„There must be some kind of way out of here…“

Zwei Jungs, vermutlich im Grundschulalter, kümmern sich rührend um einen Säugling. Sie füttern ihn, spielen mit ihm, und taufen ihn schließlich sogar. Ein an sich schönes Bild leitet eine desolate Situation ein. Wir sehen Nick und seinen kleinen Bruder, die sich, von ihrer alkoholsüchtigen Mutter vernachlässigt, um den Neuzugang zur ihrer dysfunktionalen Familie sorgen müssen. Spät abends kehrt die Mutter betrunken zurück, schlägt ihre Kinder, lässt sie im Rausch unter sich und verschwindet eben so schnell wieder. Verzweifelt greifen die Jungen zu Mutters Schnaps und betrinken sich, um für eine Nacht ihre Sorgen zu vergessen; am nächsten Tag findet Nick den Säugling tot in der Krippe.
Der Anfang von Thomas Vinterbergs „Submarino“ ist bereits derart freudlos und deprimierend, dass schnell klar wird, in welche einer Sackgasse wir uns befinden. Selten sieht man menschliche Verwundbarkeit so akkurat in einem Film dargestellt. Die Figuren befinden sich stets am Rande des  Zusammenbruchs, beide Brüder tragen einen leeren Blick und eine Hoffnungslosigkeit mit sich, die jeglichen Lebenswillen verfliegen lässt. Da die Brüder par force in das Leben eingeführt wurden und nie Liebe oder Fürsorge erfahren haben, ist ihr Lebensweg schon vorprogrammiert. Sie steuern auf die Katastrophe zu und wir beobachten sie dabei.

Was Darren Aronofsky im Jahre 2000 mit „Requiem For A Dream“ bereits eindrucksvoll inszenierte, setzt Thomas Vinterberg jetzt in der Lautstärke noch einmal herab und trifft damit mitten ins Herz. Die Welt von Drogen, Alkohol und Gewalt wird auch hier nicht – wie in manch anderem Film – als laut, bunt und lustig-wenn-auf-Droge dargestellt. Die Welt, in der Nick und sein Bruder, der nie namentlich genannt wird, leben, ist öde und hoffnungslos. Die einzige Freude, die beide hätten, wäre, sich um jemanden zu kümmern, doch scheitern beide kläglich.

Nick versucht seinen Freund Ivan zu beschützen, der allerdings im Rahmen seiner sexueller Aggressivität regelmäßige Blackouts erfährt und andere schwer verletzt (hierbei betont er stets, dass er nur wollte, „dass sie aufhört zu schreien“, und erinnert damit stark an die Figur des Lennie Small in Steinbecks Of Mice And Men), und scheitert. Nicks Bruder möchte, dass sein Sohn Martin es einmal besser haben soll als er, und beginnt, Heroin zu verkaufen, um an Geld zu kommen. Seine eigene Heroinsucht bleibt auch dem Sohn nicht verborgen, denn der Vater geht regelmäßig für längere Intervalle zur Toilette, um sich Heroin zu spritzen, während der Sohn auf das Abendessen wartet. Einen Junkie als Vater zu haben heißt, dass der Kühlschrank generell leer ist, denn der Erwerb von Heroin geht vor.

Die beiden Brüder befinden sich in einem Teufelskreis, das klägliche Dasein ihrer Kindheit wiederholt sich immer und immer wieder. Nicks Versuche, sich um andere zu sorgen, schlagen fehl. Seine Freundin Sofie wird von Ivan stranguliert und er sitzt an ihrem Bett wie er damals vor dem Bett mit dem toten Säugling saß. Martins Vater möchte ihm ein besseres Leben bieten, wiederholt aber nur das, was seine Mutter bereits tat: ein Kind mit der Last der Suchtkrankheit zu konfrontieren.

Sämtliche Figuren sind Ausgeburten der Hoffnungslosigkeit. Neben Nick, seinem Bruder und dem geisteskranken Ivan ist da noch Sofie, Nicks Freundin, die das Sorgerecht für ihren Sohn verloren hat und ihn sogar entführt, um ihn sehen zu können. Yellow, ein pensionierter Lehrer, nimmt Nicks Bruder ganz lehrerhaft unter seine Fittiche und bringt ihm bei, wie man erfolgreich Heroin verkauft, indem man einen Mittelmann als Verkäufer einschaltet. Das Unterfangen endet mit der Festnahme, woraufhin Nick, der für Ivans Mord an Sofie verhaftet wurde, seinem Bruder im Gefängnis begegnet. Sie gestehen sich ein, dass sie gerne mehr Zeit mit einander verbracht hätten, und Nick hofft auf eine bessere Zukunft. Doch sein Bruder weiß, dass dies die Endstation ist, und so ist es wenig verwunderlich, dass Nick nach seiner Freilassung erfahren muss, dass sich sein Bruder im Gefängnis das Leben genommen hat.

Der einzige Ausweg aus dem Elend und die einzige Möglichkeit, seine Vergangenheit ein für alle Mal zu vergessen, war für ihn der Selbstmord, das Eingeständnis seiner gescheiterten Existenz. Nick wird zwar aus dem Gefängnis entlassen, da eine Handverletzung, die sogar zur Amputation seiner rechten Hand führt, das Alibi liefert. Doch keine Form der Katharsis wird hier angedeutet, Nick kehrt zurück in sein tristes Leben. Nur sein Neffe Martin wird bei einer neuen Familie auf dem Land aufwachsen, für ihn besteht noch ein wenig Hoffnung, aus dem cercle vicieux auszubrechen.

Submarino
Dänemark (2010)
Regie
: Thomas Vinterberg, Drehbuch: Tobias Lindholm, Thomas Vinterberg; Musik: Thomas Blachmann; Kamera: Charlotte Bruus Christensen
Darsteller:  Jakob Cedergren, Peter Plauborg, Patricia Schumann, Morten Rose et al.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.