienische Western den amerikanischen in Europa abgelöst. In den USA ergab sich diese Entwicklung vorrangig durch die jugendliche „Gegenbewegung“ der 60er, in der dieses antiquiert wirkende Genre den Idealen der Hippiegeneration, zumindest im Gewand der Edelwestern, nicht entgegen kam (psychedelische Western wie der 1976 entstandene MAD DOG mit Dennis Hopper waren damals noch in weiter Ferne).
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Day of the Dead

Nach dem großen kommerziellen wie künstlerischen Erfolg des Filmes ZOMBIE aus dem Jahre 1978 entwickelte George A. Romero sich zum „Vielfilmer“ (zumindest für seine Verhältnisse). Hatte man bisher noch Pausen von bis zu fünf Jahren hinnehmen müssen, legte er mit KNIGHTRIDERS – RITTER AUF HEISSEN ÖFEN (1981) und DIE UNHEIMLICH VERRÜCKTE GEISTERSTUNDE (1982) zwei Filme vor, die sich thematisch und qualitativ erheblich von seinen vorherigen Arbeiten unterschieden. Jedoch waren nun auch die größeren Studios auf ihn aufmerksam geworden, was dazu führte, dass letztgenannter Film sogar in den Verleih der Orion kam, einer damals aufstrebenden Produktionsfirma (Anfang der 90er musste sie Konkurs anmelden). Beschwingt vom Erfolg und dem endlich fließenden Vorankommen, entschied Romero, den geplanten dritten Teil der Untotentrilogie umzusetzen. Er stellte das Drehbuch im Jahre 1984 fertig und arbeitete wie schon in ZOMBIE mit Richard P. Rubinstein als Produzent zusammen. Obwohl Romero bei den größeren Produzenten jetzt einen Fuß in der Tür hatte, wollte er DAY OF THE DEAD genau wie die Vorgänger absolut unabhängig produzieren und sich von niemandem reinreden lassen.
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Sartre trifft Peckinpah

Anfang der 80er Jahre erfuhr das Hongkongkino bedeutende Veränderungen durch einen Schwung neuer Jungregisseure, die sich vom Diktat der anachronistischen, demagogischen und oktroyierenden Produktionsfirmen, wie z.B. den Shaw Brothers, befreiten und beweisen wollten, dass diese Filmindustrie zu mehr in der Lage ist als Martial Arts Werken, im Westen auch manchmal etwas verächtlich „Eastern“ genannt.
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Dawn of the Dead

1978 sollte zum Schlüsseljahr für Geoge A. Romero werden. Er drehte die Psychostudie MARTIN, mit der er sich auch endlich Freunde in der „seriösen“ Ecke machen konnte und die selbst bei Kritikern des katholischen Filmdienst Anklang fand. Wesentlich interessanter für die breite Masse der Fans gestaltete sich jedoch die Tatsache, dass Romero eine Quasi-Fortsetzung seines kommerziell wie künstlerischen Erfolges von 1968 plante. Sozusagen eine thematische Weiterführung des Erstlings, die bedeutend apokalyptischer angelegt sein sollte.
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Coffee and Cigarettes

im Jarmusch ist jener Regisseur, dem gern von Presse und Publikum der ‚Independent‘-Stempel aufgedrückt wird. Er sei der einzige amerikanische Filmemacher, der völlig unabhängig von einem Studiosystem arbeiten kann und dem auch nach der Kinoauswertung weiterhin die Filmnegative gehören. Jarmusch selbst lehnt eine Kategorisierung in ‚Independent‘ und ‚Mainstream‘ ab, da beide Bereiche ähnlich vermarktet und distribuiert werden. Wenn Filme wie Der englische Patient (USA 1997) oder Shakespeare in Love (USA 1999) als Independent-Filme angepriesen werden, beide von der Disney-Tochterfirma Miramax in die Kinos gebracht, dann stimmt mit dem unabhängigen Film etwas nicht, so Jarmuschs Begründung.
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Das Teuflische in uns

Als ich Mitte der 70er Jahre im zarten Alter von 20 Friedkins (»French Connection«, 1971; »To Live and Die in L.A.«, 1985) Exorzisten das erste Mal sah, konnte ich mich vor Begeisterung kaum halten. Sicher, Suspense-Meister Alfred Hitchcock hatte etliche Male vorgemacht, wie man Spannungsbögen über eineinhalb oder zwei Stunden durchhalten kann und das Publikum in Angst und Schrecken versetzen konnte, vor allem mit »Die Vögel« und »Psycho«. Aber »Der Exorzist« war mehr, ging einige Schritte weiter, ohne nur Horror-Film zu sein. „Das Teuflische in uns“ weiterlesen

