Made in England

Seit Woody Allen sich mit Anything Else leise aus dem Filmprojekt namens Woody Allen zurückgezogen hat, wird jeder neue Film von ihm kritisch beäugt: Sein Alterswerk wird noch auf die schwächsten Signale der Tradition abgehört, jede neue Geste zum Bruch mit dem Hergebrachten. Das ist vermutlich die verspätete Rache jener Reklameintellektuellen, die Allen in seinen Filmen so meisterlich bloßzustellen weiß. Match Point, Allens neuestes Werk, hat nicht nur darin Tradition.

Die Geschichte ist die alte des homo novus. Chris (Jonathan Rhys-Meyers), ein Tennislehrer für gediegenen Geldadel in London, gewinnt die Gunst von Tom, dem Sohn eines steinreichen Patriarchen. Schnell gerät er in den inneren Familienzirkel, wo Toms Schwester Chloe sich in ihn versieht. Mit Vaters Segen heiratet der irische Emporkömmling in das Geschlecht ein und erfährt – entsprechend in Schwiegerpapas Firma protegiert – einen raschen Aufstieg. Wie der Zufall es will, begegnet er unterdessen Nola (Scarlett Johansson), der schönen Verlobten Toms. Eine Affäre folgt und bedroht alles bis dahin Erschlichene. Chris setzt abermals alles auf das Prinzip Zufall.

Wie schon in Sweet and Lowdown versucht sich Allen erneut am Drama. Das allerdings bedeutet entgegen so mancher Kritik nicht, dass er mit Match Point einen Abschied vom Humor feiern würde. Vielmehr ist der Witz gemäß der Landessitte auf einer subtileren Ebene zu finden. Die Aufstiegsübungen des ambitionierten Tennislehrers – Faible für italienische Arien, trendige Dostojewski-Lektüre, kulinarische Weiterbildung en Français – strotzen nur so davon. Besonders der aalglatte Charme, mit dem er seine Umwelt umgarnt und belügt, können es im Humorgehalt mit Allens besten Werken aufnehmen. Selbst aus früheren Filmen bekannte Versatzstücke tauchen auf. So eine Szene, in der nächtens die Geister seiner Opfer den selbst noch unausgeschlafen perfekten Lügner nicht um die Contenance bringen. Und schließlich sind da auch noch die Kapriolen des Zufalls.

Obwohl er ein von systematisierenden Kritikern und in die Jahre gekommenen Woody-Veteranen überhöhtes Erwartungswerk ist, kann Match Point auch den nur interessierten Zuschauer überzeugen. Erinnerungen werden wach an Anthony Minghellas hervorragenden, aber unterbewerteten The Talented Mr. Ripley. Mit einem ausgezeichneten Ensemble, einer zisilierten Handlung und reichlich Lebensironie beschreibt er den Aufstieg und Triumph eines amoralischen Hochstaplers. Addiert man dazu subtilen Allen-Humor, so erhält man Match Point.

Match Point
(UK/USA/LU 2005)
Regie & Drehbuch: Woody Allen, Kamera: Remi Adefarasin, Musik: Rossini, Verdi, Webber u.a, Schnitt: Alisa Lepselter
Darsteller: Jonathan Rys-Meyers, Scarlett Johansson, Alexander Armstrong, Brian Cox, Emily Mortimer
Prokino-Filmverleih
124 Min.

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