Pornfilmfestival 2010 – L.A. Zombie Hardcore

Kann man Porno mit sozialer Kritik verbinden? Der kanadische Filmemacher Bruce LaBruce ist jedenfalls seit den Neunzigern durch Produktionen bekannt, die dem schwulen Begehren und dessen lustvollem Ausleben eine politische Dimension geben. In seinem neuesten Film, „L.A. Zombie Hardcore“, der zur Zeit durch diverse Festivals  tourt(allerdings in einer Softcore-Fassung), verwendet er das Untoten-Motiv als Metapher für das Verdrängte einer Überflussgesellschaft, wobei die Bezüge zu George A. Romeros mehrteiligem Zombie-Epos unübersehbar sind. LaBruces Held, von der Ikone der schwulen Pornoszene François Sagat gespielt, ist ein Obdachloser, der ein Doppelleben als Zombie führt, oder auch umgekehrt: ein Zombie, der von Zeit zu Zeit die Gestalt eines Obdachlosen annimmt. Das macht im Übrigen fast keinen Unterschied, da er in beiden Fällen ein Ausgestoßener ist, der sein Dasein außerhalb der etablierten Lebensentwürfe fristet. Egal ob als Stadtstreicher oder als Untoter bleibt er, trotz muskelbepacktem Körper und monströsen Stoßzähnen, unsichtbar, da er sich in keine für die Gesellschaft relevante Rolle einschreiben lässt. Eine Resonanz erhält er nur von denjenigen, die selbst – durch Unfall oder Verbrechen – aus dem (normalen) Leben herausgeschleudert worden sind und sich auf einmal neuen Empfindungen öffnen, die keine Rücksicht auf die sozialen Hierarchien und keine Berührungsängste mehr kennen. Der Zombie darf dabei einen durchaus mythologischen Auftrag erfüllen, der zwischen dem eines Märchenprinzen, der durch körperliche Zuwendung die verunglückte Prinzessin aus dem Todesschlaf erweckt, und dem eines Messias, der seine Hand heilend und erlösend auf die Menschenwunden legt, changiert.

Die Zuwendung beschränkt sich freilich nicht nur auf einen Kuss und es wird nicht nur Hand angelegt, wenn es darum geht, den teilweise sehr versehrten Körpern das neue Leben einzuhauchen. Aber diese Vorbilder muss man doch im Kopf haben, um in den Szenen, die das Penetrieren der Wunden zeigen, nicht bloß eine Provokation zu vermuten. Sobald es allerdings zum „normalen“ Geschlechtsverkehr kommt, der in der Hardcore-Fassung sehr ausführlich gezeigt wird, bekommt man zumindest als heterosexueller (Erst-)Zuschauer zwar immer noch viel Neues zu sehen, aber in solchen Mengen, die kaum aus der Dramaturgie heraus zu rechtfertigen wären. Deshalb ist für das filminteressierte Publikum eher die Softcore-Version zu empfehlen, weniger aus Schamgefühl, sondern um des künstlerischen Gesamteindrucks willen.

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