Jaa-Markt der Eitelkeiten

„Wer am lautesten schreit, hat Unrecht.“: ein typischer Elternsatz, den wahrscheinlich jedes Kind irgendwann einmal zu hören bekommen hat und der ohne Frage einen wahren Kern enthält – Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Wirft man aber einen Blick in E-Mails, Forenbeiträge oder Blogkommentare, kommt man kaum umhin, anzunehmen, dass sich diese Erkenntnis ins Gegenteil verkehrt hat: Nicht die Qualität der Argumente zählt, sondern die Zahl der verwendeten Ausrufezeichen, Großbuchstaben und Beleidigungen. Was das mit „Ong-Bak 3“ zu tun hat? Auch ihm liegt der Irrglaube zugrunde, dass inhaltliche Mängel durch formalen Überfluss ausgeglichen würden, dass sich die gewünschten Emotionen beim Zuschauer schon einstellten, wenn man ihn nur beharrlich genug bedrängt und anschreit. „Ong-Bak 3“ ist das filmische Äquivalent zur Caps-Lock-E-Mail.

Der Räuber Tien (Tony Jaa) wird vom bösen Lord Rajasena und dessen Männern zu Tode gefoltert, nachdem er am Ende von „Ong-Bak 2“ von diesem gefangen genommen wurde. Doch Mönche erwecken seinen geschundenen Körper zu neuem Leben. Dank Meditation und Tanz erlangt Tien seine Kräfte zurück und tritt an, um sich an seinem Peiniger zu rächen …

Es ist mittlerweile sieben Jahre her, dass „Ong-Bak“ erschien und nicht nur seinen Hauptdarsteller Tony Jaa, sondern auch den thailändischen Actionfilm zu einer hoffnungsvollen Marke machte. Mit seinen Muay-Thai-Künsten und einer fast lebensmüden Tollkühnheit, die an Jackie Chan zu seiner Hochphase erinnerte, bewarb sich Jaa lautstark für das internationale Actionfilm-Geschäft, während sich im Martial-Arts-Kino eine Wachablösung anzukündigen schien. Der zwei Jahre nach „Ong-Bak“ erschienene „Revenge of the Warrior“, der in Deutschland sogar einen Kinostart erhielt, erfüllte die hohen Erwartungen und auch der ohne Beteiligung von Jaa entstandene „Born to Fight“ bot die rasanten, spektakulären Actionchoreografien, die man so zu schätzen gelernt hatte. Doch danach riss der Erfolgsfaden jäh ab: Aus dem angekündigten US-Film von Jaa wurde nichts und mit dem enttäuschenden „Ong-Bak 2“ schlug der thailändische Actionfilm – und mit ihm die Zuschauer – unsanft auf dem Boden der Tatsachen auf. „Ong-Bak 3“ setzt den im Vorgänger begonnen Abwärtstrend mit geradezu erschreckender Konsequenz fort, erzählt seine banale Rachgeschichte ohne jedes Gespür für Rhythmus und Timing und mit einem unangenehmen Ernst, der die 95 Minuten zur Tortur werden lässt.

Es mögen lediglich interkulturelle Hürden sein, die „Ong-Bak 3“ für westliche Zuschauer geradezu hermetisch versperren und den emotionalen Zugang, den die Regisseure Tony Jaa und Panna Rittikrai mit allen Mitteln erzwingen wollen, verhindern: Seine Geschichte bleibt mit ihren zahlreichen Ausflügen in Buddhismus und Magie trotz ihrer Einfachheit ebenso unnachvollziehbar wie die Konflikte der Figuren. Weil die aber im Zentrum des Films stehen, der erst nach langen 50 Minuten seine erste große Actionszene aufbietet und offensichtlich nicht als Actionfilm, sondern als ernstes, bewegendes Drama wahrgenommen werden will, scheitert „Ong-Bak 3“ auf ganzer Linie. Und dieses erzählerische Unvermögen wird durch den Übereifer, der in der formalen Gestaltung des Films zum Ausdruck kommt, noch potenziert. Die Kluft, die sich zwischen dem ratlosen Zuschauer und dem Film auftut, wird umso größer, je mehr auf Bild- und Tonebene die totale Mobilmachung geprobt wird. Der Effekt der monochromatisch zwischen Grün- und Orangetönen changierenden Farbpalette des Films nutzt sich bereits nach kürzester Zeit ab und nervt dann ebenso wie der tosende Score, dem Subtilität und Zurückhaltung ein Graus sind. Kitschige Weltmusik mit engelsgleichen Ethnostimmen in den besinnlichen Szenen wird abgelöst von martialisch-pathetischem Percussionsgestampfe, das pünktlich erklingt, wenn es ans Eingemachte geht, und die Kamera liefert dazu Bilder, die in ihrem Stilwillen irgendwo zwischen Tourismuswerbung und Propaganda angesiedelt sind. Als Zuschauer fühlt man sich regelrecht bevormundet, weil die Inszenierung keinerlei Spielraum für eigene Emotionen lässt. „Ong-Bak 3“ wäre kaum direkter, wenn er die vom Zuschauer erwarteten Reaktionen per Untertitel einblendete.

Nun mag man einwenden, dass auch „Ong-Bak“ und „Revenge of the Warrior“ nicht gerade als tiefsinnig und anspruchsvoll durchgehen, aber sie machten das Beste aus ihren offenkundigen Defiziten, weil sie sich auf das konzentrierten, was sie von allen anderen Actionfilmen abhob: irrwitzige Stunts und krachende Martial-Arts-Fights, die zudem mit viel Sinn für jene Dynamik überhaupt erst erzeugende Übersichtlichkeit inszeniert waren, die US-Produktionen mit ihrem Schnittgewitter oft abgeht. Die viel zu wenigen Actionszenen von „Ong-Bak 3“ bieten aber leider nur noch einen müden Aufguss des schon enttäuschenden zweiten Teils, lassen jede Kreativität vermissen und muten nurmehr wie lästige Pflichterfüllung an. Verflogen ist die Freude, die man Jaa ansehen konnte, wenn er die Naturgesetze und die Limitationen des menschlichen Körpers mit spielerischer Leichtigkeit überwand. Vielleicht reizt ihn das wirklich nicht mehr, ist es ihm nur noch eine Last, immer noch an seine Physis gebunden zu sein, diese mit jedem dem Teufel ins Antlitz lachenden Stunt nur wieder aufs Neue zu belegen. Doch er scheint zumindest zu ahnen, dass er jenseits seines Körpers nichts hat, was er in die Wagschale werfen kann. Sonst hätte er jedenfalls keinen Grund, so zu schreien.

Ong-Bak 3
(Thailand 2010)
Regie: Tony Jaa, Panna Rittikrai; Drehbuch: Tony Jaa, Panna Rittikrai
Darsteller: Tony Jaa, Sorapong Chatree, Nirut Sirichanya
Länge: 95 Minuten
Verleih: Splendid

Zur DVD von Splendid Entertainment

Splendid veröffentlicht „Ong-Bak 3“ in der Reihe „Amazia“ als Special Edition mit zwei DVDs und Wendecover. Die Bonus-DVD enthält allerdings lediglich Interviews von insgesamt rund 30 Minuten Länge. Bild- und Tonqualität sind gut.

Bild: 2,35:1 (anamorph/ 16:9)
Ton: Deutsch, Thailändisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Niederländisch
Extras: Trailershow, Interviews
Freigabe: FSK 18
Preis: 15,99 Euro

Diese DVD bei Amazon kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.