Zombies in Berlin

Die Apokalypse beginnt in Moabit. Dabei sollte es doch so schön werden: der 35jährige Wiener Michi (Michael Fuith) kommt nach Berlin, um seine große Liebe Gabi (Anka Graczyk) zurückzugewinnen, trifft jedoch in ihrer Wohnung im Bezirk mit dem spröden Westberliner Charme lediglich zwei Handwerker an. Und dann kommen die Zombies. Bald findet sich Michi mit dem 15jährigen Harper (Theo Trebs) hinter verbarrikadierter Wohnungstür wieder, während draußen die Infizierten toben. Um eine Viruserkrankung handelt es sich, per Biss übertragbar – das entschuldigt dann auch die enorme Agilität der Zombies, die in Marvin Krens „Rammbock“ mal wieder, dem Zeitgeist entsprechend, rennen dürfen. Zum Ausbruch kommt die Krankheit jedoch nicht sofort, sondern erst durch die Ausschüttung von Adrenalin im Körper des Infizierten. Folglich heißt es vor allem: Ruhe bewahren, auch im Angesicht der aggressiven Horden im Innenhof. Wie gut, dass Michi ohnehin über ein eher lakonisches, ausgeglichenes Naturell verfügt…
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Make Love and War

Ich freue mich sehr, dem Land Israel geholfen zu haben, einem Nazi das Leben zu retten“ – eine Komödie, in der solche Dialogsätze fallen dürfen, kann nicht ganz schlecht sein, und tatsächlich gehört Michel Hazanavicius’ Sequel zu seinem eigenen Erfolgsfilm „OSS 117: Der Spion, der sich liebte“ zu jenen Fortsetzungsfilmen, die ihren Vorgänger sogar übertreffen können. Unerreichbar hoch schien freilich diese Hürde auch nie, war doch der erste Film zwar durchweg kompetent inszeniert und der Titelheld von Hauptdarsteller Jean Dujardin mit ansteckender Spielfreude mit Leben erfüllt – und konnte aber doch nie so ganz verhehlen, dass er im Grunde ein one-joke movie ist, dessen mit zunehmender Spielzeit immer stärker überstrapazierte Standardpointe nicht immer so recht zünden wollte. Auch im Falle von „OSS 117: Rio ne répond plus“ (ganz und gar nicht akkurat, aber doch sehr hübsch eingedeutscht als „OSS 117: Er selbst ist sich genug“) hat sich das Spektrum des durchgespielten Scherze nicht wesentlich erweitert, aber da die Welt um den selbstverliebten Geheimagenten herum hier deutlich erweitert wurde und die Anzahl der Reibungsflächen für seine Figur somit spürbar größer ist, schlagen Hazanavicius hier erneut eine ganze Reihe von Lachern mit ihren mitunter ein wenig durchsichtigen Mitteln heraus.

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Der (Selbst-)Bestrafer

Unter den tough guys des Neo-Noir ist Malone (Thomas Jane) der toughste, daran lässt schon die Einleitung von Russell Mulcahys „Give ’em Hell, Malone!“ keinen Zweifel. Da spritzen Blutfontänen meterhoch, werden böse Jungs dutzendweise und ohne Rücksicht auf die eigene Konstitution zerschlagen, zerstochen, zerschossen. Stechen, bevor der Gegner schlägt, und schießen, bevor er zusticht – so lautet die Maxime des Helden, der so gern ein Antiheld wäre, denn: „Once you’re dead, you stay that way.“ Die Form, an die Mulcahy hier Anschluss sucht, ist die des Film noir, doch der Auftakt erinnert eher an nerdige Splatter-Extravaganzen im Stile von Joe Carnahans „Smokin’ Aces“ oder Michael Davis‘ „Shoot’em Up“. Eine filmische Form also, die nicht unbedingt auf Augenhöhe mit den kreativen Tendenzen im gegenwärtigen Bewegungskino ist. Und auch wenn „Give ‘em Hell, Malone!“ es, nachdem er in den ersten zehn Minuten schon einmal das Splatternerdpublikum auf seine Seite gezogen hat, dann auch dabei belässt und in den restlichen gut 80 Minuten andere, ruhigere Pfade beschreitet, spiegelt sich darin doch der Grundzwiespalt eines nicht durchweg gelungenen Films.

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Filmwissenschaftliche Ehrenrettung eines spaßkulturellen Phänomens

Christian Heger, der Autor der Monografie „Die rechte und die linke Hand der Parodie – Bud Spencer, Terence Hill und ihre Filme“, macht bereits im Prolog keinen Hehl daraus, woher die biografische Motivation für seine ursprünglich als Magisterarbeit angefertigte Studie stammt: Aus frühesten Kindheitstagen nämlich, die das große, infantile Staunen über zwei prügelnde, Sprüche klopfende Widerparts, die immer wieder zur Teamarbeit gezwungen sind, erst möglich machten.

