Star Traction

Zwei Dinge, um es kurz zu machen: Jeffrey J. Abrams Fortsetzung der Star-Trek-Saga ist kein „neuer“ Star-Trek-Film und das J. im Vornamen des New Yorker Regisseurs steht nicht für Jim – auch wenn es angesichts des bereits für 2011 geplanten Sequels zum Prequel irgendwie passend wäre. star_trek_poster ©2009 Paramount PicturesDer „neue“ „Star Trek“ ist eigentlich ein „alter“ „Star Trek“. Genau genommen, ist er sogar so alt, dass er bis an die Wurzeln der Geschichte der U.S.S. Enterprise und seiner 400 Mann starken Besatzung zurückreicht, die unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. „Genau genommen“ heißt das, der „neue“ „Star Trek“ ist ein aufpolierter, übertriebener, über alle Maßen utopischer Film und am Ende gewinnen die Guten. Selbstredend. Denn die Crew der Enterprise ist nicht einfach die gesichtslose Besatzung irgendeines Raumschiffes, sie gehört zur Sternenflotte der Föderation; futuristische Helden in Velours, tollkühne Weltraumpiloten, die den Gefahren der zu erforschenden Welten mutig ins Auge blicken. Damit erfüllt der „neue“ „Star Trek“ jedoch auf vortreffliche Weise alle Erwartungen, die man gemeinhin an einen „alten“ „Star Trek“-Film stellt.

Schon die tragischen Umstände der Geburt des Haupthelden James T. Kirk (Chris Pine) nehmen all das vorweg, was die Figur im späteren Film ausmachen wird. Kirk ist ein Mann der Tat, ein schlachtgeborener Draufgänger, der jedoch ein Problem mit seinem Temperament und ergo auch mit der militärischen  Befehlshierarchie hat. Sein ärgster Gegenspieler auf der Akademie ist der hochbegabte und ziemlich steife Spock (Zachary Quinto), der den Unruhestifter bei einem Betrugsversuch ertappt und ihn am liebsten aus der Akademie werfen lassen würde. Was die beiden diametral sich gegenüberstehenden Kontrahenten verbindet, ist ihr Außenseitertum. Jener ist ein vorbestrafter Raufbold aus Iowa, der keine Kneipenschlägerei auszulassen gewillt ist, dieser ein Verstoßener unter den eigenen Leuten vom Planeten Vulcan, dessen menschliche Seite ihm unter seinen Mitschülern einen schweren Stand beschert. Wie aus dem Hitzköpfigen jungen Wilden schließlich der Kapitän der Enterprise und Spock sein bester Freund wird, davon erzählt Abrams Film.

kirk&spock ©2009 Paramount PicturesJims Vater stirbt bei dessen Geburt, indem er eben jenen Bösewicht mit dem gewichtigen Namen Nero (Eric Bana) aufzuhalten versucht, der 25 Jahre später wieder der Gegner des Sohnes sein wird. Das Motiv des Feindes hierfür ist Rache für etwas, das seinem Volk erst in der Zukunft zustoßen soll und auch damit zeigt sich, dass der „Neue“ eigentlich gar nicht so neu ist, denn das Böse in „Star Trek“ war immer schon so banal wie die Getriebenheit jenes  genozidären Wahnsinnigen.  Ebenso wie der Sohn die unerfüllte Bestimmung des Vaters zum Abschluss zu bringen hat, so schließt auch Abrams Gründungsmythos eine Lücke im Roddenberry-Universum, indem er dessen vermeintliche Anfänge schildert und dieses vor allen Dingen in Form eines Actionfilms tut – einem Genre, das in der Reihe der „Star Trek“-Filme, neben Ideologiekritik, Zeitreisen-, Technik-, und Esoterikfilm bis jetzt noch gefehlt hat.

mccoyDie Zeit auf der Akademie, wo Kirk zunächst den kratzbürstigen und von Flugangst gepeinigten Pille (Karl Urban) kennen lernt, ist nur ein Teil der Geschichte. Schon bald geht es für die junge Kadettencrew der Enterprise auf eine Rettungsmission zum Planeten Vulcan. Doch was zunächst wie eine humanitäre Aktion beginnt, entpuppt sich sehr schnell als Hinterhalt für die Besatzung. Der megalomanische Romulaner Nero ist dabei Föderationsplaneten in schwarze Löcher zu verwandeln und er ist erst gewillt aufzuhören, wenn all jene vernichtet sind, die angeblich das Ableben seiner Familie und seines Heimatplaneten zu verantworten haben. Selbstredend liefert diese Grundkonstellation den Rahmen für eine actionreiche Achterbahnfahrt, die kaum eine Überraschung vermissen lässt.

