Zwei Filme mit Freddy Quinn

Freddy Quinn, ein Mann wie Kernseife: praktisch, zuverlässig, anpassungsfähig, rustikal und einfach. Aber allen unzweifelhaft vorhandenen Vorteilen zum Trotz: Kernseife hinterlässt immer auch einen etwas muffigen Geruch. Freddy Quinn wurde 1931 in Österreich geboren und mit seiner charakteristischen Mischung aus aseptischem Charme und hemdsärmeliger Bodenständigkeit sowohl als Schauspieler als auch als Sänger und Entertainer im Deutschland der Nachkriegsjahrzehnte berühmt. Seine Filme und Lieder bedienten den dringenden Wunsch nach Eskapismus, gleichzeitig besänftigten sie aber auch stets das Gewissen der Deutschen: In der Heimat ist es immer noch am schönsten, man darf also ruhig zu Hause bleiben.

sterne.jpgIn den im Rahmen der „Freddy Quinn Edition“ bei Kinowelt veröffentlichten Filmen „Freddy unter fremden Sternen“ (1959) und „Freddy und der Millionär“ (1961) variiert Quinn seine angestammte Rolle als Weltenbummler nur minimal. Im erstgenannten wandert Quinn als Freddy Ullmann (eine Rolle, die er schon in „Freddy, die Gitarre und das Meer“ (1959) gespielt hatte) gemeinsam mit seinem Freund, dem kleinen Waisenjungen Stefan (Christian Machalet), nach Kanada aus, weil er dort ein Grundstück geerbt hat, auf dem er eine Ranch errichten will. Was er nicht weiß: Das bescheidene Grundstück ist viel Geld wert und so will ihm der von der Pleite bedrohte Großgrundbesitzer O’Brien (Gustav Knuth) das Land abluchsen. Doch sowohl die von ihm beauftragten Halunken als auch seine rehäugige Tochter Manuela (Vera Tschechowa) verfallen dem einfachen, ehrlichen Freddy. Am Ende rettet Freddy O’Brien vor einem Anschlag, muss das Land aber schließlich verlassen, weil auffliegt, dass der kleine Stefan keine Aufenthaltsgenehmigung hat. So kehrt Freddy mit voller Brieftasche und reinem Gewissen zu seiner Susi nach Deutschland zurück und hinterlässt ganze Scharen trauernder Mädchen (unter anderem eine blutjunge Hannelore Elsner).

millionar.jpgIn „Freddy und der Millionär“ ist Quinn der Auslandskorrespondent Fritz Meyer, der allein nach Italien fahren muss, weil seiner Freundin, dem grauen Mäuschen Edith (Grit Böttcher), vom gemeinen Chef spontan der Urlaub gestrichen wird. In Italien angekommen, lernt Fritz den trotteligen Millionär Stone (Heinz Erhardt) kennen, in dessen Villa er fortan ein und aus geht und beginnt, in dessen Leben Ordnung zu schaffen. Es kommt zu Herzschmerz und Liebesverwirrungen als plötzlich Edith vor der Tür steht und ihren Fritz in scheinbar zärtlicher Bande mit Stones Tochter Silvia (Vittoria Prada) erwischt, doch Fritz entsagt natürlich dem großen Geld und der schönen Millionärstochter, bleibt seiner Edith treu und fährt mit ihr der Heimat entgegen.

Globetrotter Quinn fungiert in beiden Filmen als Fremdenführer für ein nach Exotismus gierendes Publikum. Die Kamera schwelgt in imposanten Landschaftspanoramas („Freddy unter fremden Sternen“) oder filmt unermüdlich Sehenswürdigkeiten ab („Freddy und der Millionär“). Doch die Fremde, die Quinn und der Zuschauer vorfinden, unterscheidet sich nur äußerlich von der Heimat: Auch die Rancher in Kanada verkleiden sich nur mit der Cowboykluft aus der Requisite, essen Omas selbst gebackenen Kuchen und haben Töchter, die Manuela heißen. Statt unendlicher Freiheit gibt es die immergleichen von Gier und Neid bestimmten Ränkespiele und Menschen, die den unverdorbenen und herzensguten Protagonisten ausnutzen wollen. Und wenn es ihm zu viel wird, greift er zur Gitarre, singt „Du musst alles vergessen, was du einst besessen, Amigo“ und lässt den Blick verträumt ins Leere gleiten. Doch schaut man genauer hin, ist dieser Quinn gar nicht so tadellos: Er trägt heftige Standesdünkel wie eine Medaille an der Brust. Diese treten in „Freddy und der Millionär“ besonders deutlich zu Tage: Der Millionär Stone hat in seinem Leben noch keinen Pfennig selbst verdient, sein Vermögen nur geerbt, weshalb ihm der hemdsärmlige Quinn moralisch stets überlegen ist, die zickige Tochter Silvia bekommt die volle Verachtung des Unterprivilegierten Lebenskünstlers Fritz ebenso zu spüren wie der intellektuelle Nichtsnutz des Films, ein Kunststudent (Peter Vogel), der keinen Finger krumm macht. Die Arbeiter- und Mittelklasse kann sich mit der Betrachtung von Quinns Filmen die Hände rein waschen.