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»Die Menschen verfilmen heutzutage aber auch alles!«

Zu den medialen Vorboten des Kinos zählt neben der Oper vor allem das Wachsfigurenkabinett. Bereitete erstere den Weg für die synästhetische, multimediale Darstellung von Inhalten, so lieferte zweitere die „Einstellung“ einer Szenerie, die durch die stillgestellte Bewegung auf ihre Kunsthaftigkeit (die Mise-en-scène) hinweist. Die große Affinität zwischen den beiden Medien hat sich bereits recht früh darin niedergeschlagen, dass das Wachsfigurenkabinett zu einem filmischen „Topos“ wurde. 1924 hatte Paul Leni ein solches zum Handlungsort seines Films „Das Wachsfigurenkabinett“ ausgewählt; neun Jahre später entstand Michael Curtiz‘ „Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts“, von dem André de Toth 1953 ein Remake mit dem Titel „Das Kabinett des Professor Bondi“ drehte, das zuletzt 2005 von Jaume Collet-Serra neu aufgelegt wurde. All diesen Filmen ist gemein, dass sie Horrorfilme sind. Und auch der 1988 entstandene Film „Waxwork“ von Anthony Hickox fällt in diese Reihe – und beteiligt sie wie alle anderen ebenfalls an der allgemeinen Reflexion über die Filmizität des Wachsfigurenkabinetts.

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Kein Superman mit Rückenschmerzen

Werner Herzog, der gerade die Festival-Jury der Berlinale leitet, meldet sich selbst mit einem neuen Spielfilm in der Filmszene zurück. Von Abel Ferraras „Bad Lieutenant“ hat er ein Remake angefertigt, ohne – wie er er behauptet – das Original gesehen zu haben. Mit Jörg Buttgereit und Sirkka Möller haben wir den Film in der Pressevorführung gesehen und danach ein Podcast aufgenommen. Moderiert hat Stefan Höltgen.

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Arabo-was?

„Wir brauchen Sie in Ägypten. Einen Experten der arabo-muslimischen Welt.“ – „Arabo-was?“ Dieser Witz, in der Auftaktviertelstunde zum Besten gegeben, ist der eine Witz, den Michel Hazanavicius’ Agentenfilmpersiflage „OSS 117: Le Caire, nid d’espions“ in den gut 95 Minuten seiner Laufzeit stets aufs Neue variiert. Das ist nicht einmal besonders schlimm, handelt es sich dabei doch zumindest um einen recht guten Witz, aber es schränkt die komischen Möglichkeiten seines Trägerfilms doch einigermaßen ein.

dvm000644dDrei Dinge, so scheint es, gehören zu den zentralen komödiantischen Aufgaben der Agentenfilmpersiflage: zunächst, das Umkippen der globalen Kontrollphantasien, die sich in den 007s der Kinogeschichte bündeln, in die Lächerlichkeit – und damit auch stets gleichzeitig die Freilegung des kolonialistischen Weltbildes und der narzisstischen Selbstverliebtheit der westlichen Nationen. Dieses gelingt Hazanavicius’ Film, der jetzt mit dreijähriger Verspätung und dem deutschen Untertitel „Der Spion, der sich liebte“ erscheint (und damit gleichzeitig eine Brücke zu einer anderen kulturellen Traditionslinie des internationalen Spionagekinos schlägt), auf das Schönste. Manifest wird dieses Topos im Protagonisten Hubert Bonisseur de la Bath, alias OSS 117, perfekt besetzt mit einem vollkommen überzeugenden Jean Dujardin. Diese Figur, direkt aus einer einstmals äußerst erfolgreichen Filmreihe des Eurospy-Kinos der 1950er und 1960er Jahre herausgegriffen, bleibt grundsätzlich vollkommen flach, aber Dujardins exaltiertes, aber nie hysterisches Minenspiel und sein grandioses Timing vermag ihr doch genug Kontur zu verleihen, um den Film zu tragen. Darin offenbart sich ganz große komödiantische Schauspielkunst. Weiterhin ginge es um die Offenlegung und Dekonstruktion der Genremechanismen des Spionagefilms sowie, drittens und idealiter, die Verzerrung hin zu einer eigenen, produktiven Vision des Genres und damit einer Korrektur des darin verfälschten Weltbildes. Leider sind dies Ambitionen, die nur die wenigsten Beiträge zum Subgenre der Agentenfilmpersiflage überhaupt erst entwickeln. In den besten (wenigen) Momenten ließ Jay Roachs „Austin Powers: International Man of Mystery“ (1997) ein grundlegendes Verständnis dieser Zusammenhänge erahnen, leider aber verlor sich die daran anschließende Reihe ja schnell in den Tiefen des Kloakenhumors (und wurde, auch dies soll nicht verschwiegen werden, erst damit so richtig erfolgreich). Und jüngst versuchte sich eine Reihe eher aus dem Wirtschaftsthriller der Soderbergh/Clooney-Schule gespeister Satiren wie „Burn after Reading“ von den Coen-Brüdern, „The Informant!“ von Soderbergh selbst oder der recht avancierte „Duplicity“ von Tony Gilroy auf interessante Weise an einer parodistischen Zuspitzung von Modellen des Agentenkinos im Hinblick auf eine gegenwärtig gedachte Gesellschaftskritik.

