Soldaten sind Marder

Die in selbstmörderischer Mission befindlichen Soldaten haben sich in die ausweglose Situation manövriert. Sie schauen sich an, erkennen, dass sie Freunde geworden sind und als Freunde gemeinsam in den Tod gehen werden. Ihr Land hat sie verraten, trotzdem singen sie jetzt alle gemeinsam tränenüberströmt ihre martialische Nationalhymne. Mit dem schon vergossenen Blut schreiben sie ihre Namen an die Innenwände des Busses, in dem sie sitzen. Dann sprengen sie sich mit ihren Handgranaten selbst in die Luft …

silmido.jpg
„Silmido“, der als südkoreanische Antwort auf „Das dreckige Dutzend“ beworben wird, beruht auf einer wahren Begebenheit der späten Sechziger-/frühen Siebzigerjahre. Eine Gruppe von Schwerverbrechern – Landesverräter, Mörder und Vergewaltiger –, einige von ihnen zum Tode verurteilt, wird auf die Insel Silmido gebracht, wo aus ihr die beste Spezialeinheit ihres Landes gemacht werden soll. Ihr Ziel: die Ermordung des nordkoreanischen Präsidenten Kim Il-sung. Ihre Belohnung bei erfolgreichem Abschluss der Mission: die Begnadigung. Unter unmenschlichen Bedingungen werden die Gefangenen gedrillt, zu perfekten Mordmaschinen ausgebildet und mit einer Aufgabe ausgestattet, die sie antreibt und am Leben hält. Doch als die Mission nach zweijähriger Ausbildung endlich starten soll, werden die blutgierigen Soldaten zurückgepfiffen. Die Zeiten haben sich geändert, ein Mord im Auftrag der Regierung scheint nicht mehr zeitgemäß. Und so sitzen die Männer auf ihrer Insel, völlig isoliert und ihrer Aufgabe beraubt. Bis sie davon Wind bekommen, dass sie – ein Relikt aus einer vergangenen Epoche und eine Gefahr für die amtierende Regierung – ausgeschaltet werden sollen …

Das südkoreanische Kino hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder im Rahmen großen Unterhaltungskinos der traumatisch aufgeladenen Teilung Koreas in einen demokratischen Süden und einen kommunistischen Norden angenommen – meist mit Erfolg. Filme wie etwa Kang Je-gyus „Shiri“ oder „Brotherhood“ sowie Park Chan-wooks „JSA“ demonstrierten eindrucksvoll, wie man landestypische Themen und Konflikte in Filme kleiden kann, die fernab eines verkopften Betroffenheitskinos situiert sind und trotzdem etwas zu sagen haben. Diese Hoffnung schwebt lange Zeit auch über „Silmido“, dessen Geschichte nach einer Verfilmung geradezu schreit. Die oben beschriebene, ekelhafte Sequenz kurz vor Ende des Films ist nur eines der zahlreichen Beispiele dafür, dass diese Hoffnung unberechtigt ist.

„Gewidmet allen Opfern der Teilung unseres Landes“ wird am Ende von „Silmido“ eingeblendet. Es ist dann auch nicht die Schwarzweiß-Malerei – böse Nordkoreaner dort, gute Südkoreaner hier – an der der Film krankt. Vielmehr muss man ihm aber vorwerfen, den ihm zugrunde liegenden Konflikt gnadenlos zu trivialisieren und für ein ekelerregendes Stück pathetischer Helden- und Soldatenverehrung zu instrumentalisieren. „Silmido“ erzählt letzten Endes die altbekannte Geschichte von den tapferen vaterlandsliebenden Recken, die von einem rücksichtslosen und unmenschlichen Staat in den Tod geschickt werden. Dass seine Helden verurteilte Schwerverbrecher sind, macht sie nicht etwa ebenfalls schuldig, nein, ihre Täterschaft interpretiert Kang Woo-suk sogar – besonders raffiniert und abgefeimt – zu einer Opferrolle um: Es ist der Staat, der die Männer zu Tätern machte. Wer die Liebe zum Vaterland im Hezren trägt, kann ja gar kein schlechter Mensch sein. Auch inszenatorisch kann „Silmido“ seiner oben aufgeführten Konkurrenz nichts vormachen: Kang Woo-suk gefällt sich in Schönfärberei, stilisiert die Mordbande zu tragischen Helden, die viel weinen und bluten dürfen, wenn sie sich nicht in patriotischer Schwärmerei ergehen. Der heroisch wogende Score tut sein Übriges. „Silmido“ erbringt eindrucksvoll den Beweis, dass verlogene Propaganda auch im südkoreanischen Kino einen festen Platz hat.

Silmido
(Silmido, Südkorea 2003)
Regie: Kang Woo-suk, Drehbuch: Kim Hie-jae, Kamera: Kim Sung-bok, Musik: Han Jae-kwon
Darsteller: Ahn Sung-kee, Sol Kyung-gu, Heo Jun-ho, Jeong Jae-yeong, Kang Seong-jin
Länge: ca. 135 Minuten
Verleih: e – m – s

Zur DVD von e – m –s

e – m – s bringt „Silmido“ in zwei Fassungen auf den Markt: als Doppel-DVD im Steelbook sowie als Einzel-DVD. Die Angaben beziehen sich auf das Steelbook. Bild und Ton sind einwandfrei.

Zur Ausstattung der DVD:

Bild: 2,20:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS 5.1), Koreanisch (Dolby Digital 5.1)
Extras: Making of, Das Silmido Projekt, Behind the Scenes, Zwischen Fiktion und Wahrheit: Der historische Hintergrund
Länge: ca. 135 Minuten
Freigabe: Keine Jugendfreigabe
Preis: 18,98 Euro

Diese DVD bei Amazon kaufen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.