Sekai no Owari

Die ersten Bilder zeigen Bäume, Laub, durch dieses hindurch scheinendes Licht. Ein kleines Funkeln entsteht, so beiläufig, dass es bewusst ins Bild gesetzt sein oder sich zufällig ergeben haben könnte. Dieses Spiel mit dem bewusstem Understatement und dem Zufälligen ist charakteristisch für diesen sanften Film, der gemächlich plätschert, aber nie selbstgefällig wird. Man kann sich aussuchen, wie man die kleinen Details und Begebenheiten auffasst, nie wird man mit Sinn, Bedeutung, Atmosphäre erschlagen. Ein Film, der sich von Moment zu Moment hangelt, mit dem man sich anfreunden mag oder auch nicht, den man vielleicht so oder ähnlich auch aus dem eigenen Leben kennt. Es sind Angebote, aber nie verbindliche, von denen gar Freundschaften abhängig wären. Eine sympathische Grundhaltung, eine filmische Gemütlichkeit, der jeglicher Muff des Behäbigen fehlt. Man kennt diese Haltung bereits, aus einem anderen, ähnlich grundsympathischen und behutsamen Film, aus Kasei no Kanon (filmz.de) nämlich, der vor drei Jahren im gleichen Rahmen zu sehen war und von der selben Regisseurin stammt: Kazama Shiori, an die man sich als quirlig-kleine, junge Filmemacherin mit ausgelatschten Lederstiefeln erinnert. Schön, dass das Forum Beziehungen pflegt und den Werdegang junger Künstler, die in seinem Rahmen vorgestellt wurden, auch weiterhin im Auge behalten werden.

Im Kern geht es um die junge Haruko und den leichtlebigen Shinnosuke. Und es geht im weiteren um die Personen, von denen die beiden umkreist werden. Es geht um die Umstände, warum die beiden sich zwar irgendwie haben – zum Beispiel beim gemeinsamen Essen beim Chinesen, wenn man sich mit der sachten Schönheit des eingespielten, aber nicht eingeschlafenen Paares gegenseitig die Leckereien des eigenen Essens zuschiebt, die man selbst nicht mag, der andere aber zu schätzen weiß -, aber sich doch nie kriegen (wobei, sagen wir, das Ende durchaus den Schluss zulässt, dass sich nun endlich gekriegt wurde, vielleicht zumindest). Sie zieht bei ihm ein, zu Beginn, weil ihr Freund sie auf die Straße gesetzt hat. „Bei ihm“, das heißt: In den Bonsai-Laden, den er zusammen mit einem Freund als eine Art „WG-Geschäft“ betreibt. Natürlich kommt man sich näher, in Nuancen, spielt sich gegenseitig nicht immer nur liebevolle Streiche. Doch Haruko hat bald schon einen Neuen, der selbst verlassen wurde und also einsam ist. Shinnosuke kommt nicht in Frage, da der nur Jagd auf Mädchen macht, ihm aber jede Ernsthaftigkeit abhanden geht. Ein Fehler, den er zu spät bemerkt, aber immerhin hat er bald eine andere, mit der er sich tröstet. Der Reigen geht bald von Neuem los, als Haruko auf die Straße gesetzt wird, als des neuen Gefährten Ex plötzlich zurückkehrt. Das geht mit einer Selbstverständlichkeit – „Welcome back home!“ – vonstatten, dass man noch nicht mal den Auszug im Bild sieht. Also zurück in die Butze von Sinnosuke, der nun aber wiederum in einer Beziehung steht …

Wie gesagt, ein Plätschern. Lange Einstellungen, unbewegte Kamera, lange Dialoge. Das lädt ein zum genauer Hinschauen und Mithören. Wie es weitergeht, weiß man eigentlich nie. Es ist ein Präsentieren von Bildern einer verquer sich bildenden Beziehung. Mal ist da trocken lakonischer, nie aber bösartiger Humor, mal ist es schlicht bezaubernd. Zum Beispiel in Szenen der Annäherung: Immer ist da ein Funkeln im Bild, sei es ein Licht im Hintergrund, das sich nähert (ein trotteliger Polizist auf einem Fahrrad), oder aber die Lichtreflexe vom Wasser eines Swimming Pools, das sich über zwei Menschen an dessen Rand legt. Das ist so unprätentiös in den Film hineingelegt, so wenig im Vordergrund, aber doch so stark für den Gesamteindruck, das man sich gerne in diesen Bildern umsieht und auf Reise geht. Und man fühlt sich an den schönen Kasei no Kanon erinnert, an die eine Szene, als die beiden Mädchen, die sich in diesem Film auf Umwegen näher kommen, in den Himmel schauen, um nach den Sternen Ausschau zu halten, während unter ihnen – sie befinden sich auf einer Art Gitterdach – die Lichter der Stadt funkeln, wie Sterne eben selbst, die sie als solche nur erkennen müssten.

Oder dann ein Moment zum Schluss, wenn Haruko und Shinnosuke in einer Fallgrube liegen. Die Welt scheint unterzugehen (in der Tat hört man, wie stets immer nur am Rande, zuvor gelegentlich Radiomeldungen von Selbstmordanschlägen und allerlei anderen Katastrophen, ohne dass natürlich hiermit zwanghaft die Apokalypse beschworen würde) und sie blicken steil nach oben in den Himmel. Sie schließen die Augen und das Bild wird schwarz. Doch die Schwärze bleibt nicht. Da bewegt sich was. Ein leicht roter Schimmer zieht durchs Bild. Wir sehen den Himmel. Durch verschlossene Augen, direkt auf den Augenlidern, die zur Leinwand wurden. Ganz ehrlich: Gab es das schon mal?

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