oss_117_caire_8_articleSo weit denkt „OSS 117“ in keinem Moment, obgleich sein fish out of water-Grundplot den extrem überspitzten Culture Clash zwischen dem „Alten Europa“ und der muslimischen Kultur fest in den Blick nimmt. Die Witzeleien sind oft mehr, auch mal weniger komisch, meist repetitiv, aber nie wirklich bissig. Einzelne Episoden sind fantastische Solonummern von Jean Dujardin, aber Regisseur Hazanavicius gelingt es niemals, aus einer Aneinanderreihung von Gags etwas zu kreieren, das über die Summe seiner Teile hinausgeht. Somit bietet er auch nie wirklich eine Anschlussmöglichkeit an Diskurse der Gegenwart an, sondern erschöpft sich – daran erinnert er an den zwar wenig komischen, aber in seinem Retro-chic ähnlich angelegten „The Good German“, wieder von Soderbergh – in der möglichst (und tatsächlich annähernd) perfekten Nachstellung der Bildwelten seiner Vorlagen. Die Farben, die Kulissen, die Ausstattung, das alles zeugt von großer Sorgfalt und liebevoller Detailarbeit – aber es friert den Film eben auch in den Grenzen der Hommage fest. Das ist nicht wenig, und es ist bedeutend mehr als etwa die beiden „Austin Powers“-Sequels noch zu bieten hatten. Der vielleicht größte Vorteil einer solchen Verspaßung ohne wirkliche Dekonstruktion des persiflierten Genres liegt freilich letztlich in der erneuten Serialisierbarkeit, und konsequenterweise erschien die Fortsetzung „OSS 117: Rio ne répond plus“ bereits in diesem Jahr. Ein dritter Teil ist bereits in Planung.

OSS 117: Der Spion, der sich liebte
(OSS 117: Le Caire, nid d’espions, Frankreich 2006)
Regie: Michel Hazanavicius; Drehbuch: Jean-François Halin, Michel Hazanavicius; Musik: Ludovic Bource, Kamel Ech-Cheik; Kamera: Guillaume Schiffman; Schnitt: Reynald Bertrand
Darsteller: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, Aure Atika, Philippe Lefebvre, Constantin Alexandrov, Richard Sammel
Länge: ca. 95 Minuten
Verleih: Koch Media

Zur 2 DVD Collector’s Edition von Koch Media

Der Film erscheint bei Koch Media in tadelloser Qualität auf DVD wahlweise als Single-DVD oder 2 Disc Collector’s Edition, letztere erscheint auch als BluRay. Dieser Rezension liegt die 2 DVD Collector’s Edition zugrunde. Diese ist randvoll mit Extras, die es an Unterhaltungswert durchaus mit dem Hauptfilm aufnehmen können. Als besondere Attraktion kann zudem (jedenfalls für seine Fans) die von Komiker Oliver Kalkofe vorgenommene und überraschend akzeptable deutsche Synchronfassung gelten. Diese hat erfreulicherweise wenig mit den Vergewaltigungen fremdsprachiger Filme zu tun, derer Kollegen wie „Richie“ oder „Erkan & Stefan“ bereits schuldig wurden und bemüht sich um eine angemessene Übertragung des Witzes der Vorlage.

Bild: 2,35:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Französisch (DTS, Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar mit Michel Hazanavicius und Jean Dujardin, Keine Ferien für OSS 117 (ca. 67 Minuten), Versprochen und verspielt (ca. 12 Minuten), Gaumont Wochenschau: Weltnachrichten (ca. 5 Minuten), entfallene Szenen (ca. 16 Minuten), Making of (ca. 20 Minuten), Featurette über die Synchronarbeiten, Trailer, 3 Teaser, Promo Reel
FSK: ab 12 Jahren

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