… oder der Spatz in der Hand?

Koto und Kyoko sind zwei Endzwanziger im Stadtteil Uzumasa der Stadt Kyoto, in dem bereits ihre Eltern aufgewachsen sind und ihr Leben gestaltet haben. Kotos Eltern betreiben eine Tofuproduktion, während Kyokos Familie eine Wäscherei besitzt; die beiden Familien führen ein bodenständiges, harmonisches Leben. Doch obwohl Koto und Kyoko mitten im Leben stehen, scheint ihr Weg noch nicht ganz gefunden. Besonders Koto ist unzufrieden mit seinem Dasein, denn seine Lebensplanung scheint nicht aufzugehen.

Auch sein Vater hatte andere Ziele, die er verfolgen wollte, doch mit 30 übernahm er das Tofugeschäft der Eltern. Als Koto dies erfährt, versetzt es ihm einen Schlag, denn über derartige Verpflichtungen hatte er sich bis dato noch keine Gedanken gemacht. Seine Versuche, als Comedian erfolgreich zu werden, schlagen zwar stets fehl – er wird regelmäßig ausgebuht und arbeitet übergangsweise als Nachtwächter im Kaufhaus – doch die Hoffnung möchte er noch nicht aufgeben. Seine Freundin Kyoko hingegen ist so bibliophil, dass sie bereits als kleines Mädchen in der Bibliothek arbeiten wollte und sich diesen Wunsch nun zumindest mit einer halben Stelle an der Universitätsbibliothek erfüllen konnte.

Wie es der Zufall so will, trifft sie dort den kauzigen und leicht ungeschickten Dozenten Daichi Enoki der für einen Forschungsaufenthalt aus Tokyo in Kyoto ist. Er befasst sich mit altertümlichen chinesischen Schriftzeichen, wie er stets mit viel Leidenschaft erläutert. Hals über Kopf verliebt er sich in Kyoko deren Beziehung mit Koto sich gerade aufgrund seiner Unzufriedenheit mit den eigenen Leben in einer Krise befindet. Kyoko hat zwar ihren Traumberuf, doch wird sie nun durch diese unerwartete Abwechslung aus der Bahn geworfen. Enoki schenkt ihr ein Zugticket nach Tokyo, damit sie ihn begleiten kann, denn ohne sie möchte er nicht mehr sein. Nun steht Kyoko vor der schwersten Entscheidung ihres bisherigen Lebens: Verlässt sie ihre Familie, ihren Freund und ihre Stadt für die bedingungslose Liebe des Akademikers, oder bleibt sie lieber im traditionsbehafteten Kyoto Uzumasa?

„Kyoto Story“ ist ein kleiner, liebenswerter Film über die Last der Traditionen. Durch die Einführung in den Stadtteil mit seiner belebten Einkaufsstraße wird der Zuschauer schon auf die Thematik vorbereitet. Er erfährt, dass sich hier einst die Filmstudios befanden, in denen u.a. Akira Kurosawas „Rashomon“ gedreht wurde, deren Präsenz damals für mehr Arbeit und regen Handel sorgte – ohne, dass der Film uns eine verarmte oder leidende Stadt zeigen möchte. Im Gegenteil, Kyoto Uzumasa lebt von seinen Traditionen. Hier wird das Geschäft von Generation zu Generation vererbt, und der Handel so am Leben gehalten.

Die Regisseure Yoji Yamada und Tsutomu Abe erzählen die Geschichte der beiden Endzwanziger auf zurückhaltende, ruhige Art und Weise, ohne viel Lärm oder Dramatik mit einzubeziehen, während sie gleichzeitig ein Portrait des Stadtteils zeichnen. „Kyoto Story“ versucht nicht zu polarisieren, verhält sich nicht sozialkritisch oder übermäßig konservativ, sondern überlässt es dem Zuschauer, sich eine Meinung zu bilden. Er hat einfach einen gewissen Charme, der ihn zum perfekten Film für einen ruhigen Abend macht, und wer unbedingt möchte, kann sich im Anschluss auch noch über die Zweckmäßigkeit von Traditionen in der modernen Welt unterhalten.

Kyoto Story
(Kyoto Uzumasa Monogatari, Jp 2010)
Regie: Yoji Yamada, Tsutomu Abe; Drehbuch: Yoji Yamada, Tomoaki Sase; Kamera: Masahi Chikamori
Darsteller: Hana Ebise, USA (EXILE), Sotaro Tanaka

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