Von Menschen und Maschinen

Es ist eine Galavorstellung, die das Herz des Filmliebhabers höher schlagen lässt. 83 Jahre nach der Uraufführung kann der Zuschauer an einem ganz besonderen Abend Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ in seiner beinahe ursprünglichen Fassung wieder auf der Leinwand bewundern. Begleitet wird die Vorstellung auf der Tonebene von Gottfried Huppertz‘ Originalpartitur, umgesetzt durch das Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester. Die glamouröse Atmosphäre des Berliner Friedrichstadtpalastes rundet das Erlebnis ab und betont auch noch einmal die Besonderheit dieser Situation.

Doch was macht dieses Event so einzigartig? Als Metropolis 1927 ein kommerzieller Misserfolg war, wurde der Film um nahezu eine halbe Stunde gekürzt und somit um einige Schlüsselszenen gebracht. Die originale Langfassung galt als verloren, bis sie schließlich in Buenos Aires wieder entdeckt wurde. Diese Kopie des Films war zwar stark beschädigt, konnte jedoch größtenteils restauriert und so zusammen gefügt werden, dass das Endprodukt der Urfassung sehr nahe kommt. Das Resultat dieser mühevollen Kleinstarbeit, in die das Herzblut der Murnau-Stiftung gesteckt wurde, wurde am 12.02.2010 im Rahmen der Berlinale in Berlin, Frankfurt sowie auf ARTE ausgestrahlt.

Laut offizieller Quellen fehlen immer noch Teile des Originals, da die Ufa anscheinend das geschnittene Material oft sofort vernichtete. Die „neuen“ bzw. alten Szenen verleihen dem Film, wie wir ihn bis jetzt kannten, auf der Ebene der Diegese neue Bedeutung. Die ergänzenden Szenen verlängern den Film um circa 43 Minuten (dies ist eine grobe Schätzung der Autorin), beleuchten beispielsweise Figuren wie Joh Fredersens Handlanger den „Schmalen“ und den Arbeiter „11811“ etwas intensiver. Die nachträglich eingefügten Szenen sind erkennbar durch eine breitere schwarze Umrandung sowie selbstredend durch die gröbere Körnung bzw. die schlechtere Bildqualität.

„Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein“, so die Quintessenz von „Metropolis“, und in diesem Sinne ist es unabkömmlich, neben den technischen, diegetischen und ästhetischen Details den Gefühlswert dieser Aufführung hervor zu heben. Das Herz des Filmfreundes wird mit dieser Vorstellung auf jeden Fall berührt. Hier wurde eben nicht nur ein Stück Kulturgut restauriert und zurück ins Filmmuseum gestellt; vielmehr wird einem Publikum die Möglichkeit geschenkt, ein Stück Vergangenheit einzufangen, das für lange Zeit als verflogen galt. Wie bereits 1927 ist es möglich, sich auf der großen Leinwand das ausdrucksstarke Gesicht der Stummfilm-Ikone Brigitte Helm anzusehen, die fantastische Architektur der Stadt sowie die Konzeption des Maschinen-Menschen zu bewundern und sich in eine andere Welt reißen zu lassen, untermalt von der live gespielten Partitur.

Der Unterschied liegt sicherlich nicht zuletzt darin, dass das heutige Publikum den Film in seiner Tragweite einschätzen kann. Weder die uraufgeführte noch die gekürzte Fassung war 1927 ein Erfolg, eine wirkliche Wertschätzung des Films erfolgte erst Jahrzehnte darauf. Das alles stellt einfach ein unersetzliches Erlebnis dar, dem man beigewohnt haben sollte – wenn schon nicht im Berliner Friedrichstadt-Palast oder der alten Oper in Frankfurt, dann bei der kostenlosen Liveübertragung am Brandenburger Tor. Dafür eine kleine Erkältung riskiert zu haben, ist es sicherlich wert.

Metropolis
(Deutschland, 1927/2010)
Regie: Fritz Lang; Drehbuch: Thea von Harbou; Musik: Gottfried Huppertz; Kamera: Karl Freund, Günther Rittau
Darsteller: Alfred Abel, Gustav Fröhlich, Brigitte Helm, Rudolf Klein-Rogge, Fritz Rasp, Erwin Biswanger

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