Running on Karma

Johnnie To und Wai Ka Fai demonstrieren in Running on Karma wie man so ziemlich jedes in Hong Kong kommerziell erfolgreiche Genre durch den Wolf dreht, wie man ermüdende Konventionen in ihre Einzelteile zerlegt, sie gegeneinander ausspielt, aneinanderreiht um am Ende dann doch wieder etwas Neues zu erhalten, für das es schwer ist die passenden Worte zu finden. Neben der Unabhängigkeit und dem nicht zu unterschätzenden Mut, den es dazu braucht, schadet es ganz sicher nicht, viel gesehen und viel ausprobiert zu haben – was das filmische Handwerk anbetrifft, versteht sich, aber auch sonst. Wenn man sich diesen Film ansieht, verdichtet sich mit zunehmender Zeit ein Verdacht zur Gewissheit. Es ist die Freude an der selbst gestellten Herausforderung, an der Überwindung des Undenkbaren, an der Überführung einer Geschichte in eine andere, und das beinahe ständig, von Szene zu Szene.

Der Plot von dem bodygebuildeten Ex-Mönch (ein Widerspruch an sich, der sich gerade deshalb so wunderbar treffend ins Konzept des Films einfügt) der mit seinem Glauben hadert, der Plot also, der den strukturellen Zusammenhalt liefert, als Kitt quasi, der ist natürlich ungemein wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger als bei einem klassischeren Ansatz. Dennoch ist er bei To/Fai nebensächlicher als sonstwo. Der gesuchte Mörder, der sich in einer der ersten Szenen groteskerweise aus einem winzigen Karton zwängt, wird sich später in einer Tasche verpackt und von den erbarmungslosen Schlägen eines Polizisten malträtiert, auf einem Busbahnhof wiederfinden. Eine nüchterne Einstellung, ein wenig länger als es nötig wäre, nein, exakt so lang wie es sein muss, sie reicht in diesem Moment aus um dem Publikum ein ungläubiges Glucksen zu entlocken. Das frappierende daran ist, und das hat der Film bis dahin erreicht: die Szene ist lustig und verstörend zugleich, sie ist brutal und anrührend (wenn einer Frau der Arm weggeschossen wird), sie wirft den Zuschauer aus der Balance ohne ihn zu verlieren – und wir sprechen hier von einem kommerziell erfolgreichen Film, der auf ein größeres, in Hongkong traditionell unruhiges Publikum abzielt. Genauso selbstverständlich wird man den muskelbepackten Lau auf einem Moped beobachten, in einer der witzigsten Szenen, wenn er wie im Slapstickfilm zur Verfolgung bläst und alle drei Meter gegen Häuserwände, Böschungen oder Randsteine kracht.

Um den Zuschauer nicht zu verunsichern, da ist man sich einig, muss man möglichst schnell etablieren auf welcher Hochzeit man tanzen will. Man kann auch das genaue Gegenteil davon tun und dennoch davonkommen. To/Fai habens bewiesen.

Running on Karma
(Running on Karma, Hongkong 2003)
Regie: Johnnie To, Wai Ka Fai; Drehbuch: Wai Ka Fai, Yau Nai Hoi, Au Kin Yee, Yip Tin Shing; Kamera:
Darsteller: Andy Lau, Cecilia Cheung, u.a,
Länge: 93 Minuten

Thomas Reuthebuch

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