Obwohl Quinns Filme im Ausland spielen, tragen sie also die klassischen Merkmale des Heimatfilms. Der Ausflug über den Ozean oder die Alpen zieht lediglich die Erkenntnis nach sich, dass es in der Ferne auch nicht besser ist. „Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong, hab ich Sehnsucht nach der Ferne. Bin ich dann in weiter Ferne, hab ich Sehnsucht nach zu Haus.“, schmettert der Barde Quinn aus voller Brust mit mächtig Schmelz in der tiefen Stimme und bringt den Tenor seiner Filme damit auf den Punkt: Wir Deutschen brauchen uns für nichts zu schämen. Es sind genau diese Filme, die die Protagonisten des Neuen Deutschen Films in den Siebzigerjahren als „Altherrenkino“ bezeichneten und ihnen vorwarfen, eine Aufarbeitung mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs letztlich unterbunden zu haben. Eine These, die nicht ganz wegzuwischen ist: Warum sollte man sich auch kritisch mit seinem Land auseinandersetzen, wenn selbst ein Mann wie Quinn, der überall auf der Welt zu Hause ist, am Ende immer wieder hierhin zurückkehrt? Vielleicht ist ihm aber auch nur die Kernseife ausgegangen.

Freddy unter fremden Sternen
(Deutschland 1959)
Regie: Wolfgang Schleif, Drehbuch: Gustav Kampendonk, Aldo von Pinelli, Kamera: Heinz Pehlke, Musik: Lothar Olias, Schnitt: Hermann Ludwig
Darsteller: Freddy Quinn, Gustav Knuth, Vera Tschechowa, Hannelore Elsner, Christian Machalet, Dieter Eppler
Länge: ca. 94 Minuten
Verleih: Kinowelt

Freddy und der Millionär
(Deutschland/Italien 1961)
Regie: Paul May, Drehbuch: Viktor Tourjansky, Kamera: Kurt Grigoleit, Musik: Lothar Olias, Schnitt: Werner Preuss
Darsteller: Freddy Quinn, Heinz Erhard, Grit Böttcher, Vittoria Prada, Grethe Weiser, Joseph Offenbach
Länge: ca. 88 Minuten
Verleih: Kinowelt

Zu den DVDs von Kinowelt

Die DVDs sind sowohl einzeln erhältlich als auch innerhalb eines drei DVDs umfassenden Pappschubers. Die dritte DVD enthält den Film „Freddy – Weit ist der Weg“.

Zur Ausstattung der DVDs

Freddy unter fremden Sternen
Bild: 1,33:1
Ton: Deutsch (Doby Digital 1.0 Mono)
Extras: Biografien, Fotogalerie, Filmposter, Trailer
Länge: 94 Minuten
Freigabe: ab 6
Preis: 13,99 Euro

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Freddy und der Millionär
Bild: 1,66:1
Ton: Deutsch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Extras: Biografien, Filmposter
Länge: 88 Minuten
Freigabe: ab 6
Preis: 13,99 Euro

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3 Antworten auf „Zwei Filme mit Freddy Quinn“

