The line’s gone dead

Als Alfred Hitchcock einmal seinen Wunsch äußerte, einen Film ausschließlich in einer Telefonzelle drehen zu wollen, stand dabei natürlich zuerst der reduzierte Handlungsort im Fokus: Auf engstem Raum, ohne die Möglichkeit, weitere Protagonisten in das Setting zu bringen, eine Spielfilmhandlung zu realisieren: Das bedürfte schon eines ausgeklügelten Plots. Doch einen „Ausgang“ hatte sich Hitchcock dabei natürlich offen gelassen: Die Telefonzelle ist – so eng sie auch räumlich sein mag – gleichzeitig das Portal zu einem theoretisch endlosen virtuellen Raum, der durch das Telefongespräch geöffnet wird. Joel Schumacher hatte diesen Raum 2002 mit „Phone Booth“ ausgelotet, sich dabei jedoch noch nicht getraut, den realen Handlungsraum vollständig von der Umwelt abzugrenzen. So weit geht nun Rodrigo Cortés‘ Film „Buried“, der ausschließlich einen in einem Sarg eingeschlossenen Mann zeigt, dem nichts als ein Handy zur Verfügung steht.

Der Mann ist Paul Conray, Fahrer eines Unternehmens, das im Irak Hilfsgüter transportiert. Sein Convoy wurde beschossen, die meisten seiner Kollegen ermordet und er entführt, in eine Kiste eingenagelt und vergraben. Paul erwacht dort, weiß weder, wo er ist, noch, wie er dorthin gelangt ist und wird panisch. Dann folgt irgendwann ein Anruf und er erfährt, dass er ein Geiselvideo mit der Handykamera drehen soll, auf dem die Entführer 5 Millionen Dollar für seine Freilassung verlangen. Paul versucht über das Handy sein Unternehmen, seine Familie, das FBI und schließlich eine für solche Entführungsfälle zuständige US-Regierungsorganisation zu erreichen. Mithilfe der Signaltriangulation und Telefondaten, die Paul an seine Helfer weitergibt, soll seine Position ermittelt werden. Doch die Zeit wird knapp: Läuft das Ultimatum ab, lässt der Entführer Paul im Sarg sterben. Die Luft wird dünner und als über der Erde ein Bombardement beginnt, werden die Grenzen des engen Gefängnisses immer durchlässiger für den darüber befindlichen Sand.

Die Welt per Telefongespräch – es finden mehrere internationale Telefonate statt – in den Sarg Pauls hineinzuholen, ist ein geschickter ästhetischer Schachzug Cortés, den er noch dadurch unterstreicht, dass er das Filmtelefonat eben nicht dazu nutzt, Transitionen zwischen den Handlungsorten der Telefonierenden zu konstruieren: Das Bild bleibt schön auf Paul konzentriert. Allenfalls in seinem Kopf darf er reisen. Die Beengung ist für den Zuschauer kaum zu ertragen. Nur in wenigen Momenten erlaubt die Kamera dem Betrachter etwas Distanz, die dann jedoch – etwa, wenn sie meterhoch über Paul hinaufsteigt, aber dennoch im Sarg bleibt – sofort verdeutlicht, dass sie gerade ein symbolisches Bild seiner Situation vorführt, in der die ganze Welt Pauls längst (s)ein Grab geworden ist. Ansonsten ist sie darauf bedacht, der uralten Angst vorm Lebendig-begraben-Sein nicht auszuweisen. Die Verbindung dieser extremen Angst, der drohenden Erstickungsgefahr und der bloß virtuellen Fluchtmöglichkeit (Telefone u.Ä. in Särgen sind aus genau diesem Grund keine Neuheit) nutzt der Film wiederum dazu, seine Kriegsfilm-Hintergrundgeschichte mit ihr eigentlich fremden Affekten aufzuladen.

Denn die Situation, in der sich Paul befindet, ist in einem Kriegsschauplatz angesiedelt. Völlig schuldlos ist er irgendwo im Irak lebendig begraben worden und sieht sich nun zum Spielball zwischen vier Parteien werden: einer Regierung, die die Opfer ihrer Invasionspolitik unerkannt verscharren will, verzweifelten Geiselnehmern, die durch solche Aktionen ihr eigenes Überleben sichern wollen, einer um ihre Reputation fürchtenden Hilfsorganisation und nicht zuletzt der Medien, für die das Ganze ein Spektakel sondergleichen darstellt. Immer wieder fragt Paul diejenigen auf „seiner“ Seite am Telefon, ob man denn bei der ganzen Sache nicht an ihn denke. Was er zu hören bekommt, sind Floskeln mit der Absicht, ihn hinzuhalten und zu beruhigen. Aber Paul befindet sich wortwörtlich in seiner eigenen Sanduhr, bei der Ruhe genau das falsche Verhalten darstellt.

„Buried“ vereint auf kongeniale Weise Mediendispositiv, politische Erzählung und psychologische Angstauslöser zu einem Thriller. In der Dunkelheit des Kinos dürfte der Film kaum zu ertragen gewesen sein, verbündet diese sich doch auf bedrückende Weise mit der Dunkelheit im Sarg. Die Lichtquellen, die Paul zur Verfügung stehen – ein Feuerzeug, zwei chemische Leuchten und das Handydisplay -, werden schwächer und verlöschen nach und nach. Da sie die einzigen sind, die auch die Kinoleinwand erhellen, wird Pauls Leben regelrecht ausgeblendet. Dass eine solche Situation nicht durch melodramatische Plotwendungen desavouiert wird, ist Cortés zu danken. Damit hat er seinem politischen Film gleichzeitig auch einen eindringlichen, unausgesprochenen Appell verpasst.

Buried – Lebend begraben
(Buried, Spanien/USA/Frankreich 2010)
Regie: Rodrigo Cortés; Buch: Chris Sparling; Musik: Víctor Reyes; Kamera: Eduard Grau; Schnitt: Rodrigo Cortés
Darsteller: Ryan Reynolds
Länge: 95 Minuten
Verleih: Ascot Elite Home Entertainment

Die Blu-ray-Disc von Ascot

Gerade weil sich die Kamera nie sehr weit vom Protagonisten und den ihn umgebenenden Strukturen entfernen kann, somit also Nah- und Detailaufnahmen das Bild dominieren, kommt die hohe Auflösung der Blu-ray-Disc sehr gut zur Geltung. Die dreck- und blutverschmierte Haut Pauls, seine Bartstoppeln, der Schweiß, die Tränen – alles wird in schier unerträglicher Nähe und Schärfe vorgeführt. Selten hat man den Eindruck gehabt, dass die Bildauflösung selbst zu einer direkten filmischen Aussage wird!

Die Ausstattung der Blu-ray-Disc im Einzelnen:

  • Bild: 1.35:1 (16:9), 1080p/24p
  • Ton: Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1), Englisch (DTS-HD Master Adio 5.1)
  • Untertitel: Deutsch
  • Extras: Teaser vom Sundance-Festival, Interview mit Darsteller und Regisseur, Featurettes, Audiokommentar mit dem Regisseur
  • Freigabe: FSK ab 16
  • Preis: 17,99 Euro (Blu-ray), 12,99 Euro (DVD), 14,99 Euro (Doppel-DVD)

Diese Blu-ray-Disc bei Amazon kaufen.
Als DVD bei Amazon kaufen.
Als Doppel-DVD bei Amazon kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.