Dawn of the Dead

1978 sollte zum Schlüsseljahr für Geoge A. Romero werden. Er drehte die Psychostudie MARTIN, mit der er sich auch endlich Freunde in der „seriösen“ Ecke machen konnte und die selbst bei Kritikern des katholischen Filmdienst Anklang fand. Wesentlich interessanter für die breite Masse der Fans gestaltete sich jedoch die Tatsache, dass Romero eine Quasi-Fortsetzung seines kommerziell wie künstlerischen Erfolges von 1968 plante. Sozusagen eine thematische Weiterführung des Erstlings, die bedeutend apokalyptischer angelegt sein sollte.

Es war klar, dass man das Publikum 1978 nicht mehr so leicht schocken konnte, wie noch Ende der 60er, da durch extreme Werke des Horrorfilmes, wie z.B. THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (Tobe Hooper), DAS LETZTE HAUS LINKS und HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN (beide Wes Craven), sowie auch diverser italienischen Billig- Produktionen, die sich bereits vor dem hier vorliegenden Werk bei Romero bedienten (man denke nur an DAS LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN oder DIE REBELLION DER LEBENDEN LEICHEN), das Publikum weitgehend habituiert war. Also durfte es nicht nur bei einem Zwischenfall bleiben, der sich auf ein Haus oder eine Stadt oder sogar ein Land bezieht. Es musste schon der Weltuntergang sein! Obwohl dieser bereits von Mainstream-Regisseuren wie Phillip Kaufman in dem 1977 gedrehten DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN dargestellt wurde, war es doch Romero, der uns den Untergang unserer Zivilisation auf so eindrucksvolle Weise schildern sollte. Zusammen mit dem Produzenten Richard P. Rubinstein, der schon für die Produktion von MARTIN verantwortlich war, brachte man 1,5 Millionen Dollar zusammen, was schon für damalige Verhältnisse eine geringe Summe war. Doch wiederum bewies Romero innovatives Talent.

Eine unbekannte Seuche hat die Welt heimgesucht. Frisch verstorbene Menschen stehen zu einem neuen, grotesken, halbverwestem Leben auf, um die Lebenden auf kannibalistische Weise zu verspeisen. Die chaotischen Ereignisse, die überall herrschen, werden uns am Anfang des Filmes stellvertretend in einem Fernsehstudio präsentiert, in dem die Mitarbeiter panisch durcheinander laufen und verzweifelt versucht wird, die Bevölkerung über die Bedrohung aufzuklären. In all dem Chaos steckt die Aufnahmeleiterin Francine. Ihr Freund Steven, der Hubschruaber für Verkehrsberichte des Senders fliegt, hat vor, die Stadt mit einem Hubschrauber zu verlassen. Schnitt! Ein Latino-Neighbourhood mitten in der Stadt. Eine Gang hat sich in einem Wohnhaus verschanzt und die Nationalgarde hat das Gebäude umstellt. Über die Stadt Philadelphia wurde der Ausnahmezustand verhängt. Der Gardist Roger hat „die Schnauze voll“ von allem. Als die Nationalgarde das Hochhaus erstürmt, kommt es zu einem Massaker. Im Haus befindet sich nicht nur die Gang, sondern auch eine Horde von Untoten, die von den Bewohnern im Keller versteckt gehalten und mit Menschenfleisch gefüttert wird. Während des Einsatzes lernt Roger den Gardisten Peter kennen. Er erzählt ihm, dass er einen Freund hat, der mit seinem Hubschrauber flüchten will (natürlich Steven) und er die Chance habe mitzugehen. So flüchten die vier, Steven, Peter, Francine und Roger ins Hinterland, doch die Untoten sind überall. Schließlich gelangen sie zu einem Einkaufszentrum in dem sich außer den Wiedergängern keine menschliche Seele mehr befindet. Kann dieser Konsumtempel tatsächlich ein adäquater Unterschlupf werden?

In ZOMBIE begnügt Romero sich nicht mehr mit Symbolen oder Metaphern, um uns den Untergang zu suggerieren. Was 1968 noch nicht sein durfte, konnte sich zehn Jahre später in voller Blüte entfalten. Schreiende Menschen, Massenpaniken, Hoffnungslosigkeit und graphische Gewalteffekte in einem Ausmaß, wie es das Kino bis zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gezeigt hatte. Der „Effektgott“ Tom Savini, damals ein enger Freund Romeros, hatte die Aufgabe, mit einem geringen Budget Splattereffekte zu kreieren, die drastisch und voll naturalistischer Krassheit den Zuschauer schockieren mussten.

