Changing Times

Was waren das noch Zeiten, als Téchiné hintereinander „J’embrasse pas“, „Ma saison preferée“ und „Les roseaux sauvages“ inszenierte, seine Bilder vor Leidenschaft vibrierten, für seine Figuren, zumeist Außenseiter aus der Provinz oder Heranwachsende in Identitätskrisen. Nichts von alledem ist spürbar in seinem neuesten Film, „Les temps qui changent“.

Es ist geradezu erschreckend, wie wenig Téchiné mit seinen Schauspielern anzufangen weiß, wie blutleer selbst die Szenen zwischen Catherine Deneuve und Gérard Depardieu wirken, den beiden Hauptdarstellern, die ein Liebespaar zu spielen haben, das nach langer Zeit wieder zueinander findet. Zwischendrin eine halbherzig erzählte Liebesgeschichte zwischen Deneuves Sohn und einem Maghrebiner. Als wolle sich Téchiné zwanghaft an seine Wurzeln erinnern, waren doch eben diese Konstellationen immer die Stärke seiner Filme – die Unentschlosseneit seiner Figuren, das Erwachen von Leidenschaft. Eingebettet das Ganze in einen zaghaft angerissenen „Culture-Clash“. Es hätte nicht viel gefehlt, denkt man, und die Autoren hätten auch noch eine von Islamisten gezündete Bombe explodieren lassen.

Ich weiß nicht wovon ich mehr enttäuscht bin. Von dem Desinteresse an den Figuren oder von den inszenatorischen Einfällen, etwa wenn sich wiederholt ein tollwütiger Hund kläffend ins Bild drängt. Später, nachdem der Köter endlich zuschnappt, versichert man sich der Harmlosigkeit des Angriffs. Es ist ein Hin und Her, ein Vor und Zurück, in dessen Folge jegliche Konsequenz begraben wird, wie der arme Gérard Depardieu, der in seinem schönen Anzug durch den Matsch stapft und von einer Erosion verschüttet geht.

Thomas Reuthebuch

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.