Objects in the mirror are closer than they appear

Kim Sung-Hos „Into the Mirror“ von 2003 war ein recht eleganter Beitrag zur bis heute ungebrochenen Welle asiatischer Geisterfilme, der in allerlei Schnörkeln um den im Grunde schlichten Plot herum jede Möglichkeit nutzte, seine zentrale Spiegelmetapher auszureizen und zumindest visuell immer weiter zu treiben. Immer neue Rahmungen, Spiegelungen und Reflexionen zogen dem Betrachter den sicheren narrativen Boden unter den Füßen weg, bis Kim seine Erzählung in einer konsequenten und schlussendlich tieftraurigen Pointe kulminieren ließ. Mit „Mirrors“ legt Alexandre Aja nun seine Variation auf das Motiv für den US-Markt vor – und somit auch sein zweites Remake in Folge.

Aja war 2003 mit „Haute tension“ zur großen Hoffnung des Splatterkinos avanciert, obgleich er dort im Grunde lediglich einer äußerst geradlinigen Erzählung mit einer modischen Schlusswendung einen Anstrich von Cleverness verliehen hatte. Einen weiteren großen Erfolg landete er 2006 mit seinem US-Debüt, dem Remake von Wes Cravens Klassiker „The Hills Have Eyes“. Dabei kam es ihm vor allem darauf an – im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Splatter-Remakes wie Marcus Nispels „Texas Chainsaw Massacre“, die den Stoff einer zeitgeistigen Ästhetik anzuverwandeln suchen –, den Stil und die Atmosphäre der Vorlage möglichst exakt zu treffen. Letztlich bewies er damit aber doch nur die Vergeblichkeit eines solchen Ansatzes, denn so perfekt die Mimesis stellenweise auch geriet, kam sie doch nie über den Stellenwert des Vintage heraus. Für „Mirrors“ wählt er nun einen völlig anderen Ansatz und übernimmt im Grunde nur Ausgangsposition und Schlusspointe von Kims Film. Hier wie dort wird die Geschichte eines traumatisierten Ex-Polizisten erzählt, der nun als Wachmann in einem abgebrannten Kaufhaus mit dunkler Historie arbeitet. Doch wo „Into the Mirror“ den Horror im klinischen Ambiente des frisch renovierten und kurz vor der Wiedereröffnung stehenden Konsumtempels im Glanz der unzähligen spiegelblanken Oberflächen entdeckte, knüpft das Setting von Ajas Film eher an gängigere Vorstellungen vom haunted house an. Hier nämlich ist es eine verfallene, ausgebrannte Ruine, die Ben Carson (Kiefer Sutherland) absurderweise zu bewachen hat. Der besondere Reiz, den „Mirrors“ zunächst entwickelt, liegt dabei zu großen Teilen im beinahe fetischistischen Aufstöbern immer neuer reflektierender Flächen in dieser finsteren, stumpfen Kulisse. Unserem Spiegelbild können wir nicht entkommen, so scheint Aja hier zu implizieren, so sehr wir ihm auch mit Pinsel und Farbe zu Leibe rücken mögen.

Tatsächlich ist die erste Hälfte von „Mirrors“ teilweise furios inszeniert – immer wieder spielt Aja mit Spiegelungen und Spiegelungen von Spiegelungen. Eine besonders eindrucksvolle Sequenz zeigt Carson im Zentrum einer Art Spiegelkäfig, der auch Kern und Auflösung der Erzählung birgt. Aja inszeniert diese Sequenz als eine Kaskade von Einstellungen, die von Bild zu Bild die Reflexion Carsons weiter vervielfachen. In diesem Moment spürt man einen nachdrücklichen Sog und möchte gern in diesem Spiegelkabinett verloren gehen – leider wird man aber auch bald schon wieder gewaltsam herausgerissen. Es handelt sich hierbei nämlich, nach einer guten Stunde Spielzeit, im Grunde um den letzten interessanten Moment von „Mirrors“, und von nun an schwenkt der Film endgültig und einigermaßen brutal in einen reißbrettartigen Plot ein, den er in der verbleibenden Zeit hastig zu Ende erzählt. Auch das Beharren auf der verzerrten Wahrnehmung des an Alkoholismus leidenden und unter medikamentösem Einfluss stehenden Carson bleibt folgenlos, und das Familiendrama, das Ajas wesentlichen Beitrag zur neuen Ausformulierung des Stoffes darstellt, bleibt bis zum inkonsequenten Ende hin schmerzhaft klischeetrunken. Das Potenzial, das sich hier andeutet – insbesondere auch in Ajas Regiestil – verläuft sich leider völlig im Sande, da es hier nichts mehr gibt, das nicht aus dem Baukasten für Geisterfilme zu stammen scheint. So wird denn ein ambitioniertes Projekt, das als Blick eines französischen auteur auf die Hollywood-Variation eines koreanischen Stoffes eine durchaus aufschlussreiche Melange hätte ergeben können, am Ende doch noch auf das Niveau von Heulern à la „13 Ghosts“ heruntergebrochen. Und die Pointe, die Aja dann wieder 1:1 aus „Into the Mirror“ übernimmt und an das familientümelnde Finale anklebt, wirkt nicht mehr konsequent und schlüssig, sondern unpassend, taschenspielerisch und – zu Recht – wie aus einem anderen Film gefallen. Schade.

Mirrors
(USA/Rumänien 2008, Alexandre Aja)
Regie: Alexandre Aja; Buch: Alexandre Aja, Grégory Levasseur; Musik: Javier Navarrete; Kamera: Maxime Alexandre; Schnitt: Baxter
Darsteller: Kiefer Sutherland, Paula Patton, Amy Smart, Cameron Boyce, Erica Gluck, Mary Beth Peil, Jason Flemyng u.a.
Länge: 108 Min.
Verleih: Kinowelt

Zur DVD von Kinowelt

Die Bild- und Tonqualität der DVD-Edition präsentieren sich tadellos, und auch einiges Bonusmaterial ermöglicht weitere Einblicke in die Welt hinter den Spiegeln. Besonders sticht hierbei der atmosphärische Kurzfilm „Die Geschichte von Anna Esseker“ hervor. Das alternative Ende hingegen, das nach Testvorführungen ersetzt wurde, ist nicht weniger klischeehaft als das im fertigen Film verwandte. Als Hauptkritikpunkt an der ansonsten gelungenen DVD-Edition könnte angeführt werden, dass Kinowelt auf die Veröffentlichung der in den USA erschienenen, ganze 12 Sekunden längeren Unrated-Fassung verzichtet hat und „lediglich“ die R-Rated-Kinofassung veröffentlicht.

Bild: 2,40:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (Dolby Surround, 5.1 Dolby Digital), Englisch (5.1 Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: „Die Geschichte von Anna Esseker“ (6 Min.), „Making of: Behind the Mirror“ (18 Min.), alternatives Ende mit optionalem Kommentar von Alexandre Aja (4 Min.), Deleted Scenes mit optionalem Kommentar von Alexandre Aja (11 Min.), animierte Storyboard-Sequenz (1 Min.), Trailer
FSK: keine Jugendfreigabe

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