»I had a Dream«

Die besten Ideen kommen Gustave Klopp (Guillaume Canet) – kurz: Gus – im Schlaf. Und davon hat er mehr als genug, denn Gus ist Narkoleptiker. Wo er steht und geht fällt er unvermittelt in tiefen Schlaf. Das führt dazu, dass er seit Jahren keinen Job hat und auf Kosten seiner Frau Paméla (Zabou), zusammen mit deren Sohn aus erster Ehe (Vincent Rottier) lebt. Paméla hat ihr „halbes Leben“ langsam satt: tagsüber schläft Gustave und kommt seinen Pflichten als Ernährer nicht nach, nachts ist er wach, aber nicht im Schlafzimmer und kommt seinen Pflichten als Ehemann nicht nach. Und so schaut sich Paméla bereits nach einem neuen Gefährten um, als Gus eine traumhafte Idee in die Tat umzusetzen versucht: Seine in den narkoleptischen Phasen durchlebten Träume sind besonders schillernd, witzig und unterhaltsam und inspirieren den Träumer, daraus Comics zu machen.

Tristan Aurouets und Gilles Lellouches Komödie über den Außenseiter Gus und dessen Leben wirft einen gleichzeitig bitteren und heiteren Blick auf das Leben des chronisch Kranken: Die Existenz, die sein Leiden ihn zu führen zwingt, stößt bei seiner Umwelt auf Ablehnung, das beste, was er daraus machen will, nämlich Comics zeichnen, umso mehr. Immer wieder sind es Szenen großer emotionaler Anspannung, in denen Gus einfach umfällt und einschläft – um dann in seinem imaginären Paralleluniversum ganz ähnliche Situationen in anderem Ambiente zu durchträumen: Da werden dann auch schon einmal aus Familienstreits Kriegsszenarien und aus Dosenbierkäufen Star-Wars-Adaptionen. Die Intensität von Gus’ Träumen inszeniert der Film in fulminanten Szenen und auch die später daraus entstehenden Comic-Szenen lassen den innerfilmischen Betrachter nicht kalt.

Gus’ Geschichte könnte nun ein schönes Ende nehmen: Er ist ein berühmter Comic-Zeichner und findet auf diese Weise soziale Bestätigung. Wenn da nicht sein Therapeut Samuel Pupkin (Guillaume Gallienne) wäre, der als junger Mann selbst einmal versucht hat, in der Comic-Branche Fuß zu fassen. Auf Gus neidisch ersinnt er einen Mordplan: Er engagiert zwei abgehalfterte Eistanz-Stars, die Gus mit dem Auto überfahren sollen. Sie erreichen ihr Ziel aber nur beinahe: Gus liegt im Koma und plötzlich wird er „entdeckt“: Seine Frau, die sich mittlerweile mit Gus’ bestem Freund Lenny (Benoît Poelvoorde) eingelassen hat, verhökert die unfertigen Comics an Samuel. Dieser gibt sie als sein eigenes Werk aus und in einem dubiosen Verlagshaus heraus. Bald stellen sich für alle Beteiligten Geld und/oder Ruhm ein. Nur nicht für Gus. Doch der erwacht unerwartet aus seinem Koma und beginnt sofort wieder Normalität herzustellen.

„Narco“ ist eine wirklich erfrischende Komödie, die gleichzeitig ein Bild auf die französische Unterschicht und die Kulturproduktion im Allgemeinen wirft. Man muss dem Film sehr zu Gute halten, dass er aus seinen Protagonisten eben keine reinen Witzfiguren macht, sie nicht für billige Gags missbraucht, sondern in ihren Emotionen und „Träumen“ ernst nimmt. So ist etwa Gus’ Freund Lenny (ein Wiedersehen mit dem Killer aus „Mann beißt Hund“) ein leidenschaftlicher Jean-Claude-van-Damme-Fan und vom Wunsch beseelt, dem französischen Karate zu Weltklasse zu verhelfen. Seine Bemühungen sind urkomisch und tragisch gleichermaßen und wenn er allein in seinem Trailer sitzt und mit dem imaginierten van Damme (der sich für einen Gastauftritt in „Narco“ zur Verfügung gestellt hat!) Zwiesprache hält, dann bekommt der Film sogar regelrecht moralische Tiefe. Sicherlich ist „Narco“ kein komödiantischer Höhepunkt, aber das, was er will, erreicht er mühelos: Er ist unterhaltsam, streckenweise extrem komisch und kritisch-selbstreflexiv; ein Film für einen netten Abend allemal.

The Adventures of Gustave Klopp
(Narco, Frankreich 2005)
Regie: Tristan Aurouet & Gilles Lellouche, Buch: Gilles Lellouche, Musik: Sebastien Tellier, Kamera: Tetsuo Nagata, Schnitt: Samuel Danési & Vincent Montrobert
Darsteller: Guillaume Canet, Zabou, Benoît Poelvoorde, Guillaume Gallienne, François Berléand, Jean-Pierre Cassel u.a.
Länge: 106 Minuten
Verleih: Koch

Die DVD von Koch Media

Die DVD von Koch ist schon allein deshalb ein Segen, weil es sie gibt. Dass ein Film wie „Narco“ hierzulande nicht ins Kino kommt, ist schon unverständlich – hat er doch wirklich alles, was das neue französische Kino (für das ja auch Namen wie Jean-Pierre Jeunet stehen) so faszinierend macht: erfrischende Geschichte, trickreiche Kamera- und Montage-Arbeit und vor allem liebevoll gestaltete Charaktere. Die Aufmachung der DVD-Edition spiegelt dessen Ästhetik wider: ein buntes, leicht verwirrendes Menü, unterlegt mit dem Schluss-Musiktitel des Films. Bild und Ton können sich sehen und hören lassen; vor allem die Farbsättigung des Bildes kommt der des Kinofilmes sehr nahe, was für den märchenhaften Charakter des Films besonders wichtig ist.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 16:9 (1:2,35) anamorph
Ton: deutsch (DTS, DD 5.1), französisch (DD 5.1)
Extras: Original Trailer, Making of mit Interviews, 4 Teaser und Trailershow
Länge: ca. 105 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
Preis: 17,99 Euro

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