Ein skrupellos-schönes Spiel

Psycho, Alfred Hitchcock, USA 1960

Wer »Psycho« einmal in seinem Leben gesehen hat, wird den Film nie wieder vergessen – würde ich mal ganz forsch behaupten. Warum? Zum einen ist es Hitchcock hier noch effektiver gelungen, sein Publikum zu manipulieren. Andererseits knüpft die Handlung genau an Ängste an, die uns letztlich irgendwo alle bewegen: Opfer oder möglicherweise auch Täter eines Verbrechens zu werden, die Angst davor, in eine Situation zu geraten, die wir nicht mehr mit dem eigenen Willen meistern können, in der wir von einer Sekunde auf die andere völlig abhängig werden und in der es um Leben und Tod geht – ganz unabhängig von der konkreten Geschichte, die »Psycho« erzählt, und der Zeit, in der der Film spielt. „Ein skrupellos-schönes Spiel“ weiterlesen

Der Krawattenmörder

Man kann sich lange darüber streiten, welches wohl der beste Hitchcock-Thriller sei. Ich will mich daran nicht beteiligen. Aber »Frenzy« (zu deutsch: Wahnsinn, Raserei) gehört für mich zu den Meisterwerken des Thriller-Experten, vor allem wegen der genialen Mischung aus Thriller und Sarkasmus. Als Vorlage diente dem Meister der Roman »Goodbye Piccadilly, Farewell, Leicester Square« von Artur La Bern. „Der Krawattenmörder“ weiterlesen

Eine Parodie auf Suspense-Filme?

Hitchcocks letzter Film – farbig, so farbig, dass man schon sagen könnte, hier sei es ihm vor allem auch um den Einsatz von Farbe als dramaturgisches Mittel gegangen – ist in gewisser Weise eine Ausnahmeerscheinung. Ganz dem Zeitgeist der 70er Jahre verhaftet, auch teilweise in der Sprache, entspinnt der Meister hier eine Geschichte, in der nicht ein einzelner Mörder oder Gangster sein Unwesen treibt, sondern gleich zwei Paare mit allerdings ganz unterschiedlicher Mentalität und besonderen Charakteren aufeinander losgehen und dem Traum vom »Reichtum- ohne-allzu-große- Mühe« nachjagen; streckenweise äußerst humorvoll legt Hitchcock hier besonderen Wert auf die detaillierte Zeichnung seiner Charaktere und lässt sie geradezu aufeinander prallen. Wiederum war es Freund Ernest Lehman, der das Drehbuch für Hitchcocks 53. und letzten Film schrieb, wie schon für »Der unsichtbare Dritte« (USA 1959). „Eine Parodie auf Suspense-Filme?“ weiterlesen

Vogel-Horror ohne digitale Effekte

Wozu braucht man Ungeheuer, Monster, Fantasy-Gestalten, wenn auch ganz normale Vögel ihr Unwesen treiben können? Genau dies dachte Hitchcock wohl bei einem seiner berühmtesten Streifen, für dessen Realisierung ihm nicht einmal eine ausgefeilte Computertechnik oder digitale Möglichkeiten zur Verfügung standen. Und vor allem: The Master of Suspense lässt sein Publikum völlig im unklaren darüber, was die wild gewordenen Vogelbestien eigentlich so aggressiv werden ließ. „Vogel-Horror ohne digitale Effekte“ weiterlesen

Suspense vom Feinsten

Ich muss gestehen: »North by Northwest« ist mein Lieblingsfilm von Hitchcock. Mit diesem Streifen führt der Master of Suspense sein Publikum mehrfach hinters Licht; der Streifen überzeugt durch eine Handlung, die von Geheimnissen voll ist, durch etliche Wendungen und unglaublich gedrehte Szenen immer wieder die Spannung steigert, und mit dem Hitchcock bis ins letzte Detail beweist, warum er der Meister des Suspense und in gewisser Weise auch der Absurdität war und ist. Hitchcock selbst bezeichnete »North by Northwest« als Höhepunkt seines in Amerika gedrehten Werks.
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Trügerischer Schein

1934 hatte Hitchcock bereits seinen 18. Film gedreht. Der hieß The Man Who Knew Too Much und die Hauptrollen spielten Leslie Banks, Edna Best und Peter Lorre (vgl. Beier, S. 276). 1956 griff Hitchcock die gleiche Geschichte noch einmal auf (sein einziges Remake), änderte lediglich die Lokalitäten, passte die Kleidung den Zeitumständen an und blieb ansonsten bei der Geschichte der ersten Verfilmung – allerdings entwickelt er das Thema wesentlich spannender und subtiler. Und das Thema ist einmal mehr, dass der unbescholtene, normale Durchschnittsbürger in ein Gespinst von Mord, Lügen und anderen Verbrechen hineingezogen wird.
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Die Schlinge

Mit seinem ersten Farbfilm wollte der Meister des Suspense Neuland erschließen. »Rope« war die filmische Umsetzung eines 1929 uraufgeführten Theaterstücks von Patrick Hamilton, die den Eindruck entstehen lässt, als wäre der Film in einer einzigen Einstellung gedreht worden. Tatsächlich drehte Hitchcock etwa acht einzelne zehn Minuten lange Szenen und kaschierte die Übergänge u.a. durch Wechsel der Kamera auf dunkle Gegenstände (die Anzüge der Schauspieler), so dass der Effekt eines Films ohne Schnitte entstand.
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Unperfekter perfekter Mord

