I can’t speak to God

Mit “The Passion of Christ” hatte Mel Gibson nicht nur einen die Kinosäle überschreitenden Diskussionsfall geliefert, der gleichermaßen Werbung für Gibsons Ego wie das katholische Christentum machte, sondern die Filmgeschichte auch um eine besonders problematische, weil naive Jesus-Darstellung bereichert. Dass es danach kaum noch möglich sein würde, sich auf die Christusfigur zu beziehen, ohne sich im gleichen Zuge von Gibsons Arbeit abzugrenzen (oder sich ihr affirmativ anzuschließen), scheint nun Abel Feraras “Mary” zu belegen. Ferara konstatiert darin eine eigene katholische Position und entlarvt das Werk seines Hollywood-Kollegen im gleichen Atemzug als verlogen.
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»Art is not a Crime«

1827 veröffentlicht der englische Essayist und Journalist Thomas de Quincey seine ironische Schrift „Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt eine diskursüberschreitende Debatte zwischen Kriminologie und Ästhetik ein, die in der Kunstproduktion des 20. Jahrhunderts, und hier vor allem in Film und Fotografie, ihre radikalste Ausformulierung bekommen hat. Zum einen adaptieren die Künste authentische Kriminalfälle, weil die ihnen inhärenten Momente von Erhabenheitsästhetik und Affektivität zu den maßgeblichen Faktoren der Kunst gehören; zum anderen beanspruchen nicht wenige Verbrecher für sich den Status eines Künstlers. Vor allem am Phänomen Serienmord ist dieser zweiseitige Anspruch immer wieder formuliert worden. Die Argumente und Ergebnisse stellt Terry Zwigoff nun in seinem ironisch-reflexiven Beitrag „Art School Conficential“ vor.
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Soul Sucker

Was macht Sekten für selbst diejenigen, die es aus Warnungen besser wissen sollten (und oft auch wissen) anziehen? Mit durchsichtigen Heilsversprechungen, wie sie in den 1970er Jahren etwa durch die Moon-Sekte gegeben wurden, ließe sich heute sicherlich kaum noch ein Jugendlicher anziehen. Ebenso werden sicherlich charismatische Anführerfiguren wie Charles Manson einer eher nihilistischen Jugend nicht mehr als Vorbilder dienen können. … Glaubt man. Dass man sich der Suggestivkraft einer solchen Gruppe und ihrer Dynamik nur schwer zu entziehen vermag, zeigt Alison Murrays Film „Mouth to Mouth“.

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Playing with the Kids

Bevor wir jemanden hassen können, müssen wir erst uns selbst hassen lernen. Nach erlittenem Leid wird das Hassobjekt in das Ich integriert und ein Bestandteil desselben: Wir selbst sind es dann zunächst, die die Ausgangssituation wiederholen und unsere Aggression baut sich auf und richtet sich folglich zunächst gegen uns. Rachepläne werden geschmiedet, die Wut staut sich und wenn wir dann dem Hassobjekt begegnen, findet im Akt der Rache eine das Ich befreiende Aktion (meist milder als die imaginierte) statt. Was jedoch lange gährt, bauscht sich ganz besonders auf und entlädt sich mit besonderer Wucht – das zumindest zeigt Larry Kent in seiner schwarzen Familienkomödie „Hamster Cage“, bei der eine Feier in einer Katastrophe endet.
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Mein Engel

Still geworden ist es um Vanessa Paradis, die einstmalige Femme fragile und Lolita der französischen Popmusik. Außer ein paar kleinen Auftritten in Kino- häufiger aber TV-Produktionen zaghaften Versuchen an die Gesangskarriere der 80er Jahre anzuknüpfen (die dann aber auch vor ein paar Jahren aufgegeben wurden), ist die Ehefrau von Johnny Depp kulturell nicht in Aktion getreten. Dass man sie jetzt für Serge Friedmans „Mon Ange“ wieder ausgegragen hat, ist ein Glücksfall.

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Überwachen und Schlafen

Der Beginn von Benjamin Heisenbergs viertem Film „Schläfer“ weckt schon gleich passende Assoziationen: Wir sehen einen Park, durch den Menschen spazieren und belauschen eine Unterhaltung. Welche Position wir dabei einnehmen, bleibt zunächst in der Schwebe: Elemente des Subjektiven deuten sich in den suchenden leichten Schwenks an, objektiven Überblick über die Geschichte suggeriert die Situation des heimlichen Beobachter selbst. Der Verkehrslärm, die Unterhaltung und die Geräusche der Umgebung wecken Erinnerungen an Coppolas „The Conversation“ (1974) – und wie dort wird zwischen den beiden sich unterhaltenden schnell klar, dass es um einen Observationsauftrag geht.
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