Berlinale 2011 – Konventionellerweise unkonventionell

Oliver Tate (Craig Roberts) ist ziemlich gut in der Schule, was sich folgerichtig in einem nicht besonders guten Ruf niederschlägt. Abends liest er in Wörterbüchern oder stellt sich vor, wie die Welt reagieren würde, wenn er stürbe. Geht es auf dem Schulhof einmal ruppig zu, ist der intellektuell überentwickelte 15-Jährige meist der Unterlegene. Auch in sozialen Situationen wirkt der etwas verklemmte Junge nicht immer souverän. Diese Mischung aus geistigem Überflieger und emotionalem Analphabeten nutzt „Submarine“ als Basis für viel Situationskomik und Wortwitz. Aus dem Off schildert Oliver mit lakonischen Kommentaren seine Perspektive auf die Welt – wobei die Welt für ihn vor allem aus Klassenkameradin Jordana (Yasmin Paige) besteht. Jordana ist ganz anders als Oliver und vielleicht gerade deshalb für ihn so interessant. Sie ist selbstbewusst, verführerisch und – wie Oliver bald feststellen wird – hasst Romantik. Regisseur Richard Ayoade (Schauspieler in der Serie „The IT Crowd“) gelingt in den ersten beiden von insgesamt drei Kapitel ein schönes Bild der Euphorie und Unsicherheit einer ersten Liebe.

Doch kaum lässt die in Liebesdingen erfahrene Jordana ihren neuen Freund hinter ihre coole Fassade blicken, da hat Oliver selbst plötzlich ganz andere Prioritäten, als seine Freundin beim Umgang mit der Krebs-erkrankung ihrer Mutter zu unterstützen. Die erstarrte Ehe seiner Eltern scheint kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Das weiß er, da er regelmäßig „Routinedurchsuchungen“ der elterlichen Schränke durchführt und anhand einer ausgeklügelten Methode bestimmen kann, dass die Beiden seit über einem halben Jahr keinen Sex mehr hatten. Sein weltfremder Vater (Noah Taylor) interessiert sich nur für Fische und schenkt Oliver unbeholfen ein paar Musikkassetten für den Beginn und auch schon gleich mal das Ende seiner ersten Beziehung. Die Mutter (Sally Hawkins) hält ihren Sohn für psychisch gestört und erweist sich selbst als nur scheinbar frigide, als sie ihre Ehe durch enger werdende Kontakte zum esoterischen Showmaster von nebenan aufs Spiel setzt.

„Submarine“ ist eine trockene, mitunter auch schwarze Coming-of-Age-Komödie über die vielen kleinen, groß wirkenden Dramen während der hormonellen Berg-und-Tal-Fahrt zwischen Jugend und Erwachsenenalter. Ayoade verpasst dem inhaltlich gelungenen Film durch formelle Verspieltheit einen sehr dynamischen Look, wenn er Olivers Imaginationen (der eigene Tod; ein im Voraus gedrehtes Highlight-Reel seiner Beziehung zu Jordana) visualisiert oder den Protagonisten in seinem Voice-over-Kommentar immer wieder darauf anspielen lässt, dass er Teil eines Films ist und die Kamera dann auf die Befehle der Hauptfigur reagiert. „Submarine“ unterhält zu jeder Zeit gut und auf hohem Niveau. Zwar ist der Film um einiges vom ganz großen Wurf entfernt, da er vieles, was im Coming-of-Age-Bereich bereits gemacht wurde, wiederholt. Aber als Debütfilm kündigt er Richard Ayoade als einen talentierten jungen Regisseur an, der die Welt der fast schon konventionellen Unkonventionalität spezifisch britischer Komödien in Zukunft aufrechterhalten und weiterentwickeln könnte.

Submarine
(GB 2010)
Regie: Richard Ayoade; Drehbuch: Richard Ayoade, Joe Dunthorne (Roman); Kamera: Erik Wilson; Schnitt: Chris Dickens, Nick Fenton; Musik: Andrew Hewitt; Darsteller: Craig Roberts, Yasmin Paige, Sally Hawkins, Noah Taylor, Paddy Considine;
Länge: 94 Min.
Verleih: Protagonist Pictures

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