The Life Aquativ with Steve Zissou

Wes Andersons Filme sind meist Ansammlungen von Skurrilitäten und Verschrobenheiten. Kleine Wundertüten, deren Inhalt breit ausgestreut wird und in denen es für jeden was zu finden gibt, das er sich rauspicken kann. Filme von Wes Anderson gehören zu jener Sorte, nach denen man sich austauschen kann: „Am besten gefiel mir …“ – und jeder sagt was anderes. Vielleicht ist das Bild von der Wundertüte aber auch falsch: Dieses suggeriert Beliebigkeit. Ein Andersonfilm aber wirkt zumindest immer so, als sei alles mit gutem Grund an seinem Platz.

In Royal Tenenbaums war das nicht ohne Charme. In der Tat fügten sich die vielen einzelnen Elemente – vom Ensemble, über die Ausstattung, die Farben, der Soundtrack, die alles durchziehende Wehmut – zu einem großen Bild zusammen, zu einer großen Sonntagnachmittagwelt, in der ewiger Herbst herrscht und der nächste, weiträumige Park gleich um die Ecke liegt. Rushmore, den ich erst danach gesehen habe, war von ähnlicher Mixtur, ihm fehlte aber das letzte Stück Esprit. Eher langweilte er ein wenig mit seinem ausgestellten sophisticated Gestus.

The Life Aquatic With Steve Zissou, vom deutschen Verleih offenbar im Zustand geistiger Umnachtung weit weniger spektakulär Die Tiefseetaucher benannt, ist nun, auch wenn sich das unpassend anhört, ein Pendler zwischen beiden Filmen. Es gibt Momente in ihm, für die ist er nur zu küssen: Eine Geiselbefreiungsaktion etwa, auf einer karibischen Insel, die Kulisse bietet ein verlassenes Hotel. Das Team Zissou, angeführt von Steve Zissou (Bill Murray), der an Cousteau angelehnt ist, holt einen der Ihren aus den Klauen der Piraten, welche Ihnen zuvor, auf offener See, Hab und Gut entwendet hatten. Hier sprüht der inszenatorische Witz über, alles ist billig und schlecht gemacht, aber mir einer derartigen Liebe, die das öde „so bad they’re good“-Spielchen locker überwindet. Es spielt hinein der Charme alter Serien aus den 70er Jahren und deren Unbeholfenheit. Südseeabenteuerräuberpistolen! Die Lust am billig Sensationellen, an abgeschmacktem Kinorabaukentum. Das alles aber nicht im schwitzigen Nerd-Gestus zusammengesteckt, sondern liebevoll in den eigenen Kosmos eingepflegt. Andere Szenen, Bilder ließen sich anführen.

Denen stehen Szenen gegenüber, die nie so recht zünden wollen. Sie verlassen sich darauf, in einem Film von Wes Anderson aufzutauchen, als wäre allein dadurch schon eine Klammer gegeben, die ihrem Dazwischen Charisma verleiht. Aber nicht selten sind das, sprechen wir’s ruhig aus, öde Zwischenmomente, in denen man regelrecht hippelig wird, weil man auf das nächste Bonbon wartet. Da hilft auch Bill Murrays, wie in letzter Zeit üblich, Understatement-Spiel mit dem eigenen Verfall nicht viel. Auch Willem Dafoes Akzent – er spielt einen Deutschen, Klaus – ist zwar bezaubernd, schwirrt als Detail aber nur vor sich hin.

Dies wäre vielleicht noch zu verkraften, gäbe es in dem Film nicht Momente, in denen man am liebsten verweilen würde, die einen anderen, ungemein besseren, aufregenderen Film in Aussicht stellen. Zum Beispiel der Beginn: Auf einem Filmfestival (deutlich als Persiflage angelegt) wird Zissous neuester Titel in einer langen Reihe von spekulativ gehaltenen, Populärwissenschaft und Südseeabenteuerkolportage kreuzenden Dokumentarfilmen präsentiert. Das Ergebnis, in zerschlissenem, von der materialbedingten Farbgebung her äußerst anheimelnden Bildern dargeboten (und natürlich: im klassischen 4:3, die Ränder des Scopebildes werden für diese Weile von roten Vorhängen verdeckt), überzeugt nur wenig: Der Filmemacher hat seinen Zenit deutlich überschritten, es wirkt hektisch, zerfahren, kurzum: katastrophal. Für einen kurzen Moment lang bietet der Film die Aussicht, in genau diesem Film-im-Film zu spielen. Das wäre nicht nur wegen den roten Vorhängen Klasse, auch der Mut, sich voll und ganz dieser „alten Farbe“ und diesem Inszenierungsstil auszuliefern wäre nur zu würdigen gewesen. Ein schöner Traum, der bald aber endet: Der Film katapultiert sich schnell zurück auf sichereres Gebiet. Oder aber eine bezaubernde Studioaufnahme vom Innern des Schiffskörpers, in dem wir die meiste Zeit des restlichen Films verbringen werden, wenn Zissou sich auf die Jagd nach dem Jaguarhai macht, den er in den Tiefen des Ozeans wähnt. In einer einzigen großen Kamerafahrt sehen wir die einzelnen Stockwerke und Zellen eines eher an eine Theaterkulisse erinnernden, pittoresk gestalteten Schiffsbauchs. Der Gedanke, dass der restliche Film vielleicht sogar wirklich in genau dieser künstlichen Kulisse, in diesem Traum eines Abenteuerromane verschlingenden Jungen, spielen würde, ist für einen Moment lang atemberaubend. Allein der Schnitt auf’s Deck könnte einen vielleicht auf ein echtes Boot tragen (in der Tat folgt ein solcher Schnitt auch sogleich), um das allgegenwärtige Meer in die Erinnerung zu holen (und es wäre auch dies in der Tat eine Hommage an alte TV-Kultur, als das Innen und Außen eines Gebäudes deutlich unterschiedlichen Inszenierungsorten angehörten). Doch auch hier wird das Potential zugunsten eines kleinen Zungenschlags verschenkt: Dieses aufwändig gestaltete Gerüst dient nur an einer einzigen weiteren Stelle für eine, zugegeben, sehr schöne Kamerafahrt in der „unsichtbaren Wand“, die einen Dialog zwischen Zissou und Ned, wahrscheinlich seinem Sohn, verfolgt.

All dies ist sehr schade, denn eigentlich will man diesen Film ja wirklich lieben. Er macht es einem nur sehr, sehr schwer. Und an vielen Stellen ist es gar unmöglich.

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