Portrait of a Serial Killer

Auch im unvermeidlichen Sequel zu SLEEPAWAY CAMP arbeiten die Drehbuchschreiber weiter daran, den die Genremechanismen reflektierenden Tenor des Originals beizubehalten. Wurde in BLUTIGER SOMMER – CAMP DES GRAUENS die Grundthese des Slasher-Films – Sex ist krank und muss deshalb bestraft werden – falsifiziert, indem genau das Gegenteil bebildert wurde, so widmet sich das Sequel nun dem Innenleben des eigentlichen Slasher-Protagonisten, dem psychopathischen Killer, und holt so an die Oberfläche, was im Slasher-Film lediglich Subtext ist. Dabei geht aber auch CAMP DES GRAUENS 2 den Weg aller Sequels des Subgenres und macht den Antagonisten des Vorgängers zum Protagonisten. Dies hat zur Folge, dass sich das Augenmerk des Slasher-Film-Sequels von der Frage „Wer war es?“ – der Frage des klassischen Kriminalfilms – hin zu einem „Wie wird er es tun?“ verlagert. Mit dieser Entwicklung geht zunehmend eine Fragmentierung der Handlung einher: Eine Geschichte im klassischen Sinn wird nicht mehr erzählt, vielmehr werden einfach mehr oder weniger spektakuläre Mordszenen lose miteinander verbunden. Diese Entwicklung ist auch in CAMP DES GRAUENS 2 zu beobachten, der sich strukturell nahtlos in sein Genre einfügt.

Schon mit der Eröffnungsszene des Films etikettiert Regisseur Michael A. Simpson seinen Film sehr offenkundig als Genrefilm: Begann Hiltzik das Original mit einem Ausblick auf das Ende des Films und wagte so eine für das Genre relativ untypische, über die Grenzen der eigenen Erzählung hinausweisende Konstruktion von Zeit, hält sich Simpson überkorrekt an die Regeln, indem er den Anfang von FREITAG, DER 13. – JASON KEHRT ZURÜCK zitiert: Jugendliche Camper sitzen um ein Lagerfeuer und versuchen, sich mit den unvermeidlichen scary stories zu erschrecken. Als das einzige Mädchen in der Männerrunde die Geschichte von Camp Arawak aus dem ersten Teil erzählt, gibt es jedoch nicht den gängigen „fake scare“, sondern Angela taucht auf, mittlerweile selbst Camp-Aufseherin und nach einer Geschlechtsumwandlung endlich eine „echte“ Frau, und beendet das Treiben zunächst ganz unspektakulär. Doch das geschwätzige, „sündhafte“ Mädchen wird von Angela abkommandiert und schließlich im Wald von ihr ermordet. Die Wandlung von Angela ist offensichtlich: Aus dem sexuell verstörten Mädchen im Körper eines Jungen ist ein puritanischer und somit klassischer Slasher geworden, der unzüchtiges Verhalten bestraft und sich pikanterweise als vermeintliche Vertrauensperson unter seine Opfer gemischt hat. Der Feind wandelt in den eigenen Reihen.

Auch die nächste, sich den Credits anschließende Szene macht den Wandel der Strategie des Films gegenüber dem ersten Teil evident: Sich hysterisch – und damit Slasher-Film-typisch – verhaltende weibliche Teenies entblättern sich. Der Kommentar „Haven’t you seen boobs before?“ scheint sich an den Zuschauer zu richten und auf die diesbezügliche Zurückhaltung des Originals anzuspielen. Die ausgelassene Stimmung wird jedoch erneut von Angela gestört, die im weiteren Verlauf des Films als typische Bestraferin etabliert wird, im Unterschied zu Jason Voorhees und Michael Myers jedoch in der Lage ist, sich zu artikulieren und über ihre Beweggründe Auskunft zu geben. Angela wird zum eigentlichen Zentrum des Films und eröffnet dem Zuschauer tiefere Einblicke in die Psyche des Slashers, indem sie ihre Motivation expliziert und somit den Sex- und Moraldiskurs des ersten Teils auf einer anderen Ebene fortsetzt.