Ähnlich wie schon im ersten Film, stellt Romero den Menschen als von Profilierungssucht und Konkurrenzdenken zerfressenes Wesen dar, doch geht er dieses mal noch einen Schritt weiter. Spielt Romero in DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN noch darauf an, dass eine Lösung für das Problem möglich wäre, wenn nur zusammengearbeitet werden würde, wird die Ausweglosigkeit im zweiten Film sehr schnell deutlich. Egal wie der Mensch sich entschließen wird, er wird immer Entscheidungen fällen müssen, die gegen sein ethisch-moralisches Empfinden sind oder seine Schwierigkeiten in der äußeren Welt erhöhen. Sowohl die Figuren im Film, als auch der Zuschauer, geraten in ein moralisches Dilemma, ausgelöst durch die humanistische Erziehung, die wir in unserer Gesellschaft genießen. Was soll man tun, wenn menschenähnlich aussehende Wesen, im schlimmsten Fall noch Verwandte oder Bekannte, auf einen zuwanken und die einzige Möglichkeit sie zu stoppen darin besteht, ihr Hirn zu vernichten? Sei es durch Abtrennen des Kopfes oder dessen Zerstörung durch Knüppel oder Schusswaffen. Soll man sämtliche ethischen und humanistischen Verhaltensweisen ad acta legen, durch einen Albtraum aus Blut und Eingeweiden waten und dabei zunehmend den Verstand verlieren? Oder entscheidet man sich für die Möglichkeit, gar nichts zu tun. Man ergeht sich in besserwisserischem Schwafeln (hervorragend dargestellt am Anfang des Filmes, wenn der Wissenschaftler und der Talkmaster sich eine Redeschlacht liefern, in der es weniger um Aufklärung geht, als mehr darum, wer die besseren Phrasen findet) oder schließt einfach die Augen und will das Geschehene (was unter realen Gesichtspunkten ja tatsächlich jenseits der Vorstellungskraft ist) nicht wahrhaben. In Anbetracht dieser Alternativen machen die vier Hauptfiguren das einzige, was ihnen übrig bleibt. Sie flüchten und versuchen ihren eigenen Weg zu gehen.

Hier beginnt Romero uns einen ersten Lösungsvorschlag anzubieten außerhalb der genannten Alternativen. Ähnlich wie schon im ersten Teil der Trilogie richtet der Regisseur sein Hauptaugenmerk auf Figuren, die sich nicht wie Lemminge von der Obrigkeit führen lassen, sondern sich auf ihre eigenen Fähigkeiten und ihren Überlebenstrieb besinnen. Bei der Flucht durch das Hinterland begegnen die vier dem Militär und Bürgerwehren, die weder in der Lage sind die tatsächliche Bedrohung zu erahnen, noch sich mit ihr auseinander zu setzen. In Wild West- und Red Neck-Manier, mit flotter Countrymusic unterlegt, benehmen sie sich wie auf einem Jagdausflug an dem die Alten und Jungen teilnehmen können und Tipps und Tricks zum besseren erschießen der Untoten ausgetauscht werden. Dass die Menschen auf diese Weise keine Chance haben zu überleben, soll Romero uns später indirekt durch sehr trostlose Bilder zeigen. Unsere vier Hauptfiguren wollen von all dem, womit Romero uns eine beinahe politische Ideologie als Lösung präsentiert und zwar den Faschismus, nichts wissen. Oftmals unbewusst ist er ein Teil des gesamten Action- oder Horrorgenres, da uns in diesen Filmen gezeigt wird, dass eine Wiederherstellung des alten (guten) Zustandes schon erreicht werden kann, wenn wir das Bedrohende durch zumeist repressive Mittel (die in diesem Genre sehr gewaltvoll sind) beseitigen.

