Wenn der Instinkt trügt

Catherine Tramell (verkörpert von Sharon Stone) ist als eine der geheimnisvollsten Frauengestalten in die Geschichte des populären Kinos eingegangen. „Ich verrate doch nichts, nur weil ich einen Orgasmus habe“, – lautete ihre berühmte Sentenz aus „Basic Instinct“ (1992). Dadurch hat sie eine Reihe der geschlechtsgebundenen Stereotype in Frage und auf den Kopf gestellt, unter anderem den Mythos über den weiblichen Kontrollverlust beim (leidenschaftlichen) Sex. Sie hatte Spaß und sie hatte Kontrolle! Dieses subversive Szenario hat der Film freilich dadurch entschärft, dass er aus Catherine eine männermordende Bestie machte und ihr ganzes Verhalten somit als eindeutig pervers denunzierte. Seine einzigartige Spannung schöpfte „Basic Instinct“ jedoch aus der Tatsache, dass Catherines Figur die ganze Zeit ambivalent blieb und ihre Schuld bis zum überraschenden Schluss nicht geklärt war.

Diese Ambivalenz ist im Teil 2 nun nicht mehr gegeben, da der Zuschauer ja aus dem ersten Teil das Wissen über die Vorliebe der (Anti)Heldin für mörderische Spielchen mitbringt. Was früher noch ein Anlass für unsicheres Raten war, ist jetzt ein klarer Fall für den Psychiater, der bereits zu Anfang in einem wohl begründeten Gutachten seiner Patientin eine pathologische Risikosucht bescheinigt. Die ehemalige femme fatale kann ihr Geheimnis nicht länger wahren und muss mit offenen Karten spielen. Als fatal erweist sich hier dagegen nur die Absicht der Filmemacher, das Erfolgsrezept des Originals fleißig zu kopieren. Beinah jedes markante Detail aus dem Prequel wird übernommen und dabei nur unbedeutend variiert: eine lesbische Beziehung (diesmal recht unbeholfen angedeutet), hemmungslose Sexszenen (deren Hemmungslosigkeit sich leider immer noch an den Maßstäben vom Anfang der 90-er orientiert), Catherines provozierendes Auftreten (sogar der Verstoß gegen das Rauchverbot im öffentlichen Gebäude wird zitiert) und natürlich das zum Teil selbstverschuldete Leiden des verführten Gegenspielers (hier in Gestalt des schon erwähnten Psychiaters Dr. Michael Glass, gespielt von David Morrissey). Während Catherine im ersten Film die Zuschauererwartungen konsequent unterlief, lässt ihr das neue Drehbuch keine andere Chance, außer sie komplett zu erfüllen, was die Spannung fast völlig ruiniert. Für etwas Aufregung sorgt allein die Tatsache, dass Sharone Stone in den vergangenen 14 Jahren kaum älter geworden ist. Wie sie das wohl geschafft hat, ist wahrscheinlich das einzige Geheimnis, das das Publikum während der Filmvorführung noch zu fesseln vermag.

Als Thriller will „Basic Instinct 2“ also nicht richtig funktionieren. Dafür verstrahlt er einen gewissen Reiz als Psychogramm. Aus dieser Perspektive kommt dem Film sogar zugute, dass Catherines Innenwelt transparenter geworden ist. Denn jetzt hat die extravagante Millionärin zumindest ein Problem, das fast jeder moderne Mensch nachvollziehen kann: Angst vor der Langeweile, die sie zu immer extremerem Risikoverhalten antreibt. Das ist eine gute Voraussetzung, um die Figur menschlicher und glaubwürdiger zu machen. Leider verspielt der Film bald auch diese Chance, indem er Catherines Böswilligkeit mit fortlaufender Handlung geradezu ins Monströse steigert und jede – auch partielle – Identifikation mit der Hauptigur verunmöglicht. Zugleich hat Catherines Rebellion gegen die gesellschaftlichen Normen aber immer etwas Konservatives an sich, da sie sich bezeichnenderweise fast ausschließlich auf die von der Gesellschaft akzeptierten Formen, sich „das gewisse Kick“ zu verschaffen, beschränkt: schnelles Autofahren, Sexclub-Besuche, ausgefallene Sexualpraktiken. Mit dem Morden treibt sie es zwar eindeutig zu weit, aber ansonsten ist ihr Handeln von konsumorientierten Denkmustern bestimmt. Ist Catherine Tramell vielleicht nur eine (zu) perfekte Bürgerin, die die Prinzipien der Marktwirtschaft zu ernst genommen und sich einfach zu viel geleistet hat? Jedenfalls würde diese Frage ihren Psychiater vermutlich noch mehr in Verlegenheit bringen, als die sexuellen Fantasien, die Catherine während der Sprechstunde so freizügig gesteht.

Basic Instinct: Neues Spiel für Catherine Tramell
(Basic Instinct 2: Risk Addiction, USA 2006)
Regie: Michael Caton-Jones; Buch: Henry Bean, Leora Barish; Kamera: Gyula Pados; Musik: Jerry Goldsmith, John Murphy, John Scott; Schnitt: John Scott
Verleih: Constantin
Länge: 114 Minuten

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