Am Anfang steht das Postkartenpanorama: Charles Bronson ist Joe Martin, Ruheständler an der malerischen Côte d’Azur, und gemeinsam mit ihm und den Eröffnungscredits schippern wir per Boot in diesen Film hinein. „De la part des copains“, wie der Vorspann verrät, oder eben „Kalter Schweiß“ – der deutsche Kinotitel, mit dem der Verleih anno 1970 wohl versuchte, den eher klassisch erzählten Euro-Actioner als knüppelharten Reißer anzupreisen.
Während die ersten Momente des Films noch von jenem umherschweifenden Blick geprägt sind, der früher im gleichen Jahr schon Sergio Sollimas wunderbar melancholischen „Città violenta“ bestimmte, leitet Regisseur Terence Young „Kalter Schweiß“ recht schnell in konventionellere Bahnen. Nach der Heimkehr zu Frau Fabienne (Liv Ullmann), Stieftochter Michelle und dem luxuriösen Eigenheim nämlich bricht sich bald die dunkle Vergangenheit Bahn: zunächst in Gestalt mysteriöser Telefonanrufe mit Morddrohungen für einen gewissen Joe Moran, bald höchstpersönlich in der Person eines sinistren Einbrechers, der Joe konsequent als „Sergeante“ anspricht, bevor er von diesem mit nur wenigen gezielten Handgriffen in die ewigen Jagdgründe befördert wird. Nun könnte man, respektive: könnte Gattin Fabienne, natürlich fragen, was denn ein derartiges Eindringen der Gewalt aus der Vergangenheit für Auswirkungen auf eine heile Familienwelt wie die von Joe Martin/Moran hat. Dann wäre man vielleicht in einem Film von David Cronenberg. Man ist hier aber in einem Film von Terence Young, dessen essenzieller Beitrag zur Filmgeschichte bekanntermaßen vor allem darin besteht, mit drei der ersten Connery-Bond-Streifen die Ferienpostkartendramaturgie zur popkulturellen Ikone geschliffen zu haben. Vor allem ist Young also ein ordentlicher Handwerker, und der Geist des Handwerks spricht auch aus „Kalter Schweiß“. So geht es dem Film eindeutig weniger um das bizarre Potenzial, das etwa die Paarung von Bronson, der hier freilich – vor den großen Filmen mit Regisseur Michael Winner in den 1970ern – noch am Beginn seiner Karriere als Ikone des Actionkinos stand, mit der Ingmar-Bergman-Muse Liv Ullmann in sich birgt. Auch die Schatten der Vergangenheit, die sich über das scheinbar zur Ruhe gekommene Leben Joes legen, sind kaum gekommen, um zu bleiben; das Happy End ist durchaus ungebrochen zu lesen. Es geht Terence Young hier vor allem um eine Art Planspiel, um das unerwartete Verschieben von Konstellationen zwischen den diversen Kidnappings der Filmerzählung und den sich daraus ergebenden unterschiedlichen Rettungsaktionen.
Die Reize von „Kalter Schweiß“ entfalten sich also nahezu vollständig auf der Oberfläche, was ob des abgründigen Potenzials der Grundidee zunächst ein wenig enttäuschend sein mag. Auf der anderen Seite macht Regisseur Young auch vieles richtig: So gelingt es ihm etwa auf durchaus eindrucksvolle Weise, durch die Einführung einer Deadline-Situation gegen Ende des Films – die ganz nebenbei auch noch einmal auf höchst interessante Weise die Antagonismen des Plots durcheinander würfelt, und sich darüber hinaus gar in einer hübschen Vignette am Wegesrand über die dadurch entstehenden Verwirrungen zu amüsieren scheint – den Spannungsbogen der auf einen einzigen Tag beschränkten Erzählung beträchtlich zu spannen. Eine atemlose Autoverfolgungsjagd über Serpentinen dürfte dann auch als ein eingeplanter Spannungsgipfel von „Kalter Schweiß“ im Gedächtnis bleiben. Überhaupt scheint Terence Young sich vor allem für den Rhythmus der Erzählung interessiert zu haben, denn dieser ist sorgfältigst ausgefeilt: Am Anfang kommt „Kalter Schweiß“ ziemlich unmittelbar zur Sache, um schnellstmöglich die Geheimnisse der Vergangenheit ans Licht zu zerren. Jedoch nicht, um endlos um diese zu kreisen oder gar ihre Auswirkungen auf die Gegenwart zu beleuchten. Stattdessen dient das in einer Rückblende aufbereitete und im Grunde relativ banale Geschehen aus Joes postsoldatischer Vergangenheit ausschließlich als Auslöser, um die Erzählung in Gang zu setzen. Die hat zwar leider wenig Tiefe und lässt – wie so oft bei derart ausgefeilten Plotkonstruktionen – keinerlei Raum für ein Geheimnis, welches nach dem Anschauen übrig bleiben könnte, hat aber dafür gegen Ende eine sich steigernde Anzahl von Twists und Turns zu bieten. Diese sind freilich nicht immer logisch nachvollziehbar – dass das aber weder Terence Young noch den Zuschauer wirklich stört, ist gar nicht gering zu schätzen und macht „Kalter Schweiß“ zu einem sehens-, wenngleich nicht unbedingt bemerkenswerten Frühwerk Bronsons zwischen größeren Würfen wie „Città violenta“ oder „The Mechanic“.
Kalter Schweiß
(De la part des copains, Italien / Frankreich / Belgien 1970)
Regie: Terence Young; Buch: Dorothea Bennett, Jo Eisinger, Shimon Wincelberg, Albert Simonin, Gerald Devrier; Musik: Michel Magne; Kamera: Jean Rabier; Schnitt: Johnny Dwyre
Darsteller: Charles Bronson, Liv Ullmann, James Mason, Jill Ireland, Luigi Pistilli, Michel Constantin u.a.
Länge: 90 Min.
Verleih: Kinowelt
Die DVD von Kinowelt
Die Bildqualität des knapp vier Dekaden alten Films ist recht zufrieden stellend. Das Bild scheint zwar gelegentlich ein wenig weich, ist aber dafür sehr farbkräftig. Der Ton wirkt hingegen besonders in der englischen Sprachfassung recht dumpf. Dass diese Tonspur überhaupt vorhanden ist, stellt freilich schon ein großes Plus gegenüber der schon länger erhältlichen DVD von Magic Video dar. Weitere Editionen sind bei EuroVideo und Universal erschienen, zumindest gegenüber der ersteren liegt hier wohl ein deutlich verbesserter Bildtransfer vor. Im Bonusmaterial fehlen die auf der Universal-Edition vorliegenden Deleted Scenes, dafür enthält die DVD von Kinowelt einen interessanten Videoessay, in dem der Journalist Arnaud Bordas und der Filmwissenschaftler Jean-Pierre Deloux den Film historisch einordnen.
Bild: 1,85:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 1.0)
Untertitel: Deutsch
Extras: Arnaud Bordas und Jean-Pierre Deloux über „Kalter Schweiß“ (13 Min.); Fotogalerie; 2 Trailer; Wendecover
FSK: ab 16 Jahren