Eine Auseinandersetzung im Bereich der Ursachenforschung wird uns in derlei Filmen selten präsentiert, eher werden Energien in die „Vernichtung“ des Problems investiert. Sich dieses Aspektes bewusst, lässt Romero die vier Hauptpersonen genau so vorgehen. Sie bedienen sich zwar ähnlicher Methoden wie das Militär, aber nicht um den alten Zustand für alle herbeizuführen, sondern einzig und allein für sich selbst. Andere Menschen scheinen ihnen beinahe egal und so wird ein schon fast elitärer Gedanke geschaffen, dem sich der Zuschauer gerne bereitwillig anschließt: „Wenn die anderen zu dämlich zum Überleben sind, werden meine vier Helden und ich es schon schaffen!“ (Dass die Leute, die glauben sie könnten problemlos in einer derartigen Welt zum äußersten greifen und jeden „Zombie“ fertig machen, die ersten sind die draufgehen, zeigt Romero uns eindringlich in dem Nationalgardisten, der bei der Erstürmung des Hochhauses Amok läuft und alles und jeden erschießen will.) Im Einkaufszentrum können die vier sich dann so richtig austoben. Wie bei einem Hindernislauf rennen sie zwischen den Untoten umher, die durch die einzelnen Gänge tapern und mit Glubschaugen die Waren in den Schaufenstern „bestaunen“. Die (Anti-)Helden räumen erst mal auf und hier kann sich die Kritik an unserer nimmersatten Konsumgesellschaft so richtig entfalten.

Nachdem nach einer großangelegten „Menschenjagd“ das Kaufhaus von den Untoten gesäubert wurde, kann nun, fast mit Strukturierungsgedanken wie sie in der Pubertät stattfinden, eine eigene, neue Gesellschaft gegründet werden. Unsere Helden sind die neuen Herren des Kaufhauses und somit der Welt im Mikrokosmos. Sie stürzen, ähnlich wie Hausfrauen beim Sommerschlussverkauf, auf die Auslagen und leben wie „ die Made im Speck“ (welche Probleme diese faschistische beinahe inzestuöse Verbindung hat, wird nur im Director’s Cut in aller Vollständigkeit deutlich).
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Als zunehmend Monotonie in den Alltag der Protagonisten eindringt, trifft eine Rockerbande im Einkaufszentrum ein. Hier stellt Romero uns nun eine anarchistische Ideologie vor. Die Rocker scheren sich gelinde gesagt einen Dreck um die Untoten und metzeln sie in Fun-Splatter-Manier nieder, wobei sie ihren niedrigsten Instinkten freien Lauf lassen können. Die Unfähigkeit der Kommunikation beider Systeme zeigt sich darin, dass die Rocker und die Hauptfiguren gar nichts voneinander wissen wollen. Unsere „Helden“ wollen weiter in Ruhe leben und die Rocker wollen nur so viel materiellen Besitz wie möglich anhäufen und wieder abhauen. Das Aufeinandertreffen beider Parteien kann somit nur feindselig ablaufen. Dadurch, dass die Rocker in ihrer Selbstsicherheit die Gefahr, die von den Untoten ausgeht, unterschätzen, müssen diverse von ihnen sterben. Einen Ehrenkodex gibt es nicht. Wer nicht schnell genug wegkommt, hat von seinen Kumpels auch keine Hilfe zu erwarten.

Entstand im Verlauf des Filmes durch das strukturierte Vorgehen der Protagonisten der Eindruck, dass die Untoten keine ernstzunehmende Bedrohung mehr seien, strafen sie hier jeden Zweifler lügen und melden sich verheerend zurück. Jetzt sind sie wieder die Herren des Einkaufszentrums und unseren „Helden“ bleibt nichts anderes übrig, als der Rückzug. So mussten zwangsläufig auch sie versagen, da sie ihre neue Ordnung, auf den Trümmern der alten aufbauen wollten. Auch sie konnten nicht wirklich von den Verzückungen des maßlosen Konsums zurückschrecken.

Es gibt kaum einen Film auf der Welt, von dem so viele verschiedene Fassungen existieren, wie von ZOMBIE. Das fängt schon mit diesem eigenartigen Titel an. Erheiternd auch, dass der Titel, den der Film hatte, als er als ungeschnittenes Bootleg in Deutschland unter der Ladentheke erhältlich war ZOMBIES IM KAUFHAUS (räusper) immer noch in den Köpfen mancher Leute umherspukt. Tatsache ist, dass der Titel ZOMBIE ein Konstrukt des italienischen Horrorregisseurs Dario Argento ist, der für die Vermarktung des Filmes in Europa die Rechte inne hat. Was mich auch gleich zu den offiziellen Fassungen des Filmes führt:

Die amerikanische Kinofassung (Romero-Cut)
Als der Film fertiggestellt war, lag Material für drei Stunden vor. Das wurde als eindeutig zu lang empfunden und so schnitt Romero den Film (er war auch selbst der Cutter) auf etwas über zwei Stunden. Hierbei handelt es sich auch um die Fassung, in der die orchestrale Musik verwendet wurde, die Goblin komponierte (partiell). In dieser Fassung erscheint der Film wesentlich ruhiger erzählt und schildert uns die Ereignisse weniger reißerisch.

