Dem Tod eine Form geben

Nach seiner Regisseurskarriere im deutschen Horror-Untergrund hat sich der Berliner Jörg Buttgereit seinen anderen Steckenpferden zugewandt und ist auf einigen Sektoren äußerst produktiv gewesen. Bücher hat er geschrieben, Radiohörspiele und -features produziert, Theaterstücke inszeniert und fürs Fernsehen hat er mehrfach gearbeitet, darunter vor allem für den deutsch-französischen Kultursender ARTE, für den er Regisseur von zwei Folgen der Serie „Durch die Nacht mit …“ war. In dieser Serie werden zwei Prominente zusammengeführt und einen Abend und eine Nacht lang mit der Kamera begleitet. Sie unterhalten sich, zeigen sich gegenseitig ihre Lieblings-Locations und man lernt Seiten von ihnen kennen, die bislang vielleicht verborgen waren. So hat Franka Potente bereits John Carpenter getroffen, Christoph Schlingensief Michel Friedman oder jüngst Kai Diekmann Henryk M. Broder.

Für „avanti media“, die auch „Durch die Nacht mit …“ produzieren, hat Buttgereit nun einen weiteren Dokumentarfilm gedreht, in dem er eines der Themen behandelt, die ihn in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt haben: Monster. Sein Godzilla-Buch (im Berliner Martin-Schmitz-Verlag neu aufgelegt) ist einschlägig unter den Fans des japanischen Monsterfilms, aber auch „reale“ Monster, wie den Serienmörder Ed Gein hat Buttgereit in seinen Arbeiten behandelt – über letzteren ist ein Radiofeature für den WDR entstanden. In „Monsterland“ fließen einige seiner Themen und Überlegungen zusammen. Vor allem aber trifft man dort auf Leute, die Buttgereit während seiner Arbeit für den Film und das Fernsehen sowie seine Bücher kennen gelernt hat. Darunter befinden sich Genre-Größen wie John Carpenter, dem dankbar viel Redezeit in „Monsterland“ eingeräumt wird, aber auch der japanische Regisseur Shinya Tsukamoto, der durch seinen Film „Tetsuo“ den japanischen Monsterfilm in eine neue Ära katapultiert hat. Überdies macht man Bekanntschaft mit dem langjährigen Godzilla-Darsteller Kenpachiro Satsuma, dem Genre-Regisseur Joe Dante, den Monster-Machern Rick Baker, H. R. Giger und zahlreichen anderen, die mit Monstern vor oder hinter der Kamera zu tun hatten.

Buttgereit versucht in „Monsterland“ (der daher besser „Monsterworld“ heißen müsste) also nichts weniger als eine internationale Geschichte des Monsterfilms anzureißen. Seine Ausflüge führen ihn nicht nur in ferne Länder, sondern auch immer wieder zurück in die Filmgeschichte zu legendären Figuren wie dem Frankenstein-Monster, dem Wolfman und Dracula. Flankiert werden diese Dokumentationen von Analysen von Filmhistorikern, die manchmal, wie im Fall des apokalyptischen Malers Joe Coleman skurril, manchmal, wie beim Horrorschriftsteller Kim Newman auch etwas arg nervig und verallgemeinernd ausfallen. Aber das liegt vielleicht auch am Gegenstand: Das Monster, das ist der Ursprung seines Namens, will etwas „zeigen“ und es trägt seine Bedeutung aufgrund seiner Übergröße oder unübersehbaren Missgestalt eben oft auch de-monstra-tiv vor sich her. Es ist längst kein Ergebnis von Kultur- und Filmanalyse mehr, dass etwa Godzilla ein Sinnbild für die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sei – vielmehr wird das Monster von seinen Machern bereits als solch ein Sinnbild angelegt. Die Film- und Kulturwissenschaftler können solche Sinn-Deponierungen dann nur noch bergen (es sei denn, sie sind Dekonstruktivisten).

Am 29. März sendet ARTE die etwa 81 Minuten lange Dokumentation im Rahmen eines Monster-Themenabends. Als Spielfilm, der für solch einen Anlass ja stets obligatorisch ist, hat man sich für John Guillermins 1976er-Remake von „King Kong“ entschieden. Einschlägig ist diese Adaption nicht, sicherlich aber selten im Fernsehen gezeigt. Danach kommt Buttgereits Dokumentation, in der ebenfalls ausgiebig über den Riesenaffen gesprochen wird. Ob und wann „Monsterland“ auf DVD erscheinen wird, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Wie so oft, könnten Rechteprobleme die größte Hürde bei der Veröffentlichung sein, denn Buttgereit hat etliche Filmbeispiele in seine Dokumentation eingebaut. (Das hat ja schon die Wiederholung einiger seiner WDR-Fernsehdokumentation „Monsterinsel“ zum selben Thema unmöglich gemacht.) Insofern sollte sich jeder, der sich für Buttgereit, Monster oder die Motivgeschichte des Horrorfilms interessiert, am 29. März nichts vornehmen – oder wenigstens den Videorekorder bereithalten.

Monsterland
(D 2008)
Regie & Buch: Jörg Buttgereit; Musik: André Abshagen; Kamera: Boris Fromageot, Christopher Rowe; Schnitt: Martin Eberle, Michaela Stasch; Produktion: Edda Baumann von Broen
Mit: Rick Baker, John Carpenter, Joe Coleman, Joe Dante, Paul Gavins, H.R. Giger, Minoru Kawasaki, Teruyoshi Nakano, Kim Newman, Gregory Nicotero, Kenpachiro Satsuma, Shinya Tsukamoto
Länge: 81 Minuten
Sendetermin: ARTE, 29. März 2009, ab 20.15 Uhr

Weitere Informationen zu „Monsterland“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.