Die Frage, die sich angesichts eines so spektakulären Kinoereignisses stellt ist: Was kann der „neue“ „Star Trek“ dem „alten“ „Star Trek“ jenseits dieser hochkonstruierten Jugend- und Rachegeschichte noch hinzufügen? Der Regisseur selbst war zu Beginn der Planungsphase eigentlich kein wirklicher „Star Trek“-Fan. Das garantierte aber auf gewisse Weise auch ein unvorbelastetes Herangehen an den Stoff. Abrams konnte mit seinen beiden Co-Autoren Roberto Orci und Alex Kurtzman (Mission: Impossible 3, Die Insel, Transformers) dadurch schlicht all jenen Fallstricken entgehen, die den Film möglicherweise ansonsten zu einem bis in die Kapillaren ausgetüftelten Fanstreifen gemacht hätten. Vielmehr geht es Abrams zum einen um die originalgetreue Charakterisierung seiner Helden, was ihm auch bis auf wenige Ausnahmen gelingt und zum anderen um eine durchgängige Spannung, die über den gesamten Film gehalten werden kann. Auf diese Weise bildet „Die Zukunft hat begonnen“ – so der Untertitel der deutschen Ausgabe – seine ganz eigenen Perspektiven und Referenzen, ohne dabei das wesentliche der alten Serie und der zehn Kinofilme aus dem Blick zu verlieren.

RomulanianVessel ©2009 Paramount Pictures

Dass die Action über den 126-minütigen Sciencefiction-Kracher nicht abreißt, ist dabei aber weniger erstaunlich, als die Mühe, die sich das Autorenteam mit der Ausbuchstabierung der Charaktere und der Auswahl der passenden Schauspieler gemacht hat. Chris Pine in der Rolle des Captain Kirk, Zachary Quinto als Spock und vor allem Karl Urban, der als Dr. McCoy seinen zynischen Witz versprüht, sind in diesem Sinne optimale Besetzungen, die ihren Vorgängern alle Ehre machen. Abrams vergisst jedoch bei alle dem nicht die eingefleischten Fans und liefert all jenen, welche die Filme über die Jahre verfolgt haben ein Schmankerl der besonderen Art mit dem Auftritt der „Star Trek“-Ikone Leonard Nimoy. Der Mann mit der dreifachen Ehrendoktorwürde ist jedoch nicht nur ein in die Jahre gekommenes Gimmick für Fans, er ist integraler Bestandteil der Narration und in gewissem Sinne auch Dreh- und Angelpunkt der Frage, warum Abrams, Orci und Kurtzman es sich erlauben konnten zwei schwerwiegende Anschlussfehler an die alte „Star Trek“-Saga in den Film einzubauen. Diese scheinen schon Teil einer anderen Geschichte zu sein, die hoffentlich bald erzählt wird.

Was ist aber das Neue am „neuen“ „Star Trek“? Die Antwort ist wiederum banal und komplex zugleich. Was Abrams der heilen und vor allem sauberen Welt der Föderation entgegensetzt, die zuweilen an den plastikhaften Medienfaschismus von „Starship Troopers“ erinnert, ist die Düsternis einer schäbigen Existenz am Rande des Universums. Schon das Raumschiff des Bösewichts, dass entgegen der omnipräsenten Runden Form der Föderationswelt einem gigantischen Strauß aus schwarzen Stahldornen gleicht, markiert all jene Abgründe, die der Provokateur Kirk insgeheim bei seinen Mitmenschen zu finden hofft.  Erst über die Konfrontation mit dem wahren Gegner findet Kirk seine Berufung als Kapitän der Enterprise und tritt somit aus dem Schatten seines Vaters heraus. Der Kampf gegen einen gemeinsamen Feind war zwar schon Teil des letzten Generationenwechsels, als in „Star Trek VII“ (1994) Patrick Steward und William Shatner zusammen gegen Malcom McDowell kämpften und im Laufe der Geschichte die Generationen abgelöst wurden. Nie zuvor war aber ein „Star Trek“-Film von einer so subtilen Düsternis seiner Gegner gefärbt, wie dieser. Abrams‘ Film zeigt uns als erster die Dunkle Seite von „Star Trek“ und in diesem Sinne emanzipiert er sich von allem vorher da gewesenen. „Star Trek XI“ schafft folglich den schwierigen Spagat sowohl gegenüber den Vorgängern gerecht zu sein und gleichsam eine neue Facette ins Gewebe dieser unendlichen Weiten einzuspinnen.

Star Trek XI
Die Zukunft hat begonnen (USA/D 2009)
Regie
: J.J. Abrams; Drehbuch: Roberto Orci, Alex Kurtzman, J.J. Abrams; Musik: Michael Giacchino;
Darsteller
: Chris Pine, Zachary Quinto, Eric Bana, Karl Urban, Leonard Nimoy, Zoe Saldana, Simon Pegg;
Dauer
: 126 Minuten;
Verleih
: Paramount Pictures
Kinostart
: 08. Mai 2009

Eine Antwort auf „Star Traction“

  1. Hab den Film auch gesehen und bin ehrlich gesagt eher enttäuscht gewesen. Hat einfach irgendwie leider nicht mehr die Klasse wie die alten filme… Werde wohl auf meinem Blog auch noch einen kleinen Beitrag darüber schreiben.

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