Out of Focus

Mit „Schläfer“ war im vergangenen Jahr bereits ein Film erschienen, der die Auswirkungen der „allgemeinen Moblimachung“ gegen den Terrorismus zum Thema hatte. Spätestens seit dem 11. Spetember 2001 stehen Menschen aus dem nahen Osten unter Generalverdacht. Allein schon, dass die aus jenen Ländern rund ums Mittelmeer stammenden Menschen überhaupt – wie in „Civic Duty“ – als „Middle Eastern Guys“ klassifiziert werden, scheint ein Hinweis auf die Paranoia des Westens zu sein. In „Schläfer“ war es die Freundschaft zwischen einem Deutschen und einem algerischen Forscher, die durch die Verdächtigungen des Staatsschutzes zerstört wurde. In „Civic Duty“ muss die „Homeland Security“ nicht einmal mehr selbst tätig werden, damit der Bürger gegen den Bürger zu Felde zieht.

civic_duty.jpgDer jüngst arbeitslos gewordene Buchhalter Terry beobachtet, wie ins Erdgeschoss seines Hauses ein „middle eastern guy“ einzieht. Durch die ständig laufenden Nachrichten sensibilisiert, erregt der Zuzug sofort seine Aufmerksamkeit: Jede Lebensäußerung, sei es der spät nachts herausgetragene Müll, die von – ebenfalls aus dem „Middle Eastern“ stammenden – Freunden ins Haus getragenen Pakete oder die zahlreichen Banküberweisungs-Briefumschläge, die der junge Araber in seiner Wohnung hortet – alles macht ihn Terry gegenüber verdächtig. Als er seiner Frau von seinen Beobachtungen erzählt, versucht diese ihn zunächst auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und tritt schließlich, als dies nicht fruchtet, die Flucht nach vorn an: Sie stellt sich dem jungen Mann aus dem Erdgeschoss vor. Doch Terry hält das nicht davon ab, seine Beobachtungen zu intensivieren. Sogar Kontakt zum FBI nimmt er auf – der mit dem Fall beauftragte Beamte lässt ihn jedoch abblitzen mit der unmissverständlichen Warnung, seine Befugnisse nicht zu überschreiten. Als Terry schließlich, nachdem seine Frau frustriert die Flucht angetreten hat, in die Wohnung des Arabers eindringt und später sogar noch einmal bewaffnet zurückkehrt, um ein „Geständnis“ einzuholen, überschlagen sich die Ereignissen und die Rollen von „Terrorist“ und „Opfer“ vertauschen sich.

„Civic Duty“ hätte ein intelligenter und vor allem kritischer Beitrag über die gesellschaftliche Paranoia, geschürt durch Medien und Politik werden können. Mit großer Raffinesse inszeniert Regisseur Jeff Renfroe sein Erstlingswerk: Die Kamera rückt beständig näher in die Objekte heran, die Brennweite wird extrem reduziert, so dass nur noch Vorder- oder Hintergrund (je nachdem, was gerade „observiert“ werden soll) klar zu erkennen sind. Das der Paranoia eigentümliche „Ausblenden“ des Kontextes zugunsten einer durch die Wahrnehmung konstruierten Wirklichkeit wird damit kongenial ins Bild gesetzt. Doch schon der Beginn des Films lässt ahnen, dass es nicht um die aus den Fugen geratene Normalität des Bürgers in Zeiten des internationalen Terrorismus geht. Terry hat seinen Job verloren und das allein veranlasst ihn, seine Zeit mit der Bespitzelung des arabischen Studenten zu verbringen. Wer an dieser Stelle an die Konstellation aus „Falling Down“ denkt, liegt da nicht falsch.

civicd.jpgTerry ist ein Normopath, wie es der von Michael Dougals in „Falling Down“ dargestellte arbeitslose Bürohengst auf seinem Rachefeldzug war. Die Bespitzelung des Nachbarn treibt in „Civic Duty“ viel zu schnell ins Extreme; die Übelegung, mit der Waffe und entgegen den Rat des FBI und der Ehefrau in die Wohnung des Observierten einzudringen, kommt Terry viel zu bald, als dass sie als nicht neurotisch gesehen werden könnte. Und folgerichtig wird er, als alles vorüber ist, auch in eine Psychiatrie eingewiesen. Die letzten fünf Minuten des Films unterstreicht der Autor noch einmal seine Agenda: Es ging nie darum, die geschürte Paranoia zu brandmarken, sondern im Gegenteil, den „Jungen, der immer Wolf geschrien hat“ vom Verdacht des Wahnsinns zu rehabilitieren: Abermals die Medien führen dem Psychiatrisierten Terry am Ende von „Civic Duty“ vor, dass er mit seinem Verdacht Recht gehabt haben könnte, denn genau jener von ihm vermutete Terroranschlag konnte in letzter Sekunde vereitelt werden.

Sicherlich kann dies auch als weiterer Beleg für seine durch die Medien geschürte, verschwörerische Weltsicht gewertet werden. Doch allein, dass der Film dieses Ende wählt und seinen Plot damit in die Zweideutigkeit überführt, brandmarkt das gesamte Projekt „Civic Duty“ als äußerst reaktionär. Wahrscheinlích hätte ein in den USA produzierter Film, an dessen Ende die Message steht „Jeder Terrorismus-Verdacht könnte auch ein Trugschluss aus der allgemeinen Hysterie sein“ wohl schlechte Chancen bei der neuen politischen Correctness der Bush-Ära.

Civic Duty
(IK/USA/Kanada 2006)
Regie: Jeff Renfroe; Buch: Andrew Joiner; Musik: Terry Huud & Eli Krantzberg; Kamera: Dylan MacLeod; Schnitt: Erik Hammarberg & Jeff Renfroe
Darsteller: Peter Krause, Kari Matchett, Richard Schiff, Khaled Abol Naga u. a.
Länge: 98 Minuten
Verleih: offen

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