Fans mögen vor „Avatar“, dem neuen, mit nie dagewesenem technischem Aufwand realisierten Film des Technokraten James Cameron, auf die Knie, Kinos angesichts der an sie gestellten technischen Anforderungen hingegen eher in die Knie gehen: Doch aller Hysterie zum Trotz sind Motion Capturing und 3-D-Technologie auf dem besten Weg vom Gimmick zum Status quo des modernen Kinos zu werden. Eine frühe Ausprägung des Motion Capturing, bei dem die Bewegungen von Schauspielern auf computeranimierte Figuren übertragen werden, ist in den im Rotoskopie-Verfahren angefertigten Zeichentrickfilmen von Ralph Bakshi zu bewundern: Er drehte seinen ganzen Film erst mit echten Schauspielern, die er dann im Anschluss im akribischer Feinarbeit Bild für Bild von seinen Zeichnern „übermalen“ ließ. Einer der so entstandenen Filme ist „Feuer und Eis“ der soeben auf DVD erschienen ist.
Von seinem Palast Icepeak im ewigen Eis aus will der böse Nekron mit Hilfe seiner Mutter Juliana die Welt erobern. Langsam kriecht sein Gletscher voran, seine ihm untertänigen Horden metzeln als Vorhut nieder, was sich ihnen in den Weg stellt. Am anderen Ende der Welt blickt Jarol von seiner Festung Firekeep auf die sich nähernde Gefahr aus Eis. Zwischen diesen beiden Polen gelingt es dem Krieger Larn, den Häschern Nekrons zu entkommen. Als Jarols Tochter Teegra entführt wird, liegt es an Larn und dem ihm zur Hilfe kommenden Krieger Darkwolf, sie zu befreien und Nekron aufzuhalten.
Dass Fantasyliteratur und Fantasyfilm das Bedürfnis des modernen Menschen nach einer klaren Trennung von Gut und Böse erfüllen, ist eine Binsenweisheit, die man nicht mehr groß erklären muss. Ob man dieser vielleicht etwas unterkomplexen These beipflichten muss, sei dahingestellt, in Bakshis „Feuer und Eis“ jedenfalls wird der unterstellte Manichäismus nicht einmal mehr ansatzweise verhüllt, stehen sich die Antipoden in Form von Feuer und Eis schon im Titel diametral und unverkennbar gegenüber, wird ihr Konflikt zur alles bestimmenden Antriebskraft. Das von Nekron befehligte Eis breitet sich unerbittlich und alles niederwalzend aus, während die vom Feuer repräsentierten Kräfte des Guten dem in passiver Erwartung gegenüberstehen, bis es zur finalen Auseinandersetzung mit erwartungsgemäßem Ausgang kommt. Diese inhaltliche Einfachheit, die zu verhüllen sich Bakshi kaum Mühe gibt, im Gegenteil ganz ostentativ zur Schau stellt, engt jedoch nicht ein, lässt dem Betrachter vielmehr den Freiraum, sich ganz in der Gestaltung von Bakshis Fantasiewelt zu verlieren. Gemeinsam mit dem berühmten Illustrator Frank Frazetta, dessen martialischen Gemälde muskelbepackter schwertschwingender Krieger, leicht bekleideter und mit üppiger Oberweite ausgestatteter Amazonen, monolithischer Felslandschaften und riesenhafter Urzeitviecher längst Popkulturgut sind, und seiner erprobten Rotoskopie-Technik gelingt Bakshi das Kunststück, ein Gefühl der Fremdartigkeit zu erzeugen, das den Kern der Fantasykultur weitaus besser trifft als der schnöde Authentizitätswahn, dem sich moderne Effektspektakel verschrieben haben.
Die Verbindung der einfach gezeichneten Figuren, ihren flüssigen realistischen Bewegungen, den expressiven und mit kräftigen Pinselstrichen gemalten flächigen Hintergründen sowie den geschickt eingesetzten Licht- und Spezialeffekten erweist sich nicht nur als Augenweide, sondern auch als sehr effektiv hinsichtlich der Erzeugung einer fremdartigen Parallelwelt. Die Welt, die Bakshi und Frazetta in „Feuer und Eis“ kreieren, ist eine Welt veräußerter Emotionen, in der nichts einfach nur da ist, sondern alles einen Sinn, eine Funktion hat, die unserer zwar ähnlich, aber doch vollkommen anders, magisch und rätselhaft ist. Aus dem faszinierenden harmonischen Miteinander von Handwerk und Filmtechnik entsteht etwas, das mehr ist als die Summe der Einzelteile: Es wird sehr deutlich, dass es entgegen dem heute verbreiteten Glauben nicht die dringlichste Aufgabe von Spezialeffekten ist, Realität möglichst originalgetreu zu simulieren. Bakshi und Frazetta setzen ihre künstlerischen Mittel vielmehr zur Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre ein, die die von ihnen erdachte Welt sehr viel treffender repräsentiert, als lebensechte Computeranimationen dies jemals könnten. Der Zauber eines „Feuer und Eis“ besteht nicht darin, dass er uns eine erfundene Fantasiewelt als „real“ verkauft, sondern dass er seine unverkennbar künstliche Welt vor unseren Augen Leben einhaucht.
Feuer und Eis
(Fire and Ice, USA 1983)
Regie: Ralph Bakshi; Drehbuch: Ralph Bakshi, Gerry Conway, Frank Frazetta, Roy Thomas; Musik: William Kraft; Kamera: Francis Grumman; Schnitt: A. David Marshall
Darsteller: Randy Norton, Cynthia Leake, Steve Sandor, Sean Hannon, Leo Gordon
Länge: 81 Minuten
Verleih: Capelight
Zur DVD von Capelight
Capelight präsentiert „Feuer und Eis“ in einer dem fantastischen Inhalt angemessenen „3-Disc Limited Collector’s Edition“, die in einem prächtig gestalteten Buchcover daherkommt. Während DVD 1 den Film samt Audiokommentar und einem hoch interessanten Making of enthält (bei dem man aufgrund des Alters allerdings Abstriche in der Bildqualität machen muss), widmet sich DVD 2 mit der 90-minütigen Dokumentation „Frazetta: Painting with Fire“ dem berühmten Fantasykünstler Frank Frazetta. Auf einem dritten Silberling findet sich zu guter Letzt die BluRay-Version des Films. Als wäre das nicht genug, gibt es im Mittelteil des Buchcovers noch ein 24-seitiges Booklet mit zahlreichen Illustrationen. „Value for Money“ nennt man das wohl. Und wer trotzdem nur den Film haben möchte, kann ihn auch als Einzel-DVD erstehen.
Bild: 1,78:1 (anamorph/16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1), Audiokommentar (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Audiokommentar
Extras: Audiokommentar, Trailer, Making of, Dokumentation „Frazetta: Painting with Fire“, Interviews, Booklet
Freigabe: FSK 12
Preis: 21,95 Euro
Eine Antwort auf „Der Geist aus der Maschine“