Wie die Welt aufwächst

Die Eindrücke des ersten Lebensjahres sollen für den Menschen besonders prägend sein, behaupten Verhaltenspsychologen. Wie man die Entwicklung in dieser Phase jedoch am besten beeinflusst – hier gehen die Meinungen stark auseinander. Thomas Balmès hält für seinen Dokumentarfilm Aufnahmen von vier Babies fest, die in vier verschiedenen Ländern zur Welt kommen und ihre ersten Lebenserfahrungen machen: Ponijao aus Namibia, Mari aus Japan, Bayar aus der Mongolei und Hattie aus den USA. Erstaunlich ist dabei, wie wenig die Erziehung mit der bewussten Entscheidung zu tun hat und wie sehr man durch den sozial und ökonomisch bedingten Lebensstil „erzieht“. „Wie die Welt aufwächst“ weiterlesen

Die kinematografische Unschuld der Kinder

Sich Horrorfilme zusammen mit Kindern anzuschauen bedarf schon eines sehr ausgefeilten medienpädagogischen Konzeptes oder Erziehungsprogramms. Das Weltwissen von Kindern reicht nicht aus, um viele der Genre-Motive verstehen zu können, ihre Selbstsetzung als Subjekt, das sich von den Objekten der Welt abzugrenzen in der Lage ist, ist noch zu unvollständig, um den Horror nicht über die Maßen als Bedrohung für die eigene Existenz zu empfinden – erst recht, wenn darin die Erwachsenen als Instanzen der Sicherheit und des Vertrauens so nachhaltig beschädigt werden. Umso erstaunlicher ist es vor diesem Hintergrund eigentlich, dass es so viele Filme gibt, in denen von den Kindern selbst der Horror ausgeht und die damit eben auch auf Kinder als Darsteller zurückgreifen müssen. In den entscheidenden Situationen werden die kleinen Schauspieler dann mit Handlungen konfrontiert, die sie auf der anderen Seite der Leinwand besser gar nicht sehen sollten. In Tom Shanklands neuem Horrorfilm „The Children“ wird aus dieser vermeintlichen Diskrepanz ein ästhetisches Prinzip gemacht.

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Verfemte Transgressionsutopie

Bevor sich Bryan Singer in das Superhelden-Genre begab („X-Men 1 + 2“, „Superman Returns“, „Valkyrie“), lieferte er eine Reihe exzellenter Filme ab, neben dem vielbeachteten „The Usual Suspects“ (1995) auch den kaum beachteten „Apt Pupil“ (dt. Der Musterschüler, 1998) nach einer Geschichte aus Stephen Kings einflussreicher Novellensammlung „Different Seasons“ (dt. „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“, 1982), die schon Vorlagen für weitere bemerkenswerte Filme geliefert hatte („Stand by me“, „Shawshank Redemption“). Eine weitere, inoffizielle, freie Adaption von „Apt Pupil“ lieferte aber bereits 1986 der spanische Regisseur Agustí Villaronga mit seinem kontrovers diskutierten Spielfilmdebüt „Tras el Cristal“ ab, der weniger Interesse an der psychologischen Zeichnung seiner Figuren im Spannungsfeld von Homophobie und –erotik hat, sondern sich stärker der unbequemen Transgressions-Uto/-dystopie, die in der Vorlage stellenweise anklingt, widmet.

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Vorsicht! Spielende Kinder

Im spanischen Original fragt der Titel: ¿Quién puede matar a un niño? – also: „Wer kann (schon) ein Kind töten?“. Diese Frage beantwortet der Film in den ersten sieben Minuten des Filmes sehr deutlich, wenn uns im Schnelldurchlauf anhand von Ausschnitten aus amerikanischen Wochenschauen das Jahrhundert, das noch so hoffnungsvoll mit Ellen Keys „Das Jahrhundert des Kindes“ (1902) eingeläutet wurde, als ein Jahrhundert des Kindes als Opfer von Krieg und Hunger – Nöten also, die von uns Erwachsenen verursacht sind – präsentiert. Vor diesem Hintergrund erhalten die Ereignisse des Films auch eine vage Erklärung – eine Erklärung die im deutschen Erst-Release des Filmes weggekürzt wurde. Der deutsche Titel damals, „Tödliche Befehle aus dem All“, reicht die Ursache des Konfliktes zwischen Erwachsenen und Kindern an ein Drittes, an eine außerirdische Macht, weiter. „Vorsicht! Spielende Kinder“ weiterlesen

Die Wurzeln des Bösen

Man ist verleitet, einen Film, der, wie „Acacia“, das Thema Familie so eng an das Motiv eines Baums koppelt, auf der symbolischen Ebene zu lesen und vielleicht Metaphern wie den „Stammbaum“ oder die „familiären Wurzeln“ als Strukturprinzipien der Erzählung auszumachen. Bei „Acacia“ wäre ein solches Vorgehen jedoch zu nahe liegend und würde vielleicht dazu führen, viele Facetten des Films zu übersehen oder unterkomplex und klischeehaft zu deuten. Dass man überhaupt zu solch einer Lektüre verführt wird, liegt zum einen am Untertitel, den der Verleiher e-m-s dem koreanischen Film gegeben hat (eben: „Wurzeln des Bösen“), andererseits daran, dass in „Acacia“ viele Stil- und Motivtraditionen des westlichen Kinos aufgegriffen und mit denen des ost-asiatischen Geisterfilms amalgamiert werden.
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Mein Engel

Still geworden ist es um Vanessa Paradis, die einstmalige Femme fragile und Lolita der französischen Popmusik. Außer ein paar kleinen Auftritten in Kino- häufiger aber TV-Produktionen zaghaften Versuchen an die Gesangskarriere der 80er Jahre anzuknüpfen (die dann aber auch vor ein paar Jahren aufgegeben wurden), ist die Ehefrau von Johnny Depp kulturell nicht in Aktion getreten. Dass man sie jetzt für Serge Friedmans „Mon Ange“ wieder ausgegragen hat, ist ein Glücksfall.

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Leichen im Keller

Zwei tragende Themen gibt es in diesem Film: Die Erinnerung (oder sagen wir: die Vergangenheit) und das „Dahinter“. Und natürlich besteht ein Zusammenhang: Was, wenn sich etwas hinter der Erinnerung an die Vergangenheit verbirgt? Eine Vergangenheit etwa, an die sich nicht erinnert werden will. Verdrängung also, Sigmund Freud, all diese Dinge. „Leichen im Keller“ weiterlesen