Das Vorspiel danach

So was wie Liebe, USA 2005, Nigel Cole

Wenn man Büchern über Geschlechterpsychologie glauben darf, ist für eine Frau viel entscheidender, was nach dem Sex passiert, als davor. Das Umwerben mag noch so hinreißend sein, wenn aber nach der ersten gemeinsamen Nacht die Bemühungen deutlich abklingen, wird das eine Enttäuschung. Die romantische Komödie „So was wie Liebe“ hat also alle Chancen, die (erotischen) Phantasien des weiblichen Publikums anzusprechen, wenn sie die Handlung unmittelbar mit der sexuellen Begegnung beginnen lässt und erst daraus eine vollwertige Liebesgeschichte entwickelt. Was mit ein paar interessierten Blicken am Flughafen und dann mit einem Quickie an Bord eines Flugzeuges anfängt, mündet in sieben Jahre gegenseitiger Sehnsucht und mühsamer (Wieder)Annäherung. Das fehlende bzw. zu kurz geratene Vorspiel wird mit einer zeitlichen Verschiebung in einer besonders ausgedehnten Form nachgeholt.

Scheinbar findet hier die Umkehrung des klassischen Musters einer screwball comedy statt. Die screwball comedy – auch bekannt als „Sexkomödie ohne Sex“ – erlebte ihre Sternstunde im amerikanischen Film der 30-40-er Jahre, wobei sich die Handlung um die Geschichte zweier (oft ungleicher) Partner kreiste, die nach vielen Wirrungen und Missverständnissen doch zueinander finden. Die erotische Spannung schöpfte die screwball comedy aus der Dynamik des Geschlechterkampfes, der sich in temporeichen Dialogen und skurillen Slapstikeinlagen entlud. Aufgrund des biederen Production Codes, der bis in die 50-er Jahre in Hollywoodproduktionen keine „Anzüglichkeiten“ zuließ, konnte der wirkliche Sex erst im Finale in Aussicht gestellt werden, natürlich nach der Hochzeit der beiden Protagonisten und nur in der Phantasie der Zuschauer. Die neueren romantischen Filme aus Hollywood tendieren dagegen dazu, die sexuelle Begegnung immer weiter nach vorne zu verlagern: Meistens schlafen die Helden schon in der ersten Hälfte der Spielzeit miteinander, was aber keinesfalls die endgültige Erfüllung ihrer Sehnsüchte bedeutet. Denn Sex ist für sie nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur (richtigen) Liebe, die – nicht anders als in den zensurpflichtigen Filmromanzen aus der Vorkriegszeit – idealerweise mit einer Hochzeit besiegelt wird. So degradiert der Sex wieder zu einer Nebensache, die nicht unbedingt explizit gezeigt werden muss, was den Film familienfreundlicher macht und eine großzügige Altersfreigabe erlaubt (unter Umständen sogar ab 0 Jahren).

Aber auch im Rahmen dieser neueren Hollywoodtradition ist „So was wie Liebe“ ein Sonderfall, da der erste (angedeutete) Sex darin – rekordverdächtig – bereits nach wenigen Filmminuten vorkommt, und zwar: noch bevor die ersten Worte zwischen den beiden Protagonisten ausgetauscht werden. Initiiert wird der Flugzeugquickie natürlich von der Frau, die – gemäß den Genrekonventionen – fast immer die exzentrischere von beiden ist, was hier noch zusätzlich durch ihr „alternatives“ Gothic-Outfit im Gegensatz zur sportlich-lässigen Kleidung des männlichen Parts unterstrichen wird. Doch im Grunde sind Emily (Amanda Peet) und Oliver (Ashton Kutcher) gar nicht so verschieden, was dem Zuschauer – vielleicht auch entgegen der Drehbuchabsicht – sofort auffällt. Die Spannung, die in „ungleichen“ Romanzen aus der Beobachtung der langsamen, aber sicheren Annäherung der scheinbar unvereinbaren Gegensätze resultiert, wird also gleich am Anfang erheblich beeinträchtigt. In den folgenden Erzählsequenzen, die uns schon in den nächsten Zeitabschnitt versetzen, wird der Heldin auch ihr Gothic-Outfit genommen, wodurch die letzte Hürde, die noch den symbolischen Unterschied zwischen den (potenziellen) Liebespartnern markierte, beseitigt zu sein scheint. Dass sie danach noch einige Jahre brauchen, um zu verstehen, dass sie füreinander geschaffen sind, ist weder dramaturgisch noch psychologisch gerechtfertigt und lässt den erotischen Spannungsbogen fast gänzlich verkümmern. Entschädigt wird der Zuschauer weder durch spritzige Dialoge noch durch geschickt eingesetzte Situationskomik. Der einzige konsequent durchgehaltene Gag und gleichzeitig ein Substitut der abwesenden Sexszenen sind gemeinsame Mahlzeiten, die fast immer etwas anarchisch geraten und gelegentlich zum Ekelgefühl appellieren (etwa wenn Oliver der lachenden Emily die zerkauten Chipreste in seinem Mund demonstriert). Doch die Anarchie hält sich schließlich in Grenzen, genauso wie der Unterhaltungswert der gesamten Produktion.

Auch die Darsteller vermögen es nicht, Lichtblicke zu verschaffen. Amanda Peet, die sich immer wieder um das strahlende Lächeln bemüht, erzeugt leider nur die Wirkung eines Julia-Roberts-Simulakrums. Und Ashton Kutcher, der unter anderem aus der MTV-Show „Punk’d“ bekannt sein dürfte, wo er diverse Prominente mit versteckter Kamera auf den Arm nimmt, scheint sich diesmal selbst einen Streich gespielt zu haben: Bei einigen seiner Auftritte wartet man fast auf die erlösende Meldung, dass alles nur Spaß war. Dann könnte man vielleicht auch endlich lachen.

So was wie Liebe
(A Lot Like Love, USA 2005)
Regie: Nigel Cole; Buch: Colin Patrick Lynch; Kamera: John de Borman; Musik: Alex Wurman
Darsteller: Ashton Kutcher, Amanda Peet, Kathryn Hahn, Kal Penn, Ali Larter u.a.
Länge: 107 Minuten
Verleih: Buena Vista

Ekaterina Vassilieva-Ostrovskaja

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