Take a look into the incredible mirror of lust!

Es ist ein bisschen absurd mit der Pornofilmrezeption. Seit Jahrzehnten ist der Pornofilm im Grunde allgegenwärtig; so manche Videothek wurde und wird von ihm und im Grunde zumeist nur von ihm am Leben erhalten, und während Eltern, Studienräte und Medienapokalyptiker in seiner erleichterten Zugänglichkeit per World Wide Web den Grundstein für die ganz sicher anstehende endgültige Verrohung der zur Zeit pubertierenden Nachkommenschaft zu erkennen meinen – warum hat eigentlich Michael Haneke noch keinen Film darüber gemacht? – ergreifen und umarmen ihn Subkultur, kulturelle Avantgarde und jedwede sexuelle Emanzipationsbewegung aus den Zwischen- und Grauzonen des queeren Spektrums immer wieder aufs Neue. Das Wort von der „Generation Porno“ macht inzwischen schon so lang immer wieder aufs Neue die Runde, dass sich eigentlich schon mehrere Generationen davon angesprochen fühlen müssten, und seit einigen Jahren experimentiert das (vom Rezensenten mitkuratierte) Pornfilmfestival Berlin jährlich mit immer wieder neuen Verschiebungen und Erweiterungen des Blickes auf die explizite Darstellung von Sexualität im Film, aus kommerzpornografischer wie aus dezidiert künstlerischer Perspektive kommend.

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»Schneller, stärker und besser als jeder andere Mensch«

Das Cyborg-Konzept wies in den frühen 1970er-Jahren bereits eine vielfältige Tradition nicht nur in der Science Fiction, sondern auch der Technik-Debatte auf. Schon bevor der Begriff 1960 durch einen US-amerikanischen Arzt und einen Computerwissenschaftler definiert wurde, fand sich das Konzept  in Literatur und Film: ein Mensch, dessen Körper durch technische Ergänzungen bzw. den Austausch von biologischen durch technische Organe Fähigkeiten erhält, die über die biologischen hinausgehen. Die Tatsache, dass der Cyborg mit „Der 6-Millionen-Dollar-Mann“ 1974 ins Fernsehen kam und dort sogar noch ein Spin-Off nach sich zog, zeigte, wie populär und gleichzeitig angstbesetzt die Vorstellung ist. Universum-Film hat nun die ersten beiden Staffeln der Serie als DVD-Boxen veröffentlicht.

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Vorwärts in die Vergangenheit

Schon wenn das Bild während der Creditsequenz von „The House of the Devil“ einfriert und der Titel in großen gelben Lettern eingeblendet wird, weiß man, dass man sich hier in einem Film befindet, der den Horrorfilmen der Siebziger Tribut zollt. Das macht Ti Wests Film noch nicht zu etwas Besonderem, gab es doch in den letzten Jahren eine regelrechte Schwemme von Filmen, die mit dem Etikett „Retro“ versehen wurden. Doch während etwa ein Regisseur wie Rob Zombie Motive und Elemente des Horrorfilms vergangener Jahrzehnte zitiert, um sie dann in einen zeitgenössischen Kontext zu transplantieren, gelingt West die perfekte Simulation eines längst vergangenen Stils und damit paradoxerweise einer der originellsten, unheimlichsten und effektivsten Horrorfilme der vergangenen Jahre. „Vorwärts in die Vergangenheit“ weiterlesen

Viel Plot, wenig Geheimnis

Am Anfang steht das Postkartenpanorama: Charles Bronson ist Joe Martin, Ruheständler an der malerischen Côte d’Azur, und gemeinsam mit ihm und den Eröffnungscredits schippern wir per Boot in diesen Film hinein. „De la part des copains“, wie der Vorspann verrät, oder eben „Kalter Schweiß“ – der deutsche Kinotitel, mit dem der Verleih anno 1970 wohl versuchte, den eher klassisch erzählten Euro-Actioner als knüppelharten Reißer anzupreisen.

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Dialektik der Aufklärung

Der „Schulmädchen-Report“, eine zwischen 1970 und 1980 entstandene 13-teilige Filmserie, ist ein Phänomen: Mit minimalem Aufwand gedreht, entpuppte sie sich zum absoluten Publikumsmagneten und steht bis heute exemplarisch für den deutschen Softsex-Film der Siebzigerjahre. Basierend auf dem gleichnamigen Aufklärungsbuch von Günther Hunold, das im Zuge der Oswalt-Kolle-Welle erschien (aber durchaus zwiespältig rezipiert wurde), wurde „Schulmädchen-Report“ für rund 250.000 DM in nur wenigen Tagen produziert und erreichte sechs Millionen Zuschauer allein in der Bundesrepublik; wie die schleunigst nachgekurbelten Teile 2 und 3 erhielt er eine Goldene Leinwand. Insgesamt erreichten alle 13 Teile zusammen weltweit mehr als 100 Millionen Zuschauer und machten Hartwig zu einem der erfolgreichsten Filmproduzenten Deutschlands. „Dialektik der Aufklärung“ weiterlesen

Verschwende Deine Jugend.doc

Man beginnt sich wieder für Punk zu interessieren. Punk dabei nicht als musikalisches Vehikel gestylter schöner Jungs aus den Staaten, die vor Hallenpublikum auftreten, und auch nicht als Synonym für vor allem das öffentliche Stadtbild prägende Hundebesitzer mit Hang zum penetranten Habitus verstanden. Vielmehr ist jene kurze Phase des elektrisierenden Kitzels gemeint – so grob ab ’77, in Deutschland eher zwischen ’79 und ’82 -, in der an allen Ecken kleine Garagenbands gegründet wurden, wo es weniger um die Musik selbst – die durfte gerne frei in den dilletantischen Raum hineindelirieren -, sondern vor allem um die richtige Attitüde, um spontane Kreativität und Ausbruch ging, um ein Spiel mit den Zeichen und einen eher inszenierten, denn wirklich praktizierten Nihilismus. Vor wenigen Jahren veröffentlichte Jürgen Teipel seinen Interview-Roman „Verschwende Deine Jugend“, in dem Protagonisten jener Phase zu Wort kommen und zurückblicken. Vor kurzem folgte dann Rocko Schamonis höchst unterhaltsamer, autobiografischer Roman „Dorfpunks“, dessen Titel Programm ist. Die Garde der ersten Punks in Deutschland blickt auf sich zurück, scheint sich historisieren zu wollen.
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