Day of the Dead

Nach dem großen kommerziellen wie künstlerischen Erfolg des Filmes ZOMBIE aus dem Jahre 1978 entwickelte George A. Romero sich zum „Vielfilmer“ (zumindest für seine Verhältnisse). Hatte man bisher noch Pausen von bis zu fünf Jahren hinnehmen müssen, legte er mit KNIGHTRIDERS – RITTER AUF HEISSEN ÖFEN (1981) und DIE UNHEIMLICH VERRÜCKTE GEISTERSTUNDE (1982) zwei Filme vor, die sich thematisch und qualitativ erheblich von seinen vorherigen Arbeiten unterschieden. Jedoch waren nun auch die größeren Studios auf ihn aufmerksam geworden, was dazu führte, dass letztgenannter Film sogar in den Verleih der Orion kam, einer damals aufstrebenden Produktionsfirma (Anfang der 90er musste sie Konkurs anmelden). Beschwingt vom Erfolg und dem endlich fließenden Vorankommen, entschied Romero, den geplanten dritten Teil der Untotentrilogie umzusetzen. Er stellte das Drehbuch im Jahre 1984 fertig und arbeitete wie schon in ZOMBIE mit Richard P. Rubinstein als Produzent zusammen. Obwohl Romero bei den größeren Produzenten jetzt einen Fuß in der Tür hatte, wollte er DAY OF THE DEAD genau wie die Vorgänger absolut unabhängig produzieren und sich von niemandem reinreden lassen.

So stellten sich für den guten George erst mal zwei Probleme: Das erste war das finanzielle. Der Film kostete insgesamt 3,5 Millionen Dollar und war damit doppelt so teuer, wie NIGHT und DAWN zusammen. Trotzdem reichte es bei weitem nicht aus, um Romeros ursprüngliches Drehbuch umzusetzen. Mitten in den Dreharbeiten ging der Crew das Geld aus und so musste das Drehbuch komplett überarbeitet werden und Romero konnte nur einen Teil seiner Vision umsetzen. Das zweite Problem war das Künstlerische. Mehr noch als im Jahre 1978 war das Publikum gegenüber Gewalt habituiert. Die gigantische Welle der „No Compromise“- oder auch „Hard Core“-Horrorfilme war vorbei. Insbesondere die Italiener hatten Europa mit ihren brachialen Werken überschwemmt und aufgrund der Rückkehr des Hollywood-Popcornkinos Anfang der 80er fielen solche Filme steil abwärts in der Gunst des Publikums (das traf leider Gottes auch auf andere kleinere Produktionen zu, die mit übertriebener Gewalt gar nichts am Hut hatten). Auch war das Urteil über Zombiefilme inzwischen fest beim Zuschauer geprägt. Durch zahlreiche Schundfilme assoziierte das Publikum alles mögliche mit derartigen Filmen, doch ganz bestimmt keine ernsthafte Abhandlung.

So war der gesellschaftliche Hintergrund, vor dem Romero seine Arbeit begann, ein ganz anderer. Die triviale Story der Untoten traf hier nicht mehr auf ein aufgeschlossenes Publikum, welches sich von der ungewöhnlichen und aufgrund der Gewaltexzesse neuartigen Inszenierung fesseln ließ, sondern auf ein abgeklärtes, das die Mechanismen des Genres inzwischen zu Genüge kannte und sie sogar satt hatte. Das machte Romero die Herangehensweise an den Film nicht gerade leichter, doch wiederum zeigte er, dass er noch für die eine oder andere Überraschung gut ist.

Die Welt, so wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Durch mysteriöse Umstände erstehen frisch Verstorbene zu einem neuen, verwestem und verwesendem Leben auf und wollen sich auf kannibalische Weise an den Lebenden vergehen. Doch haben alle Rettungs- und Hilfsaktionen nichts genutzt. Die Menschheit ist so gut wie vernichtet, Städte zerstört und ausgelöscht, die Zivilisation liegt in Trümmern. Eine kleine Gruppe bestehend aus Wissenschaftlern, Technikern und Militärangehörigen wurde in einer eilig zusammengestellten Notaktion in einen unterirdischen Schutzbunker abkommandiert, um an einer Lösung des Problems zu arbeiten und so ein Überleben der Gattung Homo sapiens zu sichern. Doch der Kontakt zu sämtlichen staatlichen Behörden oder Institutionen ist schon lange abgebrochen. Auch sonst reagiert niemand auf Funkrufe oder lässt sich bei Erkundungsflügen des Hubschraubers sichten.

