Charles Kaufmans „Muttertag“ von 1981 genießt vor allem in Deutschland einen gewissen Kultstatus, den ihm wohl nicht zuletzt seine Beschlagnahmung im Rahmen der Horrorvideo-Debatte eingebracht hat. Dennoch hat sich die gallige Satire auf den Way of Life des US-amerikanischen Mittelstands, der sich bis zur Verblödung mit Werbespots, Fernsehserien und Industrienahrung volldröhnt, sich unhinterfragt bevormunden lässt und seinen Gewaltfantasien hingibt, nie wirklich in das Horrorkino seiner Zeit eingliedern lassen. Trotz seiner teilweise herben Gewaltdarstellungen, die ab der Hälfte in den bis dahin recht standardisierten Slasher-Plot einbrechen und ihn zersetzen, ist „Muttertag“ mit seinen Slapstick-Anleihen viel zu reflektiert und konfrontational, um von der konservativen Horrorfilm-Fanschar wirklich geliebt zu werden. In den USA ist er einer von vielen Filmen aus einer für dieses Genre ungemein produktiven Phase, aber eben auch einer, der heute kaum etwas von seiner subversiven Kraft verloren hat. Und insofern verwundert es kaum, dass in Darren Lynn Bousmans nominellem Remake nicht viel vom Original übrig bleibt. Aber Etikettenschwindel ist nicht der schwerste Vorwurf, den sich Bousman für seinen deprimierend dummen Film gefallen lassen muss.
Drei männliche Bankräuber – Brüder – auf der Flucht, einer von ihnen ist schwer verletzt. Ihr Ziel ist das Haus der Mutter (Rebecca De Mornay), doch das ist längst nicht mehr im Besitz der Familie. Ein junges Ehepaar ist dort eingezogen, feiert mit seinen Freunden eine Einweihungsparty, als die Schwerverbrecher ins Haus stürmen. Die Geiselnahme scheint durch das baldige Eintreffen der Mutter, einer ruhigen, aber bestimmt auftretenden Person, die ihre Söhne – und ihre Tochter, die sie begleitet – völlig unter Kontrolle hat, auf ein gutes Ende zuzulaufen. Doch die Gefangenen müssen schmerzhaft erfahren, dass die brutalen Gewalttäter das deutlich kleinere Übel sind …
Wer sich von Bousmans Remake lediglich eine Modernisierung des Originals erhofft hat, der sieht sich sehr schnell eines besseren belehrt. Von Kaufmans Film sind nicht viel mehr als Spurenelemente übrig: eine autoritäre Mutter, deren konservativ-bürgerlichen Wertvorstellungen so weit pervertiert sind, dass die Verbrechen ihrer Söhne dazu gar nicht mehr im Widerspruch stehen, sondern als logische Konsequenz derselben erscheinen, die Namen zweier ihrer Söhne, die Verweise auf die angeblich im Wald hinter dem Haus lebende Queenie, mit denen die Mutter ihre Kinder an sich bindet, sowie ein mit Haushaltsmitteln und Werkzeug verübter Rachemord am Ende. Ansonsten präsentiert sich „Mother’s Day“ als zeitgenössischer Terrorfilmklon, bei dem man sich kaum entscheiden kann, was dem Gelingen des bereits hundertfach erprobten Szenarios mehr im Weg steht: die fürchterlich uninspirierte Inszenierung oder das vor Klischees nur so strotzende Drehbuch, das keine einzige der in der Geschichte angelegten Ideen zu Ende denkt.
Die Familie um die gouvernantenhafte Mutter ist so konstruiert, dass es wehtut, die unzertrennliche Bande, die ihre Mitglieder aneinander bindet, bleibt eine Behauptung, die kaum glaubhaft vermittelt wird, und ihre Opfer sind eine Versammlung egomanischer, sich nie auch nur für eine Sekunde halbwegs vernünftig verhaltender Kotzbrocken, mit einem erstaunlichen Talent, von zwei sich bietenden Handlungsoptionen konsequent die widersinnigste auszuwählen. Es gelingt Bousman also weder, das Zerrbild des sich selbst verabsolutierenden Wertkonservatismus zeichnen, noch demgegenüber den gehobenen Mittelstand als eine Schar von Wölfen im Schafspelz darzustellen: In „Mother’s Day“ sind einfach alle nur Idioten. Ihre kläglichen Versuche, die für beide Parteien missliche Lage zu beenden, erinnert ein bisschen an die Bemühungen eines Armlosen, einen Nagel in eine Wand zu schlagen. Ganz hartes Brot, zumal es auch sonst nichts gibt, mit dem das Auge oder der Verstand sich ablenken könnten: Formell ist „Mother’s Day“ kaum weniger konzept- und lieblos als inhaltlich. Ist das schon die Einheit von Form und Inhalt?
Bousman, der mit der Inszenierung von „Saw II“, „Saw III“ und „Saw IV“ bewiesen hat, dass er mit Kunstblut und Innereien umgehen kann, und seine inszenatorischen Unzulänglichkeiten von einem Editor kaschieren ließ, der auch noch das Ausfüllen einer Steuererklärung mit kunstvollen Rückblenden versehen würde, fällt hier, wo er auf solche billigen Taschenspielertricks verzichtet, vollends auf die Nase. Der Effekt ist dennoch nur ein minimal anderer: Fühlte man sich nach „Saw III“, als sei man in einen Bottich voller Schweinegedärm gefallen, hat man nach seinem „Mother’s Day“ einfach nur schlimme Kopfschmerzen.
Mother’s Day
(USA 2010)
Regie: Darren Lynn Bousman; Drehbuch: Scott Milam; Musik: Bobby Johnston; Kamera: Joseph White; Schnitt: Hunter M. Via
Darsteller: Rebecca De Mornay, Jaime King, Frank Grillo, Warren Kole, Patrick John Flueger
Länge: 112 Minuten