Kein Grund sich zu schämen: Horror als Karrieresprungbrett

Nicht wenige renommierte Regisseure verdienten sich die Sporen im Horrorfilm: Steven Spielbergs erster Langfilm „Duell“ (1971) kann dem Genre ebenso zugeordnet werden, wie sein Haunted-House-Movie „Haus des Bösen“ (1972). Francis Ford Coppola lieferte mit „The Terror – Schloss des Schreckens“ und „Dementia 13“ (beide 1963) rund dreißig Jahre vor seinem Welterfolg „Bram Stoker’s Dracula“ (1992) zwei veritable B-Film-Schocker ab. Peter Weirs frühe Werke „Die Killerautos von Paris“ (1974) und insbesondere das elegische Mystery-Drama „Picknick am Valentinstag“ (1975) gelten als Klassiker des phantastischen Films. Oliver Stones „Die Herrscherin des Bösen“ (1974) und sein Kurzfilm „Mad Man of Martinique“ (1979) sind womöglich bisher zu recht unentdeckte Meisterwerke geblieben. Doch seinen Psycho-Horror „Die Hand“ (1981) mit Michael Caine darf man bedenkenlos empfehlen.


Sam „Spiderman“ Raimi begann bekanntlich mit dem blutigen Dämonenfilm „Tanz der Teufel“ (1981) und auch Peter Jackson reüssierte mit Splatterfilmen  wie „Bad Taste“ (1987) und „Braindead“ (1992). Ridley Scotts zweiter Film überhaupt, „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979), verhalf ihm zu einem Ticket nach Hollywood. James Cameron, der 1986 die Fortsetzung „Aliens“ inszenierte und später mit der Lovestory „Titanic“ (1997) einen der erfolgreichsten Spielfilme überhaupt abliefern sollte, präsentierte uns in seinen ersten Langfilmen fliegende Piranha-Mutationen („Piranha II – Fliegende Killer“, 1981) und einen Killerroboter aus der Zukunft mit steirischen Dialekt („Terminator“, 1984).

Ebenso verschaffte die Alien-Saga David Fincher mit seinem düsteren Regiedebüt „Alien³“ (1992) zu seinem Aufstieg in Hollywoods Filmemacher-Beletage. Der Regisseur des quietschbunten „Die fabelhafte Welt der Amélie“ (2001) konfrontierte uns in seinem Frühwerk mit kannibalischen Mietshausbewohnern in „Delicatessen“ (1991), einem Mad Scientist in „Die Stadt der verlorenen Kinder“ (1995), aber auch ebenso mit den schwarzglänzenden Aliens des H.R. Giger in „Alien – Die Wiedergeburt“ (1997).
Roman Polanskis feministische Horrorszenarien „Ekel“ (1965) und „Rosemaries Baby“ (1968) entstanden ebenso in seinen frühen Jahren, wie das vampirische Lustspiel „Tanz der Vampire“ (1967), das eine ganze Lawine ähnlich gearteter Horrorproduktionen ins rollen brachte: In Deutschland entstanden in den 70ern z.B. Helmut Förnbachers „Beiß mich, Liebling“ , Freddie Francis’ „Gebissen wird nur nachts – Happening der Vampire“ (beide 1970), Franz Josef Gottliebs „Lady Dracula“ (1978) und schließlich – und hier sind wir auch schon bei dem Film, dem dieser Artikel gilt – Carlo Ombras „Graf Dracula beißt jetzt auch in Oberbayern“ (1979).

Wer war Carlo Ombra? Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich (aus Scham?) der gebürtige Schweizer Carl Schenkel, der mit diesem Crossover aus erotischer Vampirkomödie und Lederhosenklamauk sein Regiedebüt für den Produzenten Karl Spiehs und seine auf der lukrativen 70er-Jahre-Sexfilmwelle schwimmenden Lisa Film GmbH ablieferte. Nachdem er 1984 mit dem Fahrstuhl-Thriller „Abwärts“, einem realistischen Rip-Off des niederländischen Horrorfilms „Fahrstuhl des Grauens“ von Dick Maas, der ein Jahr zuvor erfolgreich in den deutschen Kinos lief, auf diversen Festivals Preise abstauben konnte (u.a. Fantasporto 1985: International Fantasy Film Award – „Beste Regie“ und „Publikumspreis“ und im selben Jahr in Sitges den „Caixa de Catalunya“ – „Beste Regie“ und „Kritikerpreis“), hatte er sich seine Meriten verdient und tat das, was europäische Regisseure tun, wenn sie ein Faible für das Genre-Kino haben: Sie siedeln nach Hollywood über. Von den dort entstandenen Filmen bleiben wohl der atmosphärische Schach-Giallo „Knight Moves – Ein mörderisches Spiel“ (1992) mit Christopher Lambert und der drei Jahre später entstandene Medizin-Thriller „Exquisite Tenderness“ mit Hugh Grant (in einer ernsten Rolle!) in Erinnerung. 2003 starb der Exilant Carl Schenkel im Alter von 55 Jahren an Herzversagen.

