Dr. Mabuse, ein Porträt

Dr. Mabuse ist eine der dunklen Gestalten des deutschen Films zwischen den Kriegen. Wie Dr. Caligari, Nosferatu oder der Golem ist er ein Agent des Übernatürlichen. Er ist übermächtig, spricht von sich selbst als einem „Staat im Staate“. Die Weimarer Republik vor der Inflation wird im zweigeteilten Dr. Mabuse, der Spieler als eine Zeit des Spielens gezeichnet. Diese kommt Mabuse entgegen. Seine regelwidrigen Einmischungen reichen bis hin zur Manipulation der Börse. Da erscheint er geradezu als „unsichtbare Hand des Marktes“, die alles regelt, als das Bild seines Gesichts über das Chaos im Börsenhaus geblendet wird.

Seine Mittel sind vorwiegend die Maskierung und Hypnose. Mabuse ist Psychoanalytiker und wirkt im Unbewussten. Er hypnotisiert die Menschen, etwa beim Kartenspiel. Aber auch zu einer Kollektivhypnose ist er fähig. Faszinierend die Szene, als er im Varieté eine Karawane von hinter der Bühne in den Zuschauerraum ziehen lässt. Bei dieser Illusion handelt es sich um einen Trick des Spielers Mabuse ebenso wie um einen von Fritz Lang. Die Macht über die Menschen, das Spielen mit Menschen-Schicksalen um Langeweile zu entgehen – das zeichnet sie beide aus: Mabuse, den Manipulator, und Lang, den Filmregisseur.

Er ist Einheit in der Vielheit. Schon die ersten Bilder zeigen Karten mit den verschiedenen Maskierungen, die wie ein Blatt Spielkarten in einer Hand gehalten werden, der Hand Mabuses. Darauf folgt die Überblendung von diesem Fächer auf sein Gesicht. Interessant ist dabei, wie Mabuse sich in seine Masken hinein leben kann, wie er sie – vom Besoffenen bis zum Professor – ausfüllt, jeder von ihnen ist, ohne er selbst zu sein.

Für uns heute ist der Name „Mabuse“ eine Formel. Dabei ist der Doktor seinen Verfolgern lange nicht bekannt, sondern stets „der große Unbekannte“. Das ist ein Problem des Bezeichnens. Das raunende „E r“ derer, die ihn kennen, wechselt sich mit dem gepressten „W e r ?“ des Staatsanwalts von Wenk ab.

Denn trotz alledem kann dieser frühe Superschurke ohne seinen Gegenspieler nicht sein. Gerade in der Stärke seines Gegenübers zeigt sich erst die Stärke Mabuses. Von Wenk ist der einzige, der seinen hypnotischen Fähigkeiten (und das heißt auch: seinem Charisma) widerstehen kann. Beim „17 und 4“ widersetzt er sich dem Zugang zu seinem Willen mit einem ingrimmigen „Nein!“. Noch früh im ersten Film ist dadurch der Konflikt etabliert, der die Geschichte über insgesamt viereinhalb Stunden trägt.

Die Frauen im Film verleihen diesem erst seine Tragik. Cara Carozza ist unsterblich in den Doktor verliebt, der diese Liebe nicht erwidert. Dessen Begehren wiederum scheitert an Gräfin Told. Tatsächlich verstricken sich alle wichtigen Figuren in ihren Bündnissen – und scheitern daran, auf die eine oder andere Weise. Es kann am Ende nur einen gebrochenen Sieger geben in diesem Film aus der Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg.

Dr. Mabuse, der Spieler
Deutschland 1921/22
Regie: Fritz Lang; Buch: Thea von Harbou, nach dem gleichnamigen Roman von Norbert Jacques
Darsteller: Rudolf Klein-Rogge (Dr. Mabuse), Aud Egede Nissen (Cara Carozza), Gertrude Welcker (Gräfin Dusy Told), Alfred Abel (Graf Told), Bernhard Goetzke (Staatsanwalt von Wenk)


Die DVD-Veröffentlichung des „Zeitbilds“ begeistert. Wenn man sich dem Stummfilm naiv nähert, kann man sich eigentlich nur fragen, wie diese klaren Bilder möglich waren. Solche Arbeit – die der Rekonstruktion – aber auch die der Präsentation kann nur hoch geschätzt werden. Die neu komponierte Filmmusik von Aljoscha Zimmermann verleiht dem schnellen, spannenden Spieler zusätzlichen Schmiss. Zimmermann ist mit einem kurzen Interview in den Features ebenso vertreten wie Michael Farin, der eine kurze Einführung zu Norbert Jacques gibt, dem Erfinder der Mabuse-Figur und Autor der Romane. Hans-Günther Pflaum liefert schließlich eine gelehrige Einführung in die intertextuellen Bezüge des Films.

Die Ausstattung im Einzelnen:

• Bild: PAL, s/w (4:3)
• Ton: DD 5.1 & DD 2.0 (deutsch)
• Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
• Extras: – Bonusfeature von Hans Günther Pflaum „Die Metamorphosen des Dr. Mabuse“, Fotogalerien, Biografien zu 16 Stab- und Besetzungsmitglieder
• FSK: ab 6 Jahren
• Preis: 22,90 Euro

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