  1. Es wird hier versucht, zuviel aus den Filmen Freddy Quinns heraus zu lesen. Es darf nicht vergessen werden, dass es sich ausnahmslos um Unterhaltungsfilme handelte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und da gab es wahrlich schlechtere als die von Quinn. Außerdem darf man nicht vergessen, wann sie gedreht wurden und welcher Zeitgeist damals in Deutschland herrschte. Immerhin haben Freddy Quinns Filme und Lieder aufgezeigt, dass über Deutschland hinaus auch noch etwas anderes gibt. Dass es anderswo auch interessant, sagen wir mal schlicht „schön“ ist. Freddy Quinn hat die Sehnsüchte der Deutschen nach der „Weiten Welt“ geweckt, er hat aber auch die Menschen der weiten Welt uns Deutschen näher gebracht. Egal, ob das beabsichtigt war oder nicht. Bei allem Schmelz oder Schmalz, der ihm oft vorgeworfen wurde, gehört Freddy Quinn dennoch zu den ganz Großen des Showgeschäfts und hat sich auch ständig weiterentwickelt und auf vielen Gebieten Beachtliches geleistet ( z.B. Country-Music, Theater, Musical, Circus, Artistik ).
    Es sollte nicht versucht werden, Dinge aus Quinns Filmen und Liedern heraus zu lesen, die gar nicht in ihnen vorkommen.

  2. Dem Schauspieler alles in die Schuhe zu schieben wovon die Filme handeln finde ich falsch. Natürlich hat Freddy „sich dazu hergegeben“ diese Filme zu spielen, aber: Auf der einen Seite unterscheiden sie sich nicht besonders vom Geist der damaligen Zeit – es gab auch andere Filme, denen man das gleiche nachsagen kann (leider kann ich Namen schlecht behalten und daher hier keine anführen außer vielleicht dem großen Doktor Schiwago Film der im Großen und Ganzen auch nicht anders war=ein Film seiner Zeit eben).

    Ich sehe mir heute noch die Filme manchmal an und ich sehe sie mir kritisch an aber ich denke auch, diese Filme sind während der 1950er und 1960er Jahre gedreht worden wo Deutschland noch spießiger war als heute – genau: Ich bin nach über 30 Jahren im Ausland voriges Jahr nach Deutschland zurückgekommen und verstehe die deutsche Welt nicht!

    Ich bin der Auffassung, dass man die schauspielerische Leistung von Freddy nicht verringern soll. Ich glaube auch nicht, dass solch große Namen wie Heinz Erhardt und Grete Weiser mit Freddy gedreht hätten falls die Filme so schlecht gewesen wären, wie im ersten Kommentar behauptet wird.

    Noch eins: Ich liebe Filme mit Happy End und da liegen die Filme mit Freddy Quinn immer richtig. Sie verherrlichen auch nicht die Gewalt, wie viele heutige Filme leider tun!

    Übrigens: Heißt die Stimmlage Freddy’s nicht Bariton? Was ist das denn für ein Tenor im ersten Kommentar?

  3. Hallo Frau Schröder,

    sie verstehen meinen Text falsch, wenn sie meinen, ich wolle Freddy Quinn für irgend etwas die „Schuld“ geben. Ihren zweiten Absatz würde ich so unterschreiben und so war mein Text auch gemeint: Seine Filme sind Ausdruck einer bestimmten Zeit.

    Wenn ich auf Quinn als Figur fokussiere, so deshalb, weil seine Filme unverkennbar um ihn und seine Persona herum gestrickt wurden. Den Typ Weltenbummler hat er am besten verkörpert und das „Volk“ kannte ihn als solchen von seinen Platten, sodass man sich eine entsprechende Charakterisierung sparen konnte. Er hat diesen von mir beschriebenen Typen in jedem Film gespielt und diese Filme waren immer an ihm ausgerichtet. (Es wäre etwa undenkbar, dass ein Peter Alexander oder Heinz Erhardt seine Rollen übernommen hätten.) Was den Quinn-Film vom Peter-Alexander-Film abhebt, ist in erster Linie eben Freddy Quinn. Insofern halte ich meine Vorgehensweise für legitim.

    Ich habe durchaus Freude an den Filmen gehabt – auch wenn das wahrscheinlich eine andere Freude war, als die, die sie dabei empfinden -, dennoch sind sie für meinen Begriff in erster Linie Bedürfnisbefriedigung und seichtestes Entertainment: spießig eben, wie sie ja selbst sagten. Das macht sie noch nicht schlecht (das habe ich auch nie behauptet), nur sollte man auch nicht vergessen, dass es schon damals (auch in Deutschland) Filmemacher gab, die höhere Ambitionen hatten und mehr leisteten, als dem Volk sozusagen nach dem Mund zu filmen. Zu diesen verhalten sich die Freddy-Quinn-Filme wie der Konsalik zum Thomas Mann. Und das sollte man dann auch entsprechend bewerten.

    Viele Grüße
    Oliver Nöding

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