Die Handlung von „Graf Dracula beißt jetzt auch in Oberbayern“ beginnt als haarsträubende Aneinandereihung peinlich-alberner Episoden in der Tradition der Lederhosenfilme („Liebesgrüße aus der Lederhose“, 1973), in denen sich die üblichen Verdächtigen wie Ellen Umlauf, Bea Fiedler, Ralf Wolter usw. gegenseitig in schlüpfrige Situationen bugsieren. Jenseits der Zoten erzählt der Film allerdings auch auf tragikomische Weise von der Beerdigung des Vampirmythos in Zeiten des erbarmungslosen kapitalistischen Weltlaufs. Das Kinojahr 1979 brachte uns gleich drei Filme, die zeigten, wie schwer es die Spukgestalt des Vampirs im Pantheon der neuen Leinwandungeheuer haben würde: Zwischen all den blutrünstigen Kannibalen („Nackt unter Kannibalen“, 1978), Konsumzombies („Zombie“, 1979), männerschwängernden Außerirdischen („Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“, 1979) und frauenskalpierenden Psychopathen („Maniac“, 1980) verkörperte der Vampir den unwiederbringlichen Heile-Welt-Horror. Während Werner Herzog uns die Tragik des Monsters in seinem Murnau-Remake „Nosferatu: Phantom der Nacht“ (1979) vermittelte, bemühte sich John Badham an einer Restaurierung der Dignität des Vampirgrafen mit dem dandyhaften John Langella in der Titelrolle („Dracula ´79“, 1979) – ein Versuch der freilich an der Kinokasse floppte. Erfolgreicher war Stan Dragotis Komödie „Liebe auf den ersten Biß“ (1979), in der der Graf, aus dem sozialistischen Rumänien verjagt, ins moderne New York auswandert, um hier eine Braut zu suchen. Die Integration in den American Way of Life geht erwartungsgemäß nicht ohne Tücken von statten. Carl Schenkels „Graf Dracula in Oberbayern“ erzählt eine ähnliche Geschichte, nur dass der Graf diesmal in seinem angestammten Schloss von der modernen Dienstleistungs- und Warengesellschaft heimgesucht wird: Die Ruhe in der Gruft des Grafen Stanislaus (Gianni Garko) und seiner Gattin Olivia (Betty Vergès) wird empfindlich gestört, als der Urenkel Stani (ebenfalls Gianni Garko) das Schloss anfangs als Kulisse für seine Fotoshootings benutzt, dann eine Disko in den alten Gemäuern betreibt und schließlich – als Bankrott und Verkauf des Adelssitzes drohen  – ein vampirisches Erlebnishotel dort eröffnet. Die untoten Untermieter sind fortan gezwungen, ihre blutsaugerische Tätigkeit als Dienstleistung anzubieten, damit ihnen das Dach über dem Kopf erhalten bleibt. Am Ende wirft Graf Stanilaus das Handtuch: das Vampirpärchen kehrt Bayern den Rücken und flieht nach Transsylvanien.

Graf Dracula in Oberbayern
(Deutschland/Italien 1979)
Regie: Carl Schenkel; Musik: Gerhard Heinz; Kamera: Heinz Hölscher; Schnitt: Jutta Hering
Darsteller: Gianni Garko, Betty Vergès, Bea Fiedler, Giacomo Rizzo, Ralf Wolter u. a.
Länge: 93 Minuten
Verleih: Lisa Film

Zur DVD von Lisa Film

Nachdem nun Oskar Roehlers Horrordebüt „Gentleman“ (1995) jüngst auf DVD erschienen ist, und vor wenigen Wochen Niklaus Schillings Spukhausfilm „Nachtschatten“ auf Bayern 3 wiederholt wurde, demnächst auch endlich Hans W. Geissendörfers Vampir-Parabel „Jonathan“ bei Kinowelt erscheinen soll (Gerüchten zufolge im 1. Quartal 2008), so hat sich auch Lisa Film nicht lumpen lassen, und dem Regiedebüt Carl Schenkels eine DVD-Veröffentlichung spendiert. Dabei hat sich die Firma MCP Sound & Media bemüht, den Film in adäquater Qualität auf DVD zu pressen: Farbbrillanz, Original-Bildformat, digitale Bild- und Tonrestaurierung wird man vergeblich suchen. Stattdessen vermitteln das verwaschene Bild, dumpfer Ton, und gelegentlich sogar Bild- und Tonaussetzer ein echtes Bahnhofskino-Feeling, also sozusagen deutsches Grindhouse. Aber nichtsdestotrotz darf man glücklich sein, dass der Film, der als abgenudelte VHS lange Zeit nur für viel Geld bei Ebay den Besitzer wechselte, nun sehr günstig als DVD erhältlich ist.

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Jörg Hackfurth

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