Messen und Speichern

Zeitreisefilme reflektieren in ihren Erzählungen, aber auch in ihrer Struktur die Bedingungen ihrer Möglichkeit und das Wesen des filmischen Erzählens überhaupt. Das zeigt sich insbesondere in Zeitschleifen-Erzählungen, die eine besondere Art der Zeitreise-Erfahrung für ihre Protagonisten darstellen: Von „… und täglich grüßt das Murmeltier“ über „Lost Highway“ bis „Déjà Vu“ erleben die Filmfiguren, was es heißt, Filmfigur zu sein und damit der Willkür der erzählten Zeit zu unterliegen. „Science Fiction“ sind diese Filme in dem Maße, wie sie subtil film- und medienwissenschaftliche Positionen als Fiktionen in ihren Stories reflektieren. Mit Duncan Jones‘ „Source Code“ ist nun ein Zeitschleifen-Film entstanden, in den sich die Bedingungen seines Filmseins auf besondere Weise eingeschrieben haben.

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Zurückspulen oder Überspringen?

Zeitreisefilme gehören vielleicht zu den „selbstbewusstesten“ Filmen überhaupt, denn in ihnen wird nicht nur dem Unmöglichen ein Bild gegeben (und damit dem Spielfilm als Was-wäre-wenn-Medium vollständig entsprochen), sondern sie verhandeln auch stets das, was sie selbst sind: Produkte, die mit dem Fluss von Zeit operieren, verschiedene Zeitlichkeiten ins Bewusstsein rufen und miteinander in Konflikt führen. In eineinhalb Stunden können wir durch sie die Jahrtausende durchmessen oder einen einzigen Moment, eine Sekunde unendlich dehnen und damit in die Super- und Subbereiche der zeitlichen Wahrnehmung vordingen. Zeitreisefilme operieren auf der Demarkationslinie zwischen Alltagsphysik und Fantastik, wecken stets die intensivsten Spekulationen nicht nur über das „Was wäre wenn?“, sondern auch über das „Wie kann das sein?“. Und indem sie den Zuschauer beständig an die Aporien und Paradoxien seines eigenen Zeitbewusstseins erinnern, machen sie ihn manchmal sogar zu einem wichtigen „Handlungsträger“. Der ungemein intensive und erstaunlich spartanisch inszenierte Zeitreisefilm „Timecrimes“ des Spaniers Nacho Vigalondo ist gerade, was diesen letzten Punkt angeht, ein äußerst gerissener Vertreter seiner Art.

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GOTO 1944

Wie sehr die Entscheidung darüber, wer als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen ist, von technischen Innovationen wie funktionierenden Raketen, Atomwaffen, Chiffriergeräten und nicht zuletzt Computern abgehangen haben könnte, lässt sich sicherlich nur vermuten. Dass diese Innovationen aus dem ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhundert allerdings einen Einfluss auf den Verlauf der Konflikte hatte, ist unbestreitbar. Die Frage „Was wäre wenn …?“ unter einem technischen Gesichtspunkt gestellt, scheint also auf jeden Fall interessant – zumal für (Science) Fiktionen. Bemerkenswert war hier zuletzt Jörg Buttgereits Film „Captain Berlin versus Hitler“ (D 2009), in welchem das Gehirn Adolf Hitlers von dessen Assistentin kryogenisch konserviert und nach dem Krieg in einen Roboter eingepflanzt wurde. Die Hannoveraner Elektro-Band „Welle: Erdball“ schlägt nun mit ihrem Film „Operation: Zeitsturm“ in dieselbe Kerbe – inhaltlich wie auch ästhetisch.

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The Jacket

Thomas Elsaesser kommt in seinem Essay „Was wäre, wenn du schon tot bist?“ auf eine Reihe von Filme zu sprechen, die sich, meist in motivischer Anlehnung an den film noir, mit den Verlust des Gedächtnisses und der damit verbundenen Krise männlicher Identität beschäftigen. Wichtig ist für ihn, dass sich diese Filme, zu denen er unter anderem „Fight Club“, „Lost Highway“ oder „Memento“ zählt, mit der Annahme des Todes des Helden beschäftigen, der sich durch sein Vergessen symbolisch immer auf der Seite der bereits Gestorbenen bewegt. Im Zuge dessen prägt er den Begriff des „post-mortem“-Kinos, Filme also die sich mit dem Vergessen, dem Bemühen um die Wiederholung des Vergessenen und dem Tod auseinandersetzen. Dieses Verhältnis von Vergessen, Wiederholen und Tod bestimmt auch John Mayburys Film „The Jacket“, der in Kürze auf DVD erscheinen wird.
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