Die Wissenschaftlerin Sarah ist dennoch überzeugt davon, dass der Bedrohung durch die lebenden Toten irgendwie beizukommen ist. Sie ist die einzige Frau in einem Team, das aus Wissenschaftlern besteht, welche den Überblick über die vielen sezierten Körper verlieren, sowie den Soldaten des Militärs, die zunehmend den Verstand verlieren. Einzige Außenseiter sind John, der Hubschrauberpilot, und McDermitt, der Funker. Sie halten sich aus allen Streitigkeiten, die tagtäglich zwischen den beiden Parteien abgehen, raus und das macht Sarah äußerst ärgerlich, da sie in der Zusammenarbeit aller Beteiligten den Schlüssel zum Erfolg sieht.

Doch die Ereignisse spitzen sich zu, denn nicht nur die äußere Bedrohung der Untoten, welche versuchen in den Bunker zu gelangen, wird immer größer, sondern auch die Innere, da der kommandierende Offizier Captain Rhodes langsam schizoid-paranoide Züge aufweist und der Leiter des Wissenschaftsteams Dr. Logan dem Wahn verfällt, die Untoten „resozialisieren“ zu wollen. Die Interpretation Der dritte Film aus Romeros Trilogie spaltet sämtliche Gruppen.

Die meisten Kritiker waren entsetzt über die Gewalteffekte die im Finale gezeigt werden und zu deren Verteidigung muss ich schreiben: Was Romero hier zeigt, gehört ohne Zweifel zum Härtesten, was die Leinwand je abgebildet hat. Da kann kein BAD TASTE, BRAINDEAD oder FROM DUSK TILL DAWN mithalten, wenn die Körper in endlos langen Szeneneinstellungen ohne jeglichen Anflug von Selbstironie und in der klaustrophobisch, düsteren Atmosphäre des Bunkers zerfetzt werden. Von den graphischen Gewalteffekten her ist der dritte Teil definitiv der härteste und Effektmeister Tom Savini liefert die vielleicht beste Arbeit seines Lebens. Doch obwohl dies der Fall ist, kann man nicht unbedingt behaupten, dass der dritte Teil im Gesamtbild der härteste ist, da der Film in den ersten zwei Dritteln fast behäbig wirkt.

Romero legt mehr Wert auf philosophische Anklänge, Dialoge und Erklärungsversuche sowie schauspielerische Leistungen. Auch wenn es im letzten Drittel heftigst „zur Sache geht“, wirkt der Film, auch im Hinblick auf den der Grundhaltung der Reihe diametral angelegten Schluss seltsam ruhig und entspannend. Genau das ist der Punkt, der nun das Lager der Fans spaltet. Denn diejenigen, die nach dem Action-Overkill im zweiten Teil noch eine Steigerung erwartet haben, werden enttäuscht. Hat die apokalyptische Stimmungskurve in ZOMBIE ihre Klimax erreicht, wird sie nun zu einem wieder sinkendem Ende geführt. Die Apokalypse ist vorbei. Die Menschheit hat verloren und sämtliche Versuche, das alte System aufrechtzuerhalten, werden ad absurdum geführt. Hatte die Rolle der Frau von NIGHT zu DAWN eine bedeutende Wandlung durchgemacht, so ist sie jetzt endgültig zur Hauptfigur geworden. Engagiert und willensstark gibt Sarah nicht auf und der Zuschauer beobachtet die polarisierende Situation aus ihrer Sicht.