Die europäische Fassung (Argento-Cut)
Für die Vermarktung des Filmes in Europa überließ Romero seinem Freund Dario Argento die Rechte, der den Film nachträglich im Schnitt bearbeitete und eine wesentlich schnellere Musik einspielen ließ (wiederum Goblin, diesmal komplett). Das sorgt dafür, dass die Argento-Fassung wesentlich schneller, düsterer und apokalyptischer daher kommt. Dies ist aber nicht unbedingt als positiv zu verzeichnen. Im Gegenteil: Der Tiefgang, den Romero in seiner Dramaturgie anstrebte, geht in dieser Fassung weitgehend verloren und lässt sich oftmals nur erahnen. Romero sagte einmal, dass Argento nie so richtig den Sinn des Filmes verstanden habe und ihn zu stark auf Action trimmen wollte. Das merkt man schon an dem reißerischen Titel ZOMBIE, mit dem Argento das Publikum locken wollte.

Der Director’s Cut
Hierbei handelt es sich um die Fassung, auf die ich mich in meiner Rezension beziehe. Der Director’s Cut vertieft die Aussagen der Kinofassung um ein mehrfaches und ist auch die absolut empfehlenswerte Version an jeden, der sich mit diesem Film auf ernsthafter Basis auseinander setzen möchte. Romero brachte ihn 1988 heraus, also zehn Jahre nach der Premiere in den amerikanischen Kinos. Das ursprüngliche Ende des Filmes, das auch schon abgedreht war, sah vor das Peter sich mit dem Derringer in den Kopf schießt. Im Moment des Schusses wurde auf die Sonne gezoomt. Francine, die den dumpfen Schuss hört, schließt daraufhin die Augen und steckt den Kopf in die Rotorblätter, da sie keine Lust hat alleine weiterzumachen. Während der Abspann läuft, sollte dem Hubschrauber das Benzin ausgehen. Als Romero sich den Film im Schneideraum ansah, hielt er dies für zu negativ und entschied sich, wie er sagte für die „pubertäre Lösung“. Ein bisschen Hoffnung sollte der Zuschauer doch bekommen.

Der Film war ein großer kommerzieller Erfolg und auch Anteile der seriösen Feuilletonkritik konnten sich nicht vollständig dem Werk verschließen. Einige Schrieben: “Gott sei Dank ist Romero zu weit gegangen!“ Andere, die mit dem Werk weniger anfangen konnten, verrissen es wegen seiner Gewaltdarstellungen. Tatsächlich ist es so, dass dieser Film etwas einzigartiges darstellt, da es sowohl vorher, als auch nachher nie wieder einen Film gab, der eine derartige geballte graphische Gewalt demonstrierte, aber trotzdem auf einem ernstzunehmenden Niveau ablief (anders als z.B. die Horror-Werke eines Peter Jackson, die zwar auch ihren Reiz haben, aber keinen Tiefgang bieten).

Die Welle an Billig- Zombieschockern, die durch diesen Film ausgelöst werden sollte, sorgte leider dafür, dass ihr auch dieser Film zugeordnet wurde (zumindest von Zuschauern die weniger differenzieren). Wer sich mehr über tiefeninterpretatorische Ansätze informieren möchte, dem empfehle ich ein Essay Norbert Stressaus, der auszugsweise im Buch „Der Horror Film“ im Heyne-Verlag erschien, zu lesen ist. Das vollständige Buch habe ich vor 10 Jahren einmal bei meinem Latein-Lehrer gelesen und bin äußerst verwundert, es nicht im Internet zu finden. Wäre vielleicht mal interessant, sich auf ein ausgedehntere Suche danach zu machen. Schließen möchte ich mit dem Satz, der jedem, der den Film kennt, geläufig sein sollte: When there’s no more room in hell, the dead will walk the earth.

Zombie
(Dawn Of The Dead)
USA 1978
DARSTELLER: KEN FOREE, DAVID EMGE, SCOTT H. REINIGER, GAYLEN ROSS KAMERA: MICHAEL GORNICK
MUSIK: GOBLIN
DREHBUCH: DARIO ARGENTO, GEORGE A. ROMERO
REGIE: GEORGE A. ROMERO

Markos Ewert

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