THE KEY FOR DETERMINING DWARFS

Hierzulande ist der tschechische Regisseur Pavel Jurácek kaum bekannt. Auch in seiner Heimat, damals noch die Tschechoslowakei, erinnern sich aufgrund der Machenschaften der Zensoren nur wenige an den ambitionierten Filmschulabsolventen. Dabei ist seine Biografie eine sichtlich bewegte: Studium an der Prager Filmhochschule, die Schaffung wichtiger (wenn auch weniger) Filme für das Bewusstsein des Prager Frühlings, Mitbegründung der Charta 77, aufgrund dessen schließlich die Ausweisung ins Exil, wo er Zeit seines Lebens keinen Film mehr drehen sollte.

THE KEY FOR DETERMINING DWARFS ist eine Collage aus Tagebucheinträgen des Künstlers, weitgehend aus den 60er Jahren, und somit auch der Versuch der Spiegelung seiner Innenwelt (Tonspur) mit seiner Außenwelt (Bildebene), in einer für Jurácek sowohl privat als auch politisch und künstlerisch äußerst anstrengenden Phase seines Lebens. Auf der Bildebene bemüht man sich um eine angenehme Auslegung von Nostalgie: so gelingt der Anspruch, mittels einer Pastiche aus neu gedrehtem (aber authentisch wirkendem) Material und historischer sowie privaten Aufnahmen ein Portrait einer Künstlerseele, die sichtlich an den Umständen verzweifelt, zu erstellen, aufs schönste. Wie die Sichtung alten Super 8-Materials wirkt das, Echos längst vergangener Zeiten, wenn wir die Ereignisse im Prag der 60er Jahre, die stets kriselnde Ehe mit der ersten Frau oder die Bezeugungen grenzenloser Liebe zu seiner kleinen Tochter Judita verfolgen, auf der Tonspur allein von den Rezitationen aus dem Tagebuch und – dem jeweiligen Gegenstand des Eintrages angepasst – melancholischen, lieblichen und verbitterten Klavierthemen begleitet. Dabei bleibt der Film – wie Tagebucheinträge eben oft auch sind – nicht nur fragmentarisch, sondern auch fragil. Eine Künstlerseele beim Leiden gegen die Widrigkeiten dieser/seiner Welt, getreu den Thesen der Kafka-Konferenz des Jahres 1963, dass das Individuum eben auch im Sozialismus entfremdet sei.

Juráceks Filme bleiben – und das ist einerseits angenehm, andererseits aber auch schade – nur am Rande Gegenstand der Collage: Ausschnitte daraus sind kaum zu sehen. Größerer Raum wird allein dem Schaffungsprozess seines letzen Filmes, einer sehr freien Adaption des Gulliver-Stoffes, zugestanden, dessen künstlerischen wie politischen Bedingungen Jurácek arg zu schaffen machte und der deshalb oft den Weg ins Tagebuch fand. Angenehm ist dies einerseits, weil der Film dergestalt vor allem als Portrait der Befindlichkeiten – ausnahmsweise nicht negativ gemeint – eines sehr sensiblen Künstlers in einer turbulenten Epoche abseits seiner Werke funktioniert, schade wiederum ist es, weil Juráceks Filme kaum verfügbar und nur den wenigsten bekannt sind. THE KEY FOR DETERMINING DWARFS macht Lust darauf, einen interessanten Künstler neu, vielleicht auch wieder zu entdecken. Hoffen wir, dass die Kinematheken mit ihren Filmtheatern dieser Lust in absehbarer Zeit Befriedigung verschaffen.

Thomas Groh

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