Wieder einmal stellt Romero zwei verschiedene Systeme gegeneinander, wobei es sich diesmal um zwei der Menschheit wichtige Institutionen handelt: Militär versus Wissenschaft. Die Wissenschaftler (zu denen Sarah anfangs noch gehört) können und wollen sich nicht eingestehen, dass sie keine Erfolge vorzuweisen haben und das Militär ist in Ermangelung genügender Munition für die Überzahl an Untoten ebenfalls der Situation hilflos ausgeliefert. Die beiden Autoritätspersonen der jeweiligen Gruppen werden derart karikiert, dass sie teilweise schon drohen ins cartooneske umzukippen, doch sowohl Schauspieler, als auch Inszenierung fangen dies immer wieder auf (wobei die Darsteller des Captain Rhodes und Dr. Logan gerade durch ihren Hang zum Overacting für genannten Effekt sorgen). Joe Pilato macht uns in der Rolle des durchdrehenden Offiziers sehr eindringlich deutlich, dass es bei ihm nichts zu Lachen gibt. Richard Liberty als Dr. Logan, der den fanatischen Gedanken verfolgt, die Untoten zu resozialisieren, ist ebenso brillant. Sein Kosename ist Frankenstein und diese Anspielung dürfte überdeutlich sein. In dem Untoten Bub hat er sein Geschöpf gefunden, welches die „neue Art“ repräsentiert. Die Darstellung des Gefühle entwickelnden Monstrums ist von überraschend beeindruckender Intensität. John und McDermitt halten sich im Gegensatz zu Sarah aus allem raus. Sie grenzen sich von den anderen ab und sehen nicht viel Sinn in der wissenschaftlichen Arbeit. Sie ahnen, dass der „Laden bald zusammenbrechen wird“. John, wiederum ein Afro-Amerikaner, ist die gereifte Schlussentwicklung der beiden Hauptfiguren in NIGHT und DAWN. Seine Lösung für das Problem sieht einfach vor, sich an einen einsamen Ort zurückzuziehen und „sich vollaufen zu lassen“. Einen Kampf um die alte Welt sieht er als sinnlos an. McDermitt, sein einziger Freund, ist ähnlicher Ansicht. Sarah lehnt dies anfänglich ab, doch im weiteren Verlauf erkennt sie, dass sie, wenn sie für die alte Welt kämpfen will, genauso sterben wird, wie sie.

Die Konklusion, die Romero uns nach dem unglaublichen Albtraum der beiden vorangegangenen Werke, sowie des harten Finales des dritten Filmes präsentiert, ist ebenso leicht erkennbar wie simpel. Nach dem Inferno im Bunker, als ein durchgedrehter Soldat die Schleuse für die Untoten öffnet, Logan tot ist und Rhodes endgültig dem Wahnsinn verfallen, entkommen Sarah, John und McDermitt als einzige auf ein tropisches Inselparadies. Bub ist zum Rächer am Mörder seines Mentors geworden – Rhodes erschießt Logan, da dieser Bub mit Menschenfleich füttert, worauf der Untote Bub zur Waffe greift und Rhodes erschießen will – und hat damit einen ganz bedeutenden Entwicklungsschritt gemacht. Es gehen wieder kognitive Prozesse in seinem Hirn vor und vielleicht ist er damit tatsächlich der Vorbote einer neuen Rasse.

Unsere drei Helden haben es geschafft, in ein Bilderbuch-Happyend zu entkommen, weil sie gelernt haben loszulassen und neu anzufangen. Die alte Welt ist nur noch eine schlechte Erinnerung repräsentiert im Leichen- und Blutüberströmten Bunker.

Der Film beginnt mit einer Traumsequenz und er endet mit einer traum(artigen)-Sequenz. Mehr noch als im zweiten Film wird die unheimliche Bedrohung der Untoten zurückgenommen, um dem Geheimnis der Untoten auf die Spur zu kommen und der Geschichte eine neue Dimension zu geben. Die haben viele Zuschauer einfach nicht verstanden und deshalb ist der dritte Teil verkannt. Für mich hat Romero sein Ziel erfüllt, auch wenn er nicht in der Lage war sein ursprüngliches Drehbuch umzusetzen. Der Film hatte es seinerzeit wirklich nicht leicht und wird erst nach entsprechenden Reinigungen durch Liebhaber und Wissbegierige als das Juwel erkannt, das er ist. Ein Wort in ganz eigener Sache: Wenn wir das Ende von DAY OF THE DEAD wirklich verstanden und verinnerlicht haben, hat die Menschheit vielleicht doch noch eine Chance zu überleben. Eine für mich sehr symbolstarke und intensive Szene ist, wenn Rhodes sich angeschossen an der Wand entlang schleift, auf den Notausgang des Bunkers zu und immer wieder kreischt: „Ich will hier raus! ICH WILL HIER RAUS!„

DVT: ZOMBIE II-DAS LETZTE KAPITEL
OT: DAY OF THE DEAD, USA 1985
DARSTELLER: LORI CARDILE, TERRY ALEXANDER, JARLATH CONROY, JOE PILATO, RICHARD LIBERTY
MUSIK: JOHN HARRISON
KAMERA: MICHAEL GORNICK
DREHBUCH & REGIE: GEORGE A. ROMERO

Marcos Ewert

2 Antworten auf „Day of the Dead“

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