Vom »Wir« zum »Ich«

2001 erschien vom britischen Regisseur Andrew Parkinson der Zombiefilm “Dead Creatures”. Er griff ein Thema auf, dass Parkinson bereits zwei Jahre zuvor – man könnte sagen: in einer Art “Vorstudie” – behandelt hat. Es geht darum, die filmische Zombie-Metapher als moralphilosophisches Gedankenexperiment zu lesen. “Dead Creatures” widmete sich dabei dem Konflikt zwischen Gesellschaft und infizierter Gruppe – in “I, Zombie” geht es, wie der Titel bereits andeutet, um die Isolation des kranken Einzelnen in der Masse.

David, so heißt unser Zombie, findet bei einer Wanderung durch den Wald (er sammelt Flechten für ein Forschungsprojekt) ein scheinbar verlassenes Abbruchhaus. Darin liegt eine verstümmelte Leiche und einen Raum weiter eine sich in Krämpfen windende Frau. Als David versucht, sie zu bergen, beißt sie ihn und überträgt damit das Zombie-Virus auf ihn. Nach Tagen des besinnungslosen Herumirrens im Wald und nachdem David einen Jogger angefallen und gefressen hat, kehrt er zurück in die Stadt. Zu seiner Freundin kann und will er nicht. So mietet er sich eine kleine Wohnung, von welcher aus er in unregelmäßigen Abständen seine Beutezüge unternimmt. Er führt gewissenhaft Tagebuch über seinen geistigen und körperlichen Verfall, beobachtet genau die Hunger-Reaktionen und seine immer häufiger auftretenden Halluzinationen.

Ähnlich wie „Dead Creatures“ beschreibt „I, Zombie“ die persönlichen Konsequenzen der Zombiefizierung aus der Sicht des Infizierten. Er stellt sich damit radikal gegen die Tradition, die die Untoten gern als dämonische Abspaltung der Gesellschaft und damit als Bedrohung inszenieren (diese Sichtweise hat „Dead Creatures“ durch seinen anachronistischen „Zombiejäger“ schon gekonnt persifliert). In „I, Zombie“ ist der Untote die Hauptfigur. Seine Geschichte – von der Infektion über das langsame Siechtum bis zum Suizid – wird in langen, kaum bewegten Einstellungen berichtet. Dazwischengeblendet sind die Reaktionen seiner Freunde und Verwandten, die den jungen Mann vermissen und über seine Persönlichkeit reflektieren. Sie denken, er sei schlicht verschwunden und ahnen nicht, dass er sein sich immer mehr ins Sein verwandelndes Dasein in derselben Stadt fristet.

„I, Zombie“ bleibt stets dicht an seinem Protagonisten. Wie in „Dead Creatures“ wird Gewalt zwar gezeigt, doch beiläufig und am Rande des Bildes. So geht es nicht um den Effekt, die dargestellte Gewalt veranschaulicht einzig das nicht zu vermeidende Schicksal von Davids Existenz. Häufig wird er vorm Spiegel gezeigt, der ihm selbst seinen Verfall dokumentiert. Die dabei auftretenden Links-Rechts-Verwirrungen korrespondieren mit Davids Gefühl eines sich immer weiter vom Körper abtrennenden Bewusstseins. Fast schon einen ironischen Kommentar vermutet man in solchen Szenen, wenn etwa der Linkshänder David vor dem Spiegel sitzt und schreibt und sein monströses Äußeres im Spiegel als „Rechtshänder“ dargestellt wird. Diese „Normalisierung“ des Abweichenden (die „Korrektur“ des Linkshänders), die der Film gleichzeitig mit dem Fortschreiten Bestialisierung ins Bild nimmt, ließe sich natürlich als „sozialer Sarkasmus“ lesen. Hierfür spräche auch das Zombie-Motiv überhaupt.

Dennoch sollte man „I, Zombie“ nicht aus der gleichen Perspektive wie etwa die Filme Romeros bewerten. Parkinsons stilles Werk ist eher dazu geeignet, die psychische Isolation des an der Welt krankenden zu vermitteln. Dessen Krankheit ist Ausdruck seiner Isolation (und nicht umgekehrt), um es apodiktisch zu formulieren. „I, Zombie“ ist ein existenzialistischer Film. Das „I“ im Titel scheint diese Sichtweise zu unterstützen.

I, Zombie: A Chrnoicle of Pain
GB 1998
Regie, Buch & Musik: Andrew Parkinson; Kamera: Jason Shepherd, Schnitt: Andrew Parkinson & Gary Hewson
Darsteller: Ellen Softley, Dean Sipling, Claire Griffin u.a.
Länge: 79 Minuten

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