Verkehrte Comicwelt

Das auf der Grundlage lizenzierter Vorlagen aus dem weiten Feld der Populärkultur programmierte Videospiel genießt nicht unbedingt den besten Ruf: Mit der heißen Nadel angesichts einer per Crosspromotion festgelegten Deadline gestrickt, scheinen seine meist an aktuellen Kinoveröffentlichungen ausgerichteten Exempel allzu oft nicht so recht zu Ende gedacht, scheint das Spieldesign dahin geschludert oder die Technik unperfekt. Auch die beiden Comicsuperhelden Batman und Spider-Man litten schon in schöner Regelmäßigkeit unter diesen Mängeln in nahezu unzähligen Videospielinkarnationen, die ihre diversen, mehr oder minder avancierten Kinoauftritte eskortierten – von Burton über Schumacher bis Nolan auf der einen, von Raimi über Raimi bis Raimi auf der anderen Seite.

Die beiden Nintendo-DS-Spiele „Batman: The Brave and the Bold“ und „Spider-Man Dimensions“ freilich erscheinen nun ohne offensichtliche Bindung an ein Kinorelease, sondern vielmehr zwischen den Filmen: Nolans dritter, abschließender Batman-Film (nach dem immens blockbustenden The Dark Knight) befindet sich noch in der Planungsphase, während der Spider-Man-Franchise gleich vollständig zurück auf Null gesetzt wurde, um demnächst teengerechter und in 3D einen Reboot zu erfahren. Beide Spiele befinden sich also recht eindeutig zwischen den ganz großen Hypes, was vermutlich ihrem Erfolg abträglich sein dürfte. Qualitativ hingegen wirkt es sich im Gegenteil durchaus positiv aus.

Dabei orientieren sich beide Spiele an sehr klassischen Modellen des Videospiels, die eher in den 1990er Jahren zu verorten sind. Als relativ geradlinige 2D-Plattformer ist der Spieler in beiden Fällen im Wesentlichen damit beschäftigt, von links nach rechts durch Comicszenarios zu hasten und sich durch Prügeln, Hüpfen, Schwingen und dergleichen mehr zum jeweiligen Endgegner vorzuarbeiten. Die Welt von „Spider-Man Dimensions“ ist hierbei in mehrfacher Hinsicht etwas komplexer ausgestaltet als die in sehr reduziertem Leveldesign gehaltene Welt von „Batman: The Brave and the Bold“. Durch die unverzichtbaren Wandklettereien und Netzschwingereien, die Peter Parker erst zur freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft machen, wird es möglich, die Welt von Spider-Man über mehrere Ebenen in Höhe und Tiefe hinein zu konstruieren, dabei wesentlich verschachtelter auszugestalten und komplexere (Um-)Wege anzulegen, die erkundet werden wollen und müssen, um die Levels zu lösen.

Der besondere Kniff des Spiels (dessen Möglichkeiten freilich nicht annähernd ausgeschöpft werden) liegt zudem in der Aufspaltung der Erzählung auf drei Zeitebenen, die der Spieler abwechselnd betritt. Neben dem am Design der aktuellen Comics der Ultimate Spider-Man-Reihe orientierten gegenwärtigen Erzählstrang gibt es zwei weitere Zeitebenen in Form einer Film-Noir-Vergangenheit (in einer Art Sepiaton eingefärbt) und einer glänzend-bunten Zukunft. Da sich jedoch „Spider-Man Dimensions“ kaum bemüht, diese Ebenen auf originelle Weise miteinander zu verschalten und sie eher beziehungslos nebeneinander stehen lässt, erscheint dieser Clou des Spiels eher als ein selling point denn als eine wirklich kreative Idee.

Auf eine solche meint „Batman: The Brave and the Bold“ ohnehin gleich ganz verzichten zu können – und fährt sogar recht gut damit. In sehr knalligem, an einer gleichnamigen und eher an ein kindliches Publikum gerichteten TV-Cartoonserie orientiertem Design hetzt dort Batman, jeweils im Team-up mit einem weiteren, meist eher unbekannten bis hoch obskuren Superhelden aus dem DC-Comickosmos durch ein Level nach dem anderen, um schließlich auf die unvermeidlichen Endgegner zu treffen. Schlichter kann ein Videospiel kaum angelegt sein, und doch: Vielleicht gerade deshalb funktioniert „Batman: The Brave and the Bold“ so hervorragend. Das schnörkellose Design, die konsequente Oberflächlichkeit, die knallige Farbgebung und der Verzicht auf jedwede Tiefe zugunsten jener dadaistischen Nonsense-Attitüde, welche die besten Nintendo-Spiele bis heute entscheidend prägt – all das atmet mehr als nur einen Hauch von Retronostalgie und mag manch einen Gamer, der sich schon allzu oft in den nonlinearen Weiten der dreidimensionalen Spielewelten der Gegenwart verlaufen hat, auf wohligste Weise an die eigene Kindheit erinnern, die er zwischen Schildkröten und Feuerblumen in Pixelwelten verbracht haben mag, die nichts mit Realismus, aber viel mit Phantasie zu tun haben wollten.

Auffällig freilich ist, dass beide Comicvorlagen hier quasi unter umgekehrten Vorzeichen bearbeitet werden: Während „Spider-Man Dimensions“ (jedenfalls in der Noir-Ebene) um eine etwas abgedunkelte Atmosphäre und sogar einen gewissen Realismus – im Rahmen des durch die Vorlage und den Zeiten und Dimensionen überschreitenden Plot Vorgegebenen – bemüht ist, was den knalligen Pop-Art-Kinofilmen eher zuwiderläuft, entfernt sich „Batman: The Brave and the Bold“ in seiner radikalen Stilisierung weit vom Semi-Realismus der Nolan-Adaptionen und knüpft eher an die TV-Serie der 60er Jahre oder die radikal missratenen 90er-Jahre-Kinofilme Joel Schumachers an. Ein bisschen ist es also eine verkehrte Comicwelt, die die vermeintlich im Multiplex eingepeitschten Gamer in diesen beiden Spielen vorfinden – andererseits nur ein weiteres Zeichen, wie sehr sich beide Spiele als eigenständige Adaptionen statt als Trittbrettfahrer aktueller Blockbuster begreifen.

Batman: The Brave and the Bold
(2010, Warner Bros. Interactive / WayForward Technologies)
Getestet auf Nintendo DS
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Spider-Man Dimensions
(2010, Activision / Gryptonite Games)
Getestet auf Nintendo DS
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