Der Mann ohne Vergangenheit

Blue Moon, Österreich 2002, Andrea Maria Dusl

Man hätte diesen Film auch ganz anders inszenieren können: Ein Mann, von dessen Vergangenheit wir wenig – ja gar nichts, eigentlich – wissen, verbockt eine Geldübergabe, deren Hintergründe wir nicht kennen. Eine so schöne wie geheimnisvolle Frau rettet ihn aus dieser misslichen Situation, dem folgt eine Irrfahrt quer über den (ost-)europäischen Kontinent, an deren Ende es doch nur noch um eine Sache gehen kann: Dass beide sich, wie auch immer, kriegen. Man hätte ein Genre-Einerlei draus machen können, mit etwas Action hier und da, mit etwas behaupteter Dramatik und Sentiment. Einen Film wie viele andere auch: Schnell gedreht, gesehen, vergessen. Regisseurin Andrea Maria Dusl hat sich anders entschieden. Zum Glück. „Der Mann ohne Vergangenheit“ weiterlesen

Der Kollaps des White Trash

Spun, USA/Schweden 2002, Jonas Åkerlund

Jonas Åkerlund lässt in Spun die Zeichenwelt des White Trash förmlich implodieren. Vielleicht ist ja seine Vergangenheit als Schlagzeuger des schwedischen Black-Metal-Urgesteins BATHORY in den 80ern Jahren die beste Voraussetzung hierfür. War es doch diese, ironischerweise, wohl weißeste aller Musikspielarten, die den erdigen, ehrlichen Rock wieder mit Metaphysik und einem Spiel mit den Zeichen auflud und sich, für viele Anhänger, als Ersatzreligion installierte. Es mag wirklich diesem biografischen Detail geschuldet sein, dass sich SPUN souverän in erster Linie – auch mittels eines hektischen, nervösen Schnitts – auf die zeichenhaften Details der Alltagskultur jenes White Trash konzentriert. „Der Kollaps des White Trash“ weiterlesen

Wieder ein Tag, warum auch nicht

Allzu weit ist Leander Haußmann nicht vorwärts gekommen. Vor vier Jahren ließ er in der Sonnenallee seine Ostalgie-Komödie gleichen Namens spielen, und nun hat er sich für seinen neuen Berlin-Film nur wenige Kilometer weiter bewegt. Angekommen ist er in Kreuzberg, genauer gesagt im SO-36-Kiez, was für Berliner noch heute eine nicht unwichtige Differenzierung darstellt. In den 80er Jahren jedenfalls war dieser Stadtteil die bundesrepublikanische Diaspora aller Verweigerer der Steigerung des Bruttosozialproduktes. Mit zeitlichem Abstand und verklärtem Blick betrachtet, will man meinen, dass dort jeder irgendwie als Künstler durchgehen konnte, ob er nun musizierte, malte, tapfer trank oder Häuser besetzte – waren doch irgendwie alles artverwandte Disziplinen. „Wieder ein Tag, warum auch nicht“ weiterlesen

GOOD BYE, LENIN!

Während die PDS um ihre letzten Mandate im Bundestag zu kämpfen hat, ist die Zeichenwelt der DDR endgültig im Zitatenhimmel des Pop angekommen. Diesen Schluss legt zumindest Wolfgang Beckers GOOD BYE, LENIN! nahe: Auf 79 Quadratmetern schönster Plattenwohnung muss Alexander Kerner (Daniel Brühl) die DDR für seine Mutter wiederbeleben, denn die ist, nach der Flucht des Gatten in den Westen vor vielen Jahren, stramme Sozialistin geworden, im idealistischen Sinne natürlich, zu einer Parteibonzin hat der Mut des Drehbuchs nicht gereicht, und hat obendrein die Wende, nach einem Herzinfarkt kurz zuvor, im Koma verbracht. Der womögliche Schock, sich nicht mehr im sozialistischen Vaterland zu befinden, sondern nunmehr den Klauen des Klassenfeindes ohne territoriale wie soziale Rückzugsmöglichkeit ausgeliefert zu sein, könnte einen 2. Infarkt provozieren und somit das Leben kosten. Soweit die Grundvoraussetzungen der Geschichte.
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LAST SCENE

Japan in den späten Sechzigern: Die letzte Klappe ist gefallen, die letzte Szene gedreht – Superstar Keiko zieht sich aus dem Schauspielbusiness zurück. Sehr zum Ärger ihres Counterparts, dem etwas jüngeren, hoffnungsvollen Ken Mihara, der sich der bitteren Tatsache, dass seine Karriere in vollkommener Abhängigkeit von Keiko ermöglicht wurde und auch nur in dieser fortzusetzen ist, natürlich voll bewusst ist. Desillusioniert hinsichtlich seiner weiteren Laufbahn wird er nicht nur bockig, sondern auch anmaßend, tyrannisiert die Crew am Set, flüchtet sich in den Alkohol, fällt über junge Schauspielerinnen her, zerstreitet sich mit seiner Gattin – ein gerade erst aufgegangener Stern und doch ist er schon wieder am Sinken.
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