Selbstbehauptung und Selbstnegierung

Batman Begins, USA 2005, Christopher Nolan

Die Metamorphosen des menschlichen (oder besser gesagt: männlichen) Körpers, wie sie uns die Kultur- und Kinogeschichte vorführt, können entweder abstoßend oder faszinierend sein. Insbesondere wenn es um das Inkorporieren jener Tierarten geht, die allgemein als ekelerregend oder angsteinflößend gelten, ist diese potenzielle Ambivalenz naheliegend. Die Geschichte einer Fusion zwischen Mensch und Insekt kann einmal als Horrorschocker über den physischen und psychischen Verfall erzählt werden (wie in „The Fly“ von David Cronenberg) oder als Erfolgsstory eines Superhelden (wie beispielsweise in „Spiderman“). Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine solche Metamorphose nicht zur Tragödie ausartet, ist die Kontrolle, die der Held über seinen veränderten Körper behält (idealerweise mit der optionalen Möglichkeit zumindest äußerlich immer in den „normalen“ Zustand zurückzukehren). Die zweite Bedingung wäre eine zum Ausgangspunkt der Geschichte nur schwach ausgeprägte Persönlichkeit, die einer Veränderung nicht scheut und sich sogar danach sehnt in der Hoffnung, die eigene Existenz mit signifikanten Merkmalen zu versehen, die ihr noch zu fehlen scheinen. Der ideale (zukünftige) Superheld ist ein ungeschriebenes Blatt, das auf seine Beschriftung wartet. Allein deshalb taugt der begeisterte Wissenschaftler, den Cronenberg zu einer Fliege mutieren lässt, nicht zu dieser Rolle: Für das Dasein als eine andere Spezies müsste er zuviel von seiner bereits bestehenden Individualität aufgeben. So ist die Verwandlung für ihn nichts als eine Degradierung und Verkümmerung der menschlichen Fähigkeiten, die durch keine neuen Eigenschaften, die vom Fliegenkörper kommen, zu kompensieren sind.

Bruce Wayne (Christian Bale) aus „Batman Begins“ erscheint dagegen von Anfang an als ein denkbar formloses Subjekt, das fast jede Form dankbar annehmen würde, die nur fest und stabil genug ist, um der unerträglichen inneren Amorphie ein Ende zu setzen. Alles, was ihn als Persönlichkeit auszeichnet, ist die von Eltern geerbten Milliarden und das Kindheitstrauma, das auf die Ermordung der Eltern, bei der er Zeuge gewesen ist, zurückgeht. Seine Fledermausphobie, die ebenfalls durch ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit ausgelöst wurde, ist fast das einzige persönliche Merkmal, das nicht direkt auf seine Eltern verweist, und es ist deshalb kein Wunder, dass Bruce ausgerechnet diese Angst fetischisiert, um sie anschließend zur Neuaufbau der eigenen Persönlichkeit einzusetzen. Das hochtechnisierte Fledermauskostüm, das er sich freiwillig anlegt, nachdem er Jahre auf der Wanderschaft bzw. auf der Flucht vor der ihn erschreckenden existenziellen Leere verbracht hat, symbolisiert somit nicht nur den Sieg über die innersten Ängste, sondern auch das Erheben des Individuums zu einer Manifestation seiner selbst, was eine Befreiung von jeglichen Fremdzuschreibungen verspricht. Die Fledermausphobie, die im Film in zahlreichen Rückblenden und Traumbildern zelebriert wird, gehört nur Bruce alleine und liefert folgerichtig die Vorlage für die Beschriftung seines Körpers, die ihn mit signifikanten Zeichen versieht.

Das Kostüm an sich (das für „Batman Begins“ übrigens neu designed wurde) scheint ideal an die Bedürfnisse eines vor der Formlosigkeit Fliehenden abgestimmt zu sein: Er betont und modelliert den Körper gleichzeitig, was Bruce zu einem lebenden Fetischobjekt macht, das seine Grenzen überdeutlich zur Schau trägt, sie aber nie überschreiten würde (oder dürfte). Die eng anliegende Gummimaske, die nur die untere Gesichtspartie offen lässt, kündigt die Reduktion des Individuums auf den Mund an – also auf das vielleicht sinnlichste Organ, das allerdings am wenigsten von seiner inneren Welt verrät. Paradoxerweise muss Batmans Bemühen um die Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen im völligen äußerlichen Verwischen jeglichen individuellen Ausdrucks kulminieren. Ein subversives Potenzial hat diese Entwicklung trotzdem, denn Bruces selbstgewählte radikale „Entindividualisierung“ stellt einen Gegenentwurf zu gemäßigten Individualitätsprojekten dar, die ihm seine Umgebung zur Auswahl bietet. So vollzieht Bruce, indem er sich für die Existenz eines Traumwesens an der Grenze zwischen Tier und Mensch entscheidet, einen Gestus der Selbstbehauptung durch Selbstnegierung.

Weil das Problem der Sicherung der eigenen Stabilität für Batman so wichtig ist, verwundert es auch nicht, dass zu seinem wichtigsten Feind eine Figur wird, die Formlosigkeit bewusst kultiviert. Noch nie hat Batmans Gegenspieler so androgyn ausgesehen, wie der von Cillian Murphy verkörperte Psychiater Dr. Crane. Schon seine äußere Erscheinung scheint die Gendergrenze zu bedrohen, die Bruce mit körperlichen Ertüchtigungen und mentalem Abhärtungstraining zu stabilisieren versucht. Die Waffe, die Crane im Kampf um seinen Einfluss in Gotham City benutzt – ein im Labor entwickeltes Gas, das Halluzinationen und Angstzustände auslöst – ist in ihrer Substanz ebenfalls amorph, aber gerade dadurch besonders bedrohlich. Sie bildet einen deutlichen Gegenpol zu Batmans direktem Körpereinsatz in den Kampfszenen. Auch die Maske von Crane ist betont formlos und ähnelt eher einem grob gestrickten Kartoffelsack. Anstatt den Körper in seine engen Grenzen zu weisen, lässt sie ihn zerfließen und nach allen Seiten entweichen (zusammen mit den gefährlichen Gasen, die die Maske versprüht) und entwickelt so eine Monstrosität, von der sich Batman trotz seiner bedrohlich wirkenden Verkleidung gerade zu distanzieren versucht.

Insgesamt gesehen ist der Film ein gelungener Beitrag zur Superhelden-Saga. Allerdings hält sich die Produktion zu genau an die altbewährten Genrekonventionen, so dass lustvolle Grenzüberschreitungen oder unerwartete Wendungen fast unmöglich werden. Ganz ähnlich wie sein Held, geht der Film nie aus sich heraus. „Batman Begins“ zwingt sich in ein sehr enges stilistisches Korsett, macht darin aber eine gute Figur, was das Ergebnis – insbesondere für Batman- und Actionfans – durchaus sehenswert werden lässt.

Batman Begins
(USA 2005)
Regie: Christopher Nolan; Buch: David S. Goyer, Christopher Nolan; Kamera: Wally Pfister; Musik: Hans Zimmer, James Newton Howard
Darsteller: Christian Bale, Michael Caine, Liam Neeson, Katie Holmes, Gary Oldman, Cillian Murphy u.a.
Länge: 140 Minuten
Verleih: Warner

Ekaterina Vassilieva-Ostrovskaja

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