Nicht alle E.T.s sind freundlich!

Einen Film zu verbieten ist nur eine Möglichkeit, ihn verschwinden zu lassen. Eine andere und viel effektivere ist, ihn einfach in das unterste Regal des letzten Raumes in der Videothek zu stellen und ihn dann irgendwann auszumustern. Solch ein Schicksal erlitten unzählige Filme; vor allem jene aus der Riege, die niemals in irgendeinem deutschen Kino liefen: Die B-Pictures aller Genres. Solcher Werke haben sich seit Siegeszug der DVD zahlreiche Distributoren verschrieben, um dem eigenen Programm charmantes Profil zu geben und leisten dabei en passent einen großen Dienst als Filmarchivare. Denn beim Versuch, den Film in der möglichst integralen Fassung auf DVD zu pressen, werden umfangreiche Recherchen unternommen, um die bestmögliche Kopie, verschiedene Synchronisationen und Zusatzmaterial zusammenzutragen. Bei Marketing ist in diesem Sinne jetzt der kanadische Science Fiction/Horrorfilm X-Tro erschienen.

X-Tro von Harry Bromley Davenportes aus dem Jahre 1982 (1983 erstmals in Deutschland veröffentlicht unter dem Titel X-Tro – Nicht alle Außerirdischen sind freundlich), ragt durch seine intelligente Story und vor allem die skurrilen Spezialeffekte aus der Masse der seinerzeit erschienenen Alien-Filme heraus. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der von Außerirdischen entführt wurde und drei Jahre später zur Erde zurückkommt, um seine Familie abzuholen. Seien Frau hat sich zwischenzeitlich aber mit einem anderen Mann über den Verlust hinweg geholfen. Er gibt ihr gegenüber vor, sich nicht an die Umstände seines Verschwindens erinnern zu können und daran, was in den vergangenen Jahren seiner Abwesenheit geschehen ist. Hinterrücks verwandelt er jedoch seinen kleinen Sohn ebenfalls in ein Alien und plant ihn zu entführen.

X-Tro bietet eine Reihe außergewöhnlicher Einfälle – nicht zuletzt in seinen Splattereffekten. So präsentiert der Film die Rückkehr des Vaters von den Aliens als eine Geburt: Eine Frau – von dem Alien geschwängert (wohl der Hauptgrund, warum der Film in Deutschland indiziert wurde) – bringt ihn als erwachsenen Mann zur Welt (was nicht besonders glimpflich für sie ausgeht). Beeindruckend an X-Tro sind vor allem die vermeintlich logischen Brüche und Rätsel, die der Plot aufgibt. Vom Anfang bis zum Ende wird dem Zuschauer nichts erklärt. Durch seine Bilder und den stets kommentierenden Soundtrack zwingt der Film seinen Zuschauer zur beständigen Interpretation des Geschehens. Dadurch, dass er nicht mit seinen Deutungspotenzen hausieren geht, schafft X-Tro eine nicht unerhebliche intellektuelle Distanz zu zahlreichen anderen Produktionen des Alien-Subgenres.

Leider ist X-Tro nicht das einzige Werk des Briten H. B. Davenportes geblieben. Sieben Jahre später drehte er X-Tro – Die zweite Begegnung (Can 1990) und darauf XTRO-3 (USA 1995); beides recht einfallslose Splatterfilme, die nicht nur nichts mit der Erzählung des ersten Teil zu tun haben, sondern es auch fraglich erscheinen lassen, ob dessen kryptische Originalität nicht doch nur ein „narrativer Wackelkontakt“ des Regisseurs gewesen sein könnte.

X-Tro
(GB 1982)
Regie, Drehbuch & Musik: Harry Bromley Davenportes,
Kamera: John Metcalf
Darst.: Bernice Stegers, Philip Sayers, Simon Nash, Maryam D’Abo u. a.
Länge: 81 Min.; Verleih: Marketing


Die DVD von Marketing

Die „Complete Edition“ von X-Tro wartet als 2-Disc-Set auf: Zu sehen ist die Kinofassung des Films, die deutsche und die britische Videofassung. Der Grund, warum zwei verschiedene Videofassung angeboten werden, ist, dass X-Tro mit einem alternativen Ende gedreht wurde. Die in Deutschland 1983 erschienene Fassung lässt den Film optimistischer Ende als die britische.

Alle drei Fassungen verfügen über deutschen wie Englischen Ton aber keine Untertitelung. Einige Segmente der englischen Fassung mussten zudem mit deutschem Ton versehen werden, weil der vollständige englische Ton – so ein Hinweis auf dem Cover – nicht vorlag.

Als Zusatzmaterial bietet die DVD mit der (im übrigen längeren) Kinofassung Trailer, Künstlerbiografien, Filmografien, Standbilder und Teaser/Trailer des Films.

Trotz der Warnung des Covers, das Bild könne teilweise nicht dem hohen DVD-Niveau entsprechen, sind kaum Schwächen festzustellen. Sowohl der Kontrast in den recht häufigen Dunkel-Szenen als auch die Farbluminanz erweisen sich bei allen enthaltenen Fassungen als gut.

Technische Daten im Einzelnen:

Ton: Englisch (DD 5.1 und DD 2.0), Deutsch (DD 2.0)
Bild: PAL, 4:3 (Videofassung), Letterbox (Kinofassung)
Länge insgesamt: 250 Minuten
Extras: Teaser, Slideshow, Artwork-Galerie, Alternatives Ende, Filmografien

Stefan Höltgen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.