Gibt es den perfekten Mord? In der »Gelegenheitsarbeit« »Dial M für Murder«, die Hitchcock 1954 ablieferte, ging er dieser Frage einmal mehr auf den Grund. In der weiblichen Hauptrolle ist Grace Kelly zu sehen, die zum damaligen Zeitpunkt noch kein Weltstar war (obwohl sie bereits neben Gary Cooper in High Noon (Fred Zinnemann, USA 1952) zu sehen war und danach in Rear Window (1954) – Das Fenster zum Hof – mit James Stewart) und To Catch A Thief (1955) – Über den Dächern von Nizza – zu Ruhm gelangte. Der Film spielt fast ausschließlich in einem Raum (wie schon Rope (1948) – Cocktail für eine Leiche -, der ebenfalls nach einem erfolgreichen Theaterstück gedreht worden war).
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Männer, die weinen; Männer, die nicht weinen

Im großen und ganzen gibt sich die hiesige Filmkritik befriedigt bis begeistert von Pedro Almodóvars neuem Film. Weniger schrill, eher leise handle er über die „unerfüllte Sehnsucht, über die destruktive Kraft der Leidenschaft und die Einsamkeit der Liebe“ („Filmdienst“). „Hable con ella“ sei ein „Plädoyer für die Bewusstlosigkeit der Liebe“, „in seiner delikaten tiefen Mitte“ ein starker Film („Tagesspiegel“). Die „Frankfurter Rundschau“, meint, Almodóvar sei inzwischen ein „gesamteuropäischer Entertainer geworden, dessen Filme alles haben, was anderen fehlt: Raffinesse, Soziologie und Wunderglaube“. Die „Zeit“ sieht in dem Film eine „hemmungslose Unterwanderung all der Geschlechter- und Liebeskonzepte, die man gemeinhin als normal empfindet“. Für die „taz“ demonstrieren sich in „Spricht mit ihr“ – wie könnte es anders sein angesichts der Selbstverortung der Zeitung – „Macht und Ohnmacht des männlichen Blicks“. Und so weiter und so fort.
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Ihr könnt uns nicht entkommen!

Groundhopper nennen sich Fußballfans, die rund um den Erdball reisen, um möglichst viele Spiele in fremden Arenen zu sehen. Kein Weg ist ihnen zu weit, und keine Kosten werden gescheut. Dafür ernten sie Respekt bei Gleichgesinnten und Kopfschütteln im sonstigen Bekanntenkreis. Zora, Silvia, Stefan, Katrin und Co. stehen auch immer in der ersten Reihe, wenn ihre Helden aufspielen. Notfalls geht es sogar bis nach Tokio, all das gehört zum Fan-Dasein. Doch sind sie keine Fußballfans, hier soll es um die größten Fans der selbst ernannten „besten Band der Welt“ gehen: Die Ärzte – bekanntlich aus Berlin.
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Suspicious River

Leila (Molly Parker) führt ein freudloses Leben in der Tristesse des Provinzkaffs Suspicious River. Ihr Mann langweiligt sie genauso, wie der Job an der Rezeption eines heruntergekommenen Motels. Nachdem sie sich, aus einer Laune heraus, mit einem bulligen Motelgast der uncharmanten Sorte auf einen blowjob bei Zahlung von 60 $ einigt, wird ihr Empfangsjob in der Folge zur Nebensache. Immer öfter, begünstigt durch den Umstand, dass sich ihre Dienste in gewissen halbseidenen Kreisen bereits herumgesprochen haben, verkauft sie sich an Gäste, welche meist direkt nach dem Akt das Motel wieder verlassen. Obschon sie das auf diese Weise verdiente Geld spart, sind es nicht allein finanzielle Motive die sie antreiben. Es scheint sich bei ihr vielmehr um eine Revolte gegen die Eintönigkeit des kleinbürgerlichen Lebens zu handeln, dessen Mangel an für sie positivierbare Perspektiven, sie der verordneten Ausschliesslichkeit der Gattenbeziehung zuwiderhandeln lässt. Doch je weiter sie sich in diese scheinbar neutralen Tauschdienste mit den Motelgästen treiben lässt, desto mehr trübt sich ihr Realitätssinn. Sie erreicht einen Punkt, an dem es ihr gleichgültig ist, dass die Männer sie wie Dreck behandeln, als ein Objekt, an dem sie, wie der eines Tages auftauchende Gary Jensen (Callum Keith Rennie), ihre Vergewaltigungsphantasien ausleben können. Doch just jenem Gary Jensen verfällt sie und beschliesst mit ihm aus Suspicious River zu fliehen …
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