Angela (mit viel Verve und komödiantischem Talent gespielt von Pamela Springsteen, der Schwester des US-Musikers) wird als absolut spaßresistente Vertreterin einer radikalen political correctness charakterisiert und damit als Figur, die in den USA des George W. Bush wieder Hochkonjunktur feiern darf: Voller innerer Widersprüche intoniert sie ohne jegliche Form der Selbstironie den „Happy Camper Song“, vertritt aber gleichzeitig eine ungemein strenge No-Fun-Ideologie. So klopft sie sich für ihre Jungfräulichkeit auf die Schulter, will aber genau wissen, dass Sex Teufelszeug ist; sie gibt Lebensweisheiten von sich wie: „Keep your morals strong and you never go wrong“, tötet aber jeden, dessen Lebensweise der ihren widerspricht; sie behauptet „I know what happens when things get out of control“, vergisst dabei aber, dass es ja gerade eine repressive Moral war, die die Katastrophe und ihren eigenen Leidensweg erst heraufbeschwörte; und sie setzt sexuelle Erfahrung mit Krankheit gleich, obwohl sie die einzige Person ist, die offensichtlich krank ist. Es ist der missionarische Eifer einer weltfremden Person, der die Camper ins Verderben stürzt. Die völlige Fehleinschätzung ihrer selbst offenbart Angela dann am Schluss ganz explizit, als sie von sich behauptet, sie sei „completely cured“, während sich um sie herum die Leichen stapeln.

CAMP DES GRAUENS 2 ist eine Satire, kein Horrorfilm. Dafür spricht neben den zahlreichen komischen Szenen – zum Beispiel jener, in der Angela nach einer passenden Mordwaffe sucht, während ihr Opfer in spe im Nebenraum aus ihrem Leben berichtet – auch die Abwesenheit jeglicher Suspense in den zahlreichen humorvoll überspitzten Mordszenen, die nie den Anschein erwecken, als wollten sie es mit der Blutrunst ihrer Vorbilder aufnehmen: Das ständig kiffende Zwillingspaar wird auf einem Grill geröstet, der Geschichtenerzählerin aus der Eröffnungsszene wird die Zunge abgeschnitten, das Mädchen Mare – von Angela bezeichnenderweise Mary genannt – umständlich mit einem Bohrer ermordet und die stets zu Allem bereite Ally in einem Plumpsklo ersäuft. Sein Verhältnis zu den anderen Genrevertretern seiner Zeit artikuliert der Film auch in einer anderen Szene, die dazu angetan ist, den Status von CAMP DES GRAUENS 2 als Meta-Slasher zu zementieren: Zwei Jungen verkleiden sich als Freddy Krueger und Jason, um Angela einen Schreck einzujagen, werden jedoch von dieser – Kettensäge-schwingend und mit einer Maske aus Menschenhaut vermummt – überrascht und umgebracht. Warum Angela den Zweikampf für sich entscheiden kann, liegt auf der Hand: Während Jason und Freddy längst der Popkultur überantwortet sind und ihren subversiven Esprit verloren haben, ist Angela der erste Slasher mit einer Mission. Und die Maske des Biedermanns, hinter der sie sich versteckt, garantiert ihr auch das Überleben bis zum dritten Teil. Anders als ihre Konkurrenten ist sie nicht das Andere, das in die Normalität einbricht, sondern selbst Bestandteil dieser Normalität. Der radikale Puritanismus braucht keinen zombiefizierten Maskenmann, seine Vollstrecker sind längst unter uns.

CAMP DES GRAUENS 2 (SLEEPAWAY CAMP 2: UNHAPPY CAMPERS)
Regie: Michael A. Simpson, Drehbuch: Fritz Gordon, Musik: James Oliveiro, Kamera: Bill Mills, Schnitt: John David Allen
Darsteller: Pamela Springsteen, Brian Patrick Clarke, Renée Estevez, Walter Gotell, Susan Marie Snyder
Länge: 80 Minuten
Verleih: Double Helix Films

Oliver Nöding

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