Suspicious River

Leila (Molly Parker) führt ein freudloses Leben in der Tristesse des Provinzkaffs Suspicious River. Ihr Mann langweiligt sie genauso, wie der Job an der Rezeption eines heruntergekommenen Motels. Nachdem sie sich, aus einer Laune heraus, mit einem bulligen Motelgast der uncharmanten Sorte auf einen blowjob bei Zahlung von 60 $ einigt, wird ihr Empfangsjob in der Folge zur Nebensache. Immer öfter, begünstigt durch den Umstand, dass sich ihre Dienste in gewissen halbseidenen Kreisen bereits herumgesprochen haben, verkauft sie sich an Gäste, welche meist direkt nach dem Akt das Motel wieder verlassen. Obschon sie das auf diese Weise verdiente Geld spart, sind es nicht allein finanzielle Motive die sie antreiben. Es scheint sich bei ihr vielmehr um eine Revolte gegen die Eintönigkeit des kleinbürgerlichen Lebens zu handeln, dessen Mangel an für sie positivierbare Perspektiven, sie der verordneten Ausschliesslichkeit der Gattenbeziehung zuwiderhandeln lässt. Doch je weiter sie sich in diese scheinbar neutralen Tauschdienste mit den Motelgästen treiben lässt, desto mehr trübt sich ihr Realitätssinn. Sie erreicht einen Punkt, an dem es ihr gleichgültig ist, dass die Männer sie wie Dreck behandeln, als ein Objekt, an dem sie, wie der eines Tages auftauchende Gary Jensen (Callum Keith Rennie), ihre Vergewaltigungsphantasien ausleben können. Doch just jenem Gary Jensen verfällt sie und beschliesst mit ihm aus Suspicious River zu fliehen …

Erinnert man sich an Lynne Stopkewichs ersten Langfilm Kissed (CAN 1996), in welchem sie den Grenzübertritt ihrer (ebenfalls von Molly Parker gespielten) Protagonistin in zaghaften Schritten, aber doch emphatisch begleitete, so konstatiert man hier eine beunruhigende Nüchternheit. In Stopkewichs strenger Farbdramaturgie erscheinen die Figuren wie im harten Licht einer Pornoproduktion, die sich jedoch in einem Filmraum der artifiziellen Schäbigkeit, man könnte auch sagen, in einem Twin Peaks, dem das Moment der Romantik ausgetrieben ist, bewegen. Das Motiv der Grenzüberschreitung erlebt in Suspicious River eine eindeutig fassbare, geographisch verortbare Manifestation in Gestalt des Flusses, welcher das Provinznest von den Verlockungen der Aussenwelt abschirmt. Leila wird, und dieser Fatalismus ist recht früh im Film angelegt, diese Grenze nicht überwinden können. Suspicious River ist ein beeindruckender Film von höchster formaler Stringenz, wenn er auch zeitweise arg mit der Undurchschaubarkeit seiner Protagonistin kokettiert.

Suspicious River
Kanada 2000
Regie: Lynne Stopkewich
Kamera: Gregory Middleton
Buch : Lynne Stopkewich ( nach einem Roman von Laura Kasischke )
Musik: Don MacDonald
Darsteller: Molly Parker, Callum Keith Rennie, Mary Kate Welsh, Joel Bissonnette, Deanna Milligan